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LATEINAMERIKA/1948: Chile - Vandalismus am Grab von Sänger Victor Jara (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Chile
Vandalismus am Grab von Sänger Victor Jara


(Salta, 20. Januar 2020, El Tribuno) - Heute vor drei Monaten begannen die Proteste gegen die Politik von Präsident Sebastian Piñera und die Forderung nach Verbesserungen der sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen. In dieser Woche wurde das Grab des Liedermachers Victor Jara großflächig mit beleidigenden Worten beschmiert.


Künstler, Intellektueller, Kommunist

Victor Jara, international bekannter Vertreter des Protestsongs und Aktivist der kommunistischen Partei, war zusammen mit Violetta Para, Quilapayún, Inti Illimani und weiteren Künstler*innen einer der wichtigsten Künstler der Liedermacher*innen-Bewegung "Nueva canción chilena" (Neues chilenisches Lied).

Die Aktion sorgte auf Twitter für breite Empörung. Dadurch wurde Victor Jara zum Gesprächsthema Nummer eins. "Jara war Musiker, Liedermacher, Professor, Schriftsteller, Schauspieler und Direktor des chilenischen Theaters, dazu ein wichtiger Vertreter des Protestsongs. Mehrmals wurde er gefoltert und geschlagen; er starb von 44 Schüssen durchsiebt. Heute schänden kranke Menschen sein Grab."


Kein Einzelfall

Die Grabschändung ist nicht die einzige Attacke auf Gedenkstätten in letzter Zeit. Das Nationale Institut für Menschenrechte (INDH) hat einen Fall von Vandalismus in Concepción, der Hauptstadt von Biobío zur Anzeige gebracht. Dort wurde der Ort des Gedenkens an die verschwundenen Gefangenen im Park Bicentenario geschändet. Der Ort war mit Beleidigungen und Symbolen, die auf eine Gruppe der extremen Rechten hinweisen, beschmiert worden.

Auch eine Wandmalerei in Erinnerung an Präsident Salvador Allende wurde beschädigt. Laut Anzeige der Bürger*innen hinterließen die Täter Exkremente am Fuße der Gedenkstätte.


"Es ist der gleiche Hass"

Kurz nachdem Bilder von dem geschädigten Grab bekannt wurden, suchte auch Christian Galaz, der Direktor der Stiftung Victor Jara, den Ort auf, um sich über das Vorgefallene zu vergewissern. "Wir sind zum Putzen gekommen, um zu zeigen, dass Victor unter uns bleibt. Diese Dinge sind von Leuten verübt worden, die ihm viel Hass entgegenbringen. Man sollte sich fragen, wer ihm diesen Hass entgegenbringt, wer ihn getötet hat. Heute versuchen sie, Victor noch einmal zu beflecken, aber es ist der gleiche Hass wie der von denen, die ihn getötet haben" erklärte Galaz gegenüber Radiosender Cooperativa. "Heute habe ich mich mit Joan Jara (seiner Witwe) unterhalten. Sie sagte mir "Victor ist nicht nur dieses Grab, Victor lebt weiter in den Seelen der Menschen. Und er wird ihnen weiter Kraft geben zu kämpfen in diesen schwierigen Zeiten, die aber voll der Hoffnung sind", so Galaz weiter. Der Direktor der Stiftung Victor Jara bestätigte, dass es sich nur um ein Graffito handelt. Dieses wirke "als ob es jemand in sehr kurzer Zeit gemacht hätte". Mit den zahlreichen Objekten, die die Leute Jara an sein Grab bringen, sei dagegen nichts passiert. Zur Grabschändung und zur Zerstörung der Statue für "Negro Matapacos" [ein Straßenhund, der durch seine Teilnahme an den Studentenprotesten 2011 bekannt wurde und in zahlreichen Wandmalereien verewigt ist, Anm. d. Übers.] sagt Galaz, er glaube, die verantwortlichen Personen "sind voller Hass, weil sie sehen, dass all diese Figuren für die Kraft des Volkes stehen, und das irritiert sie".


Bild eines rennenden Hundes mit rotem Haltuch auf einer Mauer - Foto: Sfs90 [CC BY-SA 4.0] https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/

Demo-Hund Negro Matapacos
Foto: Sfs90 [CC BY-SA 4.0]
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/


"Wie weit sind diese Leute bereit zu gehen?"

"Was sie besonders stört ist, dass die Lieder von Victor Jara so häufig auf den Straßen und Plätzen des Landes gespielt wurden. Ihre Bemühungen sind sinnlos, sie versuchen, diese Symbole und Figuren herabzusetzen. Aber diese Symbole und Figuren stehen für etwas, das in der Gesellschaft fest verwurzelt ist. Und sie werden nicht schaffen, das zu ändern, weder, indem sie an Gedenkstätten kratzen, noch, indem sie Figuren verbrennen. Ob sie das wissen, weiß ich nicht." Man habe sich noch nicht darüber unterhalten, wie man gegen die Verantwortlichen vorgehen könne. "Auf jeden Fall halten wir es für sehr wichtig, dass solchen Sachen nachgegangen wird." Für Galaz stellt sich die Frage: "Wenn sie so wenig Respekt vor Denkmälern haben, wie weit sind sie dann bereit zu gehen?"


URL des Artikels:
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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2020

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