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LATEINAMERIKA/1506: Staaten verkünden neue Ära in den Beziehungen zu den USA (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. April 2015

Lateinamerika: Staaten verkünden neue Ära in den Beziehungen zu den USA

von Ivet González



Bild: © Siebtes Gipfeltreffen der Amerikas

Die Staats- und Regierungschefs des Siebten Gipfeltreffens der Amerikas
Bild: © Siebtes Gipfeltreffen der Amerikas

Panama-Stadt, 14. April (IPS) - Auf dem Siebten Gipfeltreffen der Amerikas in Panama-Stadt, dem ersten, auf dem Kuba vertreten war, haben die 33 lateinamerikanischen und karibischen Staaten den Beginn einer neuen Ära in den Beziehungen mit den USA angekündigt. Washington wiederum ließ verlauten, dass die "ungestrafte Einmischung" in die inneren Angelegenheiten der südlichen Nachbarn der Vergangenheit angehöre.

"Wir müssen begreifen, dass es Unterschiede gibt zwischen den beiden Amerikas, die nördlich und südlich des Rio Grande liegen. Und wir müssen als Blöcke verhandeln", erklärte der ecuadorianische Präsident Rafael Correa zum Abschluss der zweitägigen Gespräche am 11. April, an denen erstmals alle 35 Staaten der Hemisphäre teilgenommen hatten.

Die Anwesenheit Kubas machte das Treffen 'Wohlstand mit Gleichheit' in der panamaischen Hauptstadt zu einem historischen Event. Von 1962 bis 2009 war die Mitgliedschaft des karibischen Inselstaates in der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) ausgesetzt worden. "Es war an der Zeit, dass ich hier im Namen Kubas sprechen kann", erklärte Präsident Raúl Castro in seiner Ansprache auf der Plenarsitzung des Gipfels.

Seiner Teilnahme an der Panama-Konferenz war ein weiteres historisches Ereignis vorausgegangen: die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen, die US-Präsident Barack Obama und Castro am 17. Dezember 2014 bekanntgaben.


Applaus für Ende der US-kubanischen Eiszeit

Ausnahmslos alle Staats- und Regierungschefs begrüßten auf ihrem Gipfel vom 10. bis 11. April die Wiederaufnahme Kubas in den amerikanischen Staatenbund. Viele sprachen in ihren Vorträgen von einem Ende des Kalten Krieges und der Beilegung ideologischer Konfrontationen zwischen der Linken und der Rechten.

Obama und Castro bekräftigten in Panama-Stadt ihre Entschlossenheit, die 56-jährige politische Eiszeit hinter sich zu lassen, mit einem Händedruck, gemeinsamen Positionen in ihren Redebeiträgen, gegenseitigem Lob und einem bilateralen Treffen.

In der Region hätten Unilateralismus und Isolation keine Chance mehr, meinte die brasilianische Staatschefin Dilma Rousseff. Die Aufnahme Kubas in die Staatengemeinschaft und die Fortschritte des seit 2012 laufenden Friedensdialogs zwischen der kolumbianischen Regierung und der FARC-Guerilla nach mehr als 50 Jahren Bürgerkrieg erlaube Lateinamerika, sich im Sinne der 33 Mitgliedstaaten der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten als Friedensregion zu bezeichnen.

Wie Rousseff weiter betonte, "haben die Verfestigung der Demokratie und die neuen politischen Paradigmen in allen unseren Ländern der staatlichen Handlungslogik Vorschub geleistet, für eine nachhaltige Entwicklung mit sozialer Gerechtigkeit zu sorgen".

Als Vertreterin des einflussreichen südamerikanischen Schwellenlandes, das einen langjährigen Kampf der Gewerkschaften und gegen die Diktatur von 1964 bis 1985 hinter sich hat, erklärte Rousseff, dass in Lateinamerika Armut, Hunger, Analphabetismus sowie Kinder- und Müttersterblichkeit rückläufig seien. Die Region bedürfe nun eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums, gemeinsamer Entwicklungsziele und Anstrengungen, um die Anfälligkeit der Länder in Fragen der Sicherheit, Bildung, Migration, des Klimawandels, der Rechtsgarantien, Zusammenarbeit, menschenwürdigen Arbeit und des Katastrophenschutzes zu minimieren.

Konfrontiert mit Kritik des ecuadorianischen Staatschefs Correa im Hinblick auf die Menschenrechte und nationale Souveränität erklärte Obama, dass die USA keine Geisel der Vergangenheit seien. Er betonte, dass er sein Versprechen, "eine neue Ära der Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern als gleichwertige Partner einzuleiten, die auf gegenseitigen Interesse und Respekt basieren", eingehalten habe. Die Amerikas seien viel stärker miteinander verbunden als in den vorangegangenen Jahrzehnten.

"Wir haben noch sehr viel Arbeit vor uns, was die Harmonisierung der Bestimmungen, gute Regierungsführung und Transparenz zugunsten von Investitionen sowie die infrastrukturellen und energetischen Herausforderungen angeht", fügte er hinzu. Es gebe zudem eine Reihe von Bereichen wie den der universellen Rechte, der Wirtschaftsentwicklung, der Jugend, des Waffen- und Drogenhandels sowie der sauberen Energien, in denen sich noch größere Fortschritte erzielen ließen.

Castro ließ in seinem Vortrag die Geschichte der Beziehungen zwischen seinem Land und den USA Revue passieren. Er dankte Obama für seine Bereitschaft, die 1962 verhängten US-amerikanischen Wirtschaftssanktionen aufzuheben, "die den Interessen aller Staaten entgegenstehen".


Kräfte bündeln

Zudem appellierte er an seine versammelten Amtskollegen, die Zusammenarbeit im Kampf gegen den Klimawandel zu verstärken und für eine bessere Bildung und Gesundheit zu sorgen. Als Beispiel einer gelungenen Zusammenarbeit zwischen den Amerikas nannte er die Unterstützung der westafrikanischen Länder bei der Bekämpfung der Ebola-Epidemie, die mehr als 10.000 Menschen das Leben gekostet hat.

Weiter erklärte er, dass derzeit 65.000 Kubaner in 89 Staaten Entwicklungsarbeit in den Bereichen Bildung und Gesundheit leisteten und mit dem richtigen politischen Willen Bäume versetzt werden könnten. So habe Kuba trotz äußerst begrenzter Mittel zur Ausbildung von 68.000 Fachkräften und Technikern in 157 Ländern beigetragen.

Die argentinische Präsidentin Cristina Fernández forderte die Industriestaaten und insbesondere USA und Kanada dazu auf, stärker in die lateinamerikanischen Länder zu investieren, um Völkerwanderungen vorzubeugen. Ihr peruanischer Amtskollege Ollanta Humala sprach von der Notwendigkeit, die lateinamerikanische Wirtschaft zu diversifizieren und dem Bedarf an einem Nord-Süd-Technologietransfer.

Für Reibungen sorgte wie erwartet auf dem Gipfel die präsidiale Anordnung Obamas vom 9. März, die Lage in Venezuela, das von dem Sozialisten Nicolás Maduro regiert wird, als "eine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA" zu bezeichnen und etliche hochrangige Regierungsvertreter des südamerikanischen Landes mit Sanktionen zu belegen.

"33 der 35 hier versammelten Staaten sind der Meinung, dass die präsidiale Anordnung zurückgezogen werden sollte", erläuterte Kamla Persad-Bissessar, die Regierungschefin von Trinidad und Tobago.

Inoffiziell war zu hören, dass dieses umstrittene Thema ein Grund dafür war, warum es auf dem Gipfeltreffen zum dritten Mal in Folge seit Beginn dieser Zusammenkünfte im Jahr 1994 wieder keine Abschlusserklärung gegeben hat.


Parallele Foren

Eine Gelegenheit, die die Teilnehmer der Fünften Gipfelgespräche der indigenen Völker von Abya Yala (Name des amerikanischen Kontinents, den er vor der Ankunft von Christoph Kolumbus von den Kuna-Indianern erhielt. Der Ausdruck soll sich erklärtermaßen von der europäischen Bezeichnung 'Amerika' absetzen) nicht ungenutzt verstreichen ließen. Die rund 300 indigenen Führer, die in traditioneller Kleidung nach Panama-Stadt gekommen waren, verlasen dort ihre gemeinsame Erklärung zum Schutz ihrer autochthonen Völker.


Bild: © Ivet González/IPS

Panamas Minister für soziale Entwicklung, Alcibíades Vásquez, umgeben von indigenen Führern, während eines Interviews
Bild: © Ivet González/IPS

"Solange nicht alle Stimmen gehört werden, wird es keinen Wohlstand mit Gleichheit geben", meinte Hokabeq Solano von den panamaischen Kuna und eine Vertreterin der insgesamt 55 Millionen Indigenen der Amerikas. Sie kritisierte, dass die ethnischen Gemeinschaften auf dem Gipfel der Staats- und Regierungschefs und den zivilgesellschaftlichen Parallelforen nur ungenügend vertreten waren.

Das Indigenentreffen fand unabhängig vom fünften Gipfel der Völker statt, an dem mehr als 3.000 Mitglieder unterschiedlicher sozialer Bewegungen teilnahmen und das seit 2005 parallel zu den Gipfelkonferenzen der Staats- und Regierungschefs stattfindet.

Die Indigenen vom Volk der Abya Yala forderten in ihrer Erklärung Verfassungsreformen im Sinne ihrer Inklusion, den Schutz ihrer heiligen Stätten und eine Absage an alle Entwicklungsprojekte, die Zwangsvertreibungen zur Folge haben.

Auch die 800 Teilnehmer des Forums von Zivilgesellschaft und sozialen Akteuren, das ebenfalls parallel zum Siebten Gipfel in Panama stattfand, unterbreitete den Staats- und Regierungschefs Vorschläge zu Fragen der Gesundheit, Bildung, Sicherheit, Energie, des Umweltschutzes, der bürgerlichen Mitbestimmung und Demokratie. (Ende/IPS/kb/2015)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2015/04/america-latina-sella-nueva-era-con-estados-unidos/
http://www.ipsnews.net/2015/04/latin-america-heralds-new-era-with-united-states/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. April 2015

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