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NAHOST/1010: Syrische Kurden - der andere Aufstand (inamo)


inamo Heft 73 - Berichte & Analysen - Frühjahr 2013
Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten

Syrische Kurden.
Der andere syrische Aufstand

von International Crisis Group



Am Rande des eskalierenden Kampfes zwischen den regierungstreuen und aufständischen Lagern in Syrien zeichnet sich in den überwiegend kurdischen Gebieten im Norden und Nordosten des Landes ein schwelender und komplexer Konflikt ab. In diesem Konflikt stehen sich Anhänger der Kurdischen Arbeiterpartei (Partiya Karkêren Kurdistan, PKK), die seit Beginn der 1980er Jahre einen Aufstand gegen den türkischen Staat führt, und rivalisierende kurdische Gruppen gegenüber, die sich in dem von der irakischen Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) unterstützten Kurdischen Nationalrat (KNC) locker zusammengeschlossen haben.


Die wohl größte und einflussreichste kurdische Gruppe, die 2003 gegründete Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD), ist ideologisch - und wie manche behaupten auch organisatorisch und militärisch - mit der PKK Verbunden. Während die PYD diese Verbindungen bestreitet, ist sie doch Mitglied der Union der Gemeinschaften Kurdistans (Koma Civakên Kurdistan, KCK), einer Dachorganisation, die der Führung und der Charta der PKK unterliegt. [...]


Partiya Yekîtiya Demokrat
Zwischen beiden Organisation bestehen auch militärische Beziehungen. Der bewaffnete Arm der PYD, die Volksverteidigungskräfte (Yekîneyên Parastina Gel, YPG), wurde von der PKK in ihrem Hauptquartier in den Qandilbergen im Norden des Irak ausgebildet. Die dortigen Stellungen der PKK sind seit den 1990er Jahren wiederholt von der türkischen Luftwaffe bombardiert worden. In jüngster Zeit haben diese Angriffe zu Spannungen zwischen der PKK und dem Präsidenten der Autonomen Region Kurdistan im Irak, Masoud Barzani, geführt, der eine enge Beziehung zu Ankara entwickelt hat. Für die PKK war der im März 2011 begonnene syrische Aufstand eine Gelegenheit, ihren politischen und militärischen Rückzugsraum zu verlagern oder zumindest breiter aufzustellen. Obwohl die PYD in Syrien verboten ist, eilte ihre Führung bald nach Beginn des Aufstandes von Qandil nach Hause. Der Parteiführer Salih Muslim hatte in Syrien eine Haftstrafe wegen illegaler politischer Aktivitäten verbüßt, bevor er 2010 floh und Zuflucht bei der PKK im Irak suchte. Das Regime hat ihn wiederum in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Berichten zufolge kehrte er im April 2011 in die syrischen Kurdengebiete zurück. Zu diesem Zeitpunkt begann die Partei mit zielgerichteten politischen und paramilitärischen Aktivitäten, um unter den syrischen Kurden Unterstützung zu mobilisieren. N ach Angaben einer der PYD nahestehenden Quelle entsandte die PKK zu diesem Zeitpunkt auch eintausend bewaffnete Kämpfer, um die YPG, den militärischen Arm der PYD, aufzubauen.

Diese Vorgänge ließen V. a. bei rivalisierenden Gruppierungen den Verdacht entstehen, die PYD habe mit dem Regime eine Vereinbarung getroffen, die ihr die Wiederaufnahme ihrer Aktivitäten in Syrien im Gegenzug für die Kooperation mit den Sicherheitskräften zur Unterdrückung regimekritischer Demonstrationen in vorwiegend kurdischen Gebieten erlaubte. Einige gehen sogar weiter und verwenden den abfälligen Begriff shabiha (Rowdys) für die Partei. Vermeintliche Dokumente der Baath-Partei, die Al-Jazeera zugespielt worden waren, lassen darauf schließen, dass das Regime frühzeitig entschieden hatte, sich auf die PYD als Handlanger vor Ort zu verlassen, anstatt selbst kurdische Gebiete anzugreifen. Eines dieser Dokumente betonte die Notwendigkeit, "kurdische Gebiete unter Beobachtung zu stellen und mit der [PYD] geheime Absprachen zu treffen, um Proteste zu unterdrücken und gegen Demonstranten vorzugehen und nicht [direkt] mit Sicherheitskräften in den kurdischen Gebieten einzugreifen."

Die International Crisis Group kann die Authentizität dieser Dokumente oder die Existenz eines formalen Abkommens zwischen der PYD und dem Regime nicht bestätigen; es ist möglich, dass die PYD lediglich das Machtvakuum ausgenutzt hat, das durch die anderweitig eingesetzten, unterbesetzten und - in einigen Gebieten - überwiegend abwesenden Sicherheitskräfte entstand und gleichzeitig einen modus vivendi mit Damaskus fand. [...]

Im Juli 2012, siebzehn Monate nach Beginn des Aufstandes, als es erste, wenn auch unklare, Anzeichen der Schwäche des Regimes und des Durchhaltevermögens der Opposition gab, trat die PYD entschlossener auf. Sie nutzte den Teilabzug der syrischen Sicherheitskräfte, um ihren politischen Einfluss und ihre Sicherheitspräsenz in den von Kurden bewohnten Gebieten fest zu etablieren. Als bewaffnete Gruppen der Opposition in nichtkurdischen Gebieten in Nordsyrien zunahmen, Vertrieb die PYD Regierungsvertreter aus kommunalen Gebäuden in mindestens fünf ihrer Hochburgen: Ayn al-Arab (Kobane auf Kurdisch), Amouda, Al-Malikiyah (Derek), Afrin and Jinderes - und ersetzte die syrische Flagge durch ihre eigene.

Dementsprechend etablierte die PYD, die bereits zur einflussreichsten kurdischen Gruppierung im Land geworden war, ihre Kontrolle über staatliche Institutionen in den meisten kurdischen Städten, mit Ausnahme u.a. der wichtigsten Stadt Qamishli. Diese beispiellose Demonstration der Stärke durch die PYD beunruhigte die benachbarte Türkei, die in der Gruppierung nur eine andere Manifestation der PKK sieht. Kurz darauf drohte der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan, dass sein Land das "unbestrittene Recht" zum Eingreifen habe, sollte sich die PKK in Syrien eine neue Basis schaffen.


Kurdischer Nationalrat
Das Wiedererstarken der PYD seit Frühjahr 2011 hat dazu geführt, dass sich die übrigen kurdischen Parteien des Landes - etwa sechzehn kleinere und traditionell zerstrittene Gruppierungen - zusammengetan haben, um sich im Ausland breitere Unterstützung zu sichern. Im Oktober 2011 gründeten sie den Kurdischen Nationalrat (KNC) unter der Schirmherrschaft von Barzanis KDP. Die meisten Gruppierungen, die dem KNC angehören, sind abtrünnige Splittergruppen der Demokratischen Partei Kurdistan-Syrien, der ersten kurdischen Partei Syriens, die 1957 gegründet wurde.

Die facettenreiche Mitgliederschaft hat zu zahlreichen internen Verwerfungen geführt. Die unterschiedlichen Splittergruppen haben verschiedene Förderer, Ideologien und Sympathisanten. Heute unterhalten die beiden einflussreichsten Parteien innerhalb der Koalition direkte Verbindungen zu irakisch-kurdischen Parteien: die Kurdische Demokratische Partei in Syrien (Partiya Demokrat a Kurdî li Sûriyê, PDKS) unter Abdulhakim Bashar ist die syrische Schwesterpartei von Barzanis KDP und die Kurdische Demokratische Fortschrittspartei Syriens (Partiya Demokrat a Pêsverû ya Kurdî li Sûriyê, PDPK-S) unter Abdulhamid Darwish ist die Schwesterpartei von Dschalal Talabanis Patriotischer Union Kurdistans (PUK). Anhaltende Rivalitäten zwischen der KDP und der PUK haben sich in der Vergangenheit in der Konkurrenz zwischen der PDKS und der PDPK-S widergespiegelt, die - neben weiteren Streitpunkten - unter dem relativ lockeren Schirm des KNC weiterbestehen.


Die Erbil-Erklärung
Es hat Versuche gegeben, die PYD und den KNC auszusöhnen. Am 11. Juli 2012, unmittelbar bevor die Autorität des syrischen Staates in einigen kurdischen Gebieten zusammenzubrechen begann, vermittelte Barzani ein Abkommen zur Teilung der Macht zwischen den beiden einflussreichsten Gruppen. Diese als Erklärung von Erbil bekannt gewordene Vereinbarung sah vor, dass beide Gruppen die kurdischen Gebiete Syriens während der Übergangsphase gemeinsam regieren würden und etablierte zu diesem Zweck das Oberste Kurdische Komitee (SKC). Die Vereinbarung war offenbar ein Schock für Ankara, das in Barzani einen Verbündeten bei der Isolierung und Marginalisierung - anstatt der Einbindung - der PYD sah. Seit 2007 hatte die wirtschaftliche Integration der irakischen Kurdengebiete mit der Türkei den Weg für außergewöhnlich enge Verbindungen zwischen Ankara und Erbil geebnet. Barzanis enge Verbindungen zur Türkei beeinflussten wiederum sein Verhältnis zu den syrischen Kurden. Seit Jahren hatte die Türkei auf Barzani Druck ausgeübt, gegen die PKK in Qandil vorzugehen. Seit 2011 drängte man ihn mit dem Argument, es sei in seinem besten Interesse, den Einfluss des Hauptkonkurrenten seiner Schwesternparteien in Syrien zu begrenzen und seinen eigenen Einfluss in der politischen Arena Syriens zu konsolidieren, im gleichen Maße gegen die PYD vorzugehen. Türkische Behörden vertraten auch die Ansicht, dass der pan-kurdische Charakter der PKK nicht nur Barzanis Autorität als Präsident der Autonomen Region Kurdistan im Irak bedrohe, sondern auch jegliche pan-kurdische Ambitionen, die er möglicherweise habe.

Die Erbil-Vereinbarung unterstrich Barzanis Pragmatismus - eine Anerkennung der relativen Stärke der PYD und der militärischen und politischen Risiken möglicher Auseinandersetzungen zwischen der PYD und dem KNC. Die Erinnerungen an den blutigen Bürgerkrieg zwischen der PUK und der KDP in den 1990er Jahren sind unter den Kurden im Nahen Osten noch sehr präsent und bewaffnete Konflikte zwischen Kurden sind höchst unpopulär. Interne Kämpfe zwischen syrischen Kurden würden auch das bereits angespannte Verhältnis zwischen der PKK und der KDP in Nordirak eskalieren lassen.(1) Gleichzeitig unternahm Barzani Schritte, um die militärische Position seiner Verbündeten zu stärken. Im Juli 2012 gab er bekannt, dass die Kurdische Regionalregierung kurdische Überläufer aus der syrischen Armee in Trainingscamps im irakischen Kurdistan ausbilde. Er erklärte später: "Es gibt zwischen 10.000 und 15.000 kurdische Flüchtlinge aus Syrien in Kurdistan. Vielen von ihnen sind junge Männer. Es ist richtig, dass einige von ihnen ein Training durchlaufen haben. Sie wurden nicht für den Angriff, sondern zur Verteidigung ausgebildet. Die Regionen, in denen sie leben, verfügen über keinerlei Verteidigungssystem und sie müssen in die Lage versetzt werden, dort Chaos zu verhindern." [...]


Der arabische Aufstand eine Chance für die Kurden?
Etwa zehn Prozent der ca. 23 Millionen Einwohner Syriens sind ethnische Kurden, die vorwiegend in der Hasake-Region im Nordosten und in großen, nicht zusammenhängenden Gebieten entlang der türkischen Grenze bis nach Afrin im Nordwesten, wie auch in Großstädten wie Aleppo und Damaskus und im Süden in einigen kleineren Städten bis nach Quneitra leben. Neben dieser geographischen Fragmentierung sind die syrischen Kurden, wie die Kurden im Nahen Osten im Allgemeinen, auch politisch fragmentiert und haben eine Vielzahl politischer Gruppen hervorgebracht, die sich mit konkurrierenden Regionalmächten verbünden. Seit Beginn des syrischen Aufstandes 2011 weisen dramatische Veränderung in der kurdischen politischen Landschaft auf neuerliche Versuche der Kurden hin, sich als eigenständige wichtige politische Akteure zu behaupten, ein Unterfangen mit beträchtlichen Hürden.


Die Arabische Republik, Syrien und die Kurden
Die Beziehungen zwischen dem syrischen Staat und der kurdischen Minderheit waren bereits angespannt, bevor das gegenwärtige Regime nach der Machtübernahme der Baath-Partei 1963 an die Macht kam. 1962 benutzten die Behörden Volkszählungsdaten aus der al-Dschasira Region (das Gebiet zwischen Euphrat und Tigris) im Nordosten, um etwa 120.000 Kurden ihre syrische Staatsbürgerschaft unter dem Vorwand zu entziehen, sie seien illegale Einwanderer aus der Türkei.(2) Die Zahl dieser staatenlosen Kurden und ihrer Nachkommen wird heute auf rund 300.000 geschätzt, was etwa fünfzehn Prozent der etwa zwei Millionen Kurden in Syrien entspricht. Sie leben in einem gesetzlichen Vakuum ohne grundlegende Rechte wie z.B. Reisefreiheit innerhalb Syriens oder ins Ausland (was einen Pass oder Personalausweis erfordert), Recht auf Grundeigentum, Recht auf rechtsgültige Eheschließung, Anspruch auf Lebensmittelbeihilfen, Teilnahme an Wahlen und Begleitung eines öffentlichen Amtes (ob durch Wahl oder als Beamter). Während einige als Ausländer (ajaneb) registriert wurden, hat man viele völlig ignoriert. Letztere Kategorie wird als "unregistriert" (maktumin, wörtlich: verborgen) bezeichnet. Nach einer Schätzung hatte Syrien 2008 etwa 154.000 ajaneb und 160.000 maktumin.

Den Kurden wurden in Syrien auch sprachliche Rechte lange verwehrt. Ein Erlass von 1958 Verbot Publikationen in kurdischer Sprache und selbst privaten Schulen wurde der Unterricht in dieser Sprache untersagt. Das Regime ersetzte kurdische Namen von Städten und Dörfern mit arabischen Namen; so wurde die kurdische Stadt Kobane in Ayn al-Arab umbenannt. Noch 2008 fügte die Regierung der langen Liste der Benachteiligungen für Kurden ein Gesetz hinzu, das den Grundbesitz und -verkauf sowie andere Landrechte in Grenzregionen einschränkt und damit Kurden in diesen Gebieten, die zwar die Staatsbürgerschaft haben, das Recht auf Grundbesitz verweigert.

Der Status der Kurden blieb unter der Herrschaft von Hafez Asad und Bashar Asad praktisch unverändert. Trotz der Anerkennung der Probleme der Volkszählung von 1962 hat es Bashar jahrelang versäumt, Schritte zur Einbürgerung sowohl der ajaneb als auch der maktumin zu unternehmen.(3) Wie bereits von der Crisis Group an anderer Stelle dargestellt, litten die Kurden auch unter der anhaltenden und eklatanten Vernachlässigung und Ausbeutung der rohstoffreichen Region Nordostsyrien durch das Regime.

Als der Aufstand 2011 ausbrach, waren die Kurden zunächst unentschlossen, ob sie sich ihm anschließen sollten. Obwohl sie wenig Sympathien für das Regime hatten, war die Erinnerung an das brutale Vorgehen der Regierung in Qamishli 2004(4) und die gleichgültigen Reaktionen der nicht-kurdischen Bevölkerung in Syrien - seit langem misstrauisch gegenüber kurdischen separatistischen Bestrebungen - noch gut in Erinnerung. [...]

Wo kurdische Parteien stärker waren, fürchteten deren Führer harsche Repressalien durch das Regime und verhinderten mögliche Protestaktionen; so auch in Qamishli, wo sich die Zentralen der Parteien befinden.

Das Regime versuchte, eine Machtprobe im Nordosten zu vermeiden, weil es den Verlust wertvoller Ressourcen befürchtete und auch die Loyalität von Minderheiten aufrecht erhalten wollte, indem es den Aufstand als sunnitisch-arabische Revolte darstellte. Deswegen reagierte das Regime auf Proteste in den kurdischen Gebieten wesentlich maßvoller als in anderen Gebieten und kam den Kurden umgehend politisch entgegen. Im April 2011, nachdem Demonstrationen gegen das Regime in überwiegend von Arabern bewohnten Städten ausgebrochen waren, wurde mehreren tausend Kurden in der Hasake Region die Staatsbürgerschaft zuerkannt. Der unausgesprochene Zweck dieses Zugeständnisses war die Beschwichtigung dieser Bevölkerungsgruppe und die Begrenzung regimekritischer Demonstrationen durch Kurden. Es ist unklar, ob diese Taktik Wirkung gezeigt hat. Einige Kurden monierten, dass diese Maßnahmen nicht weit genug gingen, glaubten aber, dass es weitere Fortschritte geben könne, wenn sie von Protesten gegen das Regime absähen. Andere widersprachen dem. Ein junger Aktivist aus Qamishli, der 2011 seine Staatsbürgerschaft erhielt, zeigte der Crisis Group im Oktober 2012 seinen neuen syrischen Ausweis und sagte: "Als ich diesen letztes Jahr bekam, ging ich noch am selben Tag zum Demonstrieren auf die Straße." Das Regime hat ebenfalls im Oktober 2011 mehrere kurdische politische Gefangene im Rahmen einer Vereinbarung mit der PYD frei gelassen. Diese Strategie ging zumindest bis zu einem gewissen Maß auf, wie eine Person mit engen Verbindungen zur PYD Anfang 2012 erklärte: "Das Regime ist jetzt sehr schwach, darum können wir Zugeständnissen bei kurdischen Rechten erreichen, wie sich bei der Staatsbürgerschaftsfrage zeigte. Syrien ließ üblicherweise Kurden ihren Militärdienst absolvieren und gab ihnen staatsbürgerschaftliche Dokumente, wenn sie in die Armee eintraten, und nahm ihnen diese Dokumente nach Beendigung des Militärdienstes wieder ab. Ohne Staatsbürgerschaft kann man nicht rechtskräftig heiraten, kein Haus kaufen oder ein Auto, usw. Zu Beginn hielt die PYD ihre Mitglieder dazu an, sich nicht an Demonstrationen zu beteiligen; sie trug also dazu bei, die kurdischen Gebiete in den ersten Monaten der Revolution ruhig zu halten und das gab dem Regime einen Grund, an einige die Staatsbürgerschaft zu verleihen. Darüber hinaus wurden alle der PYD angehörenden Gefangenen vor drei Monaten aus den syrischen Gefängnissen frei gelassen." [...]

Das Attentat am 7. Oktober 2011 auf Meshaal Tammo, den Gründer der Zukunftsbewegung, einer kleinen regimekritischen syrisch-kurdischen Partei mit engen Verbindungen zu jungen Aktivisten, löste die bis dahin größte Demonstration aus. Tammo war einer der wenigen kurdischen Politiker, die an Demonstrationen gegen das Regime teilnahmen, seinen Sturz forderten und dem Syrischen Nationalrat (SNC), einer Koalition vorwiegend arabischer Oppositionsgruppen, beitraten. Während er an einem politischen Treffen in einem Privathaus in Qamishli teilnahm, wurde er von Angreifern in ziviler Kleidung niedergeschossen; vermutlich auf Befehl des Regimes, aber es halten sich Gerüchte über eine Verwicklung der PYD in den Vorfall. Obwohl Kurden, die mit den Lokalen Koordinationskomitees zusammenarbeiten, behaupten, dass es seit dem Mordanschlag an jedem Freitag in den Straßen von Qamishli Demonstrationen mit 10.000 bis 15.000 Teilnehmern gegeben hat, gibt es keine Beweise für diese Behauptung. YouTube-Videos, deren Bilder sich kaum verifizieren lassen, zeigen üblicherweise kaum mehr als 1.000 Teilnehmer an Freitagsdemonstrationen. [...]


Politische Parteien übernehmen die Führung
Neben Demonstrationen, die von jungen Aktivisten organisiert werden, haben Demonstrationen politischer Parteien einen eigenen Charakter, der eher ihre jeweiligen Programme als die Solidarität mit dem landesweiten Aufstand widerspiegelt. Der KNC und die PYD benutzten weniger drastische Slogans gegen das Regime - der Verbreitetste war "Nein" zur Baath und 'Nein' zu Intervention des Auslands" -, während die kurdische nationalistische Stimmung immer mehr an Gewicht gewann und freimütiger geäußert wurde.

Vor allem die PYD verlieh ihren Demonstrationen starke kurdische Untertöne und Verwendete nicht nur kurdische Symbole, sondern demonstrierte auch Unterstützung für den PKK-Führer Abdullah Öcalan, der in der Türkei in Haft ist. Wie bereits gesagt, rechtfertigte die PYD ihre moderate Haltung mit dem Argument, dass diese weitere Zugeständnisse von Seiten der Regierung ermögliche.(5) Der KNC riet auch von Demonstrationen gegen das Regime ab und stellte hingegen spezifische kurdische Forderungen. Ein Vertreter des KNC erklärte: "Am Beginn der Revolution wollten wir nicht in großer Zahl teilnehmen. Das war ein taktischer Schritt, um zu verhindern, dass Menschen getötet werden. Es war bekannt, dass im Arabischen Frühling die Araber freitags demonstrieren würden. Darum entschieden wir als Kurden, mittwochs zu demonstrieren, um uns abzugrenzen. Nachdem der KNC gebildet worden war, demonstrierten die Leute weniger für den "Sturz des Regimes" als für das kurdische Recht auf Selbstbestimmung und die 'Veränderung des gesamten Sytems' (taghyir al-nizam)" [...]


Der Aufstieg der PYD
Spannungen im Verhältnis zum Regime wurden im Mai 2012 offenkundiger, als Sicherheitskräfte mehrere Demonstranten verhafteten und Anhänger des Regimes Berichten zufolge mehrere PYD-Anhänger in Aleppo töteten. Etwa zu jener Zeit verschärfte die PYD auch den Ton ihrer Slogans und Erklärungen. Ihr außenpolitischer Sprecher, Alan Semo, erklärte diesen Wandel: "Wir verstanden den Aufstand als pro-Demokratie und wir haben aktiv an dem pro-demokratischen Aufstand gegen vier bis fünf Jahrzehnte Diktatur teilgenommen. Wenn wir Regimeanhänger wären, warum sollten sie uns dann in Aleppo töten?" Um ihren Standpunkt weiter zu untermauern, betonten PYD-Vertreter sowohl langjährige als auch gewalttätige Konfrontationen mit dem Regime. Der Ko-Sekretär der PYD, Salih Muslim, sagte: "Man wirft uns vor, auf Seiten den Regimes zu stehen. Wir haben jedoch am Kampf gegen dieses Regime seit fast einem Jahrzehnt teilgenommen. Wir waren die einzigen, die die Mobilisierung 2004 in Qamishli unterstützt haben und die PYD ist wiederholt politisch verfolgt worden. Seit ihrem Beginn haben wir auf der Seite der Revolution gestanden und sind Mitglied im Oppositionsgremium NCB [Nationales Koordinationsgremium für Demokratischen Wandel]. Vor Ort haben wir Märtyrer, z. B. in Aleppo. Wenn das Regime uns nicht verfolgt hat, dann deswegen, weil sie nach 2004 realisiert haben, dass sie gegen uns nicht gewinnen können."

Die eigentliche Gelegenheit für die PYD, sich zu etablieren und das Regime zu verdrängen, kam im Juli 2012, als sie öffentliche Gebäude in den kurdischen Gebieten in einer Demonstration von Stärke und Unabhängigkeit einnahm. Eine der PYD nahestehende Person sagte: "Wir sagten den Behörden in unserer Stadt, dass sie 24 Stunden hätten, die Stadt zu verlassen, oder wir würden sie dazu zwingen. Die Polizei verließ Afrin und Kobane [Ayn al-Arab] ohne Probleme, aber aus Derek [Al-Malikiyah] zogen sie nur nach Kämpfen ab. Wir bildeten ein Komitee, um Assyrer, Araber und andere zu schützen. Wir übernahmen Tankstellen und begannen, Benzin zu verkaufen und die Arbeiter zu bezahlen. Das System ist also nicht zusammengebrochen, nur untersteht es jetzt der PYD."

PYD-kritische Quellen, einschließlich türkische Regierungsvertreter und syrisch-kurdische Politiker von Konkurrenzparteien, behaupten, dass die PYD diese Aufstände in Absprache mit dem Regime inszeniert hat. So behauptete z. B. Premierminister Erdogan, dass Assad fünf Provinzen an die PYD übergeben hätte. In der Tat hat der erhöhte Einfluss der PYD im Norden wohl mögliche Vorteile für das Regime: die PYD hält andere bewaffnete Oppositionsgruppen in Schach und erschwert deren Zugang zur Grenzregion; durch die Stärkung der Bewegung verschärften sich die Befürchtungen vieler Syrer - ob Regimeanhänger oder -gegner - vor kurdischen separatistischen Bestrebungen und im weitesteten Sinne trägt dieser erhöhte Einfluss der PYD zur Teile-und-Herrsche-Strategie des Regimes bei.

Dennoch ist nicht ganz klar, warum das Regime ein Interesse daran haben könnte, der PYD zu erlauben, ihre Kontrolle derart zur Schau zu stellen und damit die Schwäche des Regimes zu betonen, dem damit ein weiterer, früher ruhiger Teil des Landes entgleitet. Darüber hinaus hat die PYD wiederholt ihre Unabhängigkeit betont und regimekritische Demonstrationen veranstaltet. Es überrascht wenig, dass die PYD Anschuldigungen, sie kollaboriere mit dem Regime, als türkische Propaganda und Angriff auf ihre Glaubwürdigkeit zurückwies.

Ob und in welchem Ausmaß die PYD nun mit dem Regime kooperiert haben mag, ihr Pragmatismus und eine relative Deckungsgleichheit der kurzfristigen Interessen beider Seiten helfen letztlich, den augenscheinlichen modus vivendi zu erklären: die PYD sicherte sich einige Gebiete im Norden, während das Regime nichts unternahm, um diese zurückzugewinnen.


Politische Rivalitäten. Die Jugendkomitees
Die Geldbewegung, die im Zuge des Volksaufstandes entstand, stellte sich ausdrücklich gegen die traditionellen kurdischen Parteien, die fast ausnahmslos im KNC versammelt sind. Nach ihrer Ansicht hatten diese Parteien in der Vergangenheit kurdische Interessen nicht vorangebracht, hatten dem Staat gegenüber inakzeptable Zugeständnisse gemacht, waren am Beginn des Aufstandes im Hintergrund geblieben. Diese alten, diskreditierten Eliten sind im Allgemeinen von der Basis und seiner Jugendbewegung entfremdet und repräsentieren daher weder den Geist des Aufstandes, noch die syrischen Kurden in ihrer Gesamtheit. Ein junger Aktivist brachte seine Verärgerung zum Ausdruck: "Die politischen Parteien haben seit Jahrzehnten dieselben Führungen und diese haben für die Kurden nicht viel erreicht. Wir sind anders. Wir haben keine Anführer, sondern wir treffen uns jede Woche und diskutieren das weitere Vorgehen." Lokale Jugendkomitees habe einige Anstrengungen unternommen, sich von den etablierten Parteien abzugrenzen und etablierten nicht-hierarchische Verwaltungsstrukturen und demokratische, inklusive Entscheidungsprozesse.

Die Meinung der Jugendbewegung über die PYD ist kaum positiver. Obwohl sie einräumen, dass die PYD dynamischer und produktiver ist (v.a. im Vergleich zu den Mitgliedern des KNC), so werfen die Aktivisten ihr jedoch vor, den öffentlichen Raum in den kurdischen Gebieten ebenso zu kontrollieren wie es das Regime in der Vergangenheit getan hatte, Jugendaktivitäten in den meisten kurdischen Städten zu unterdrücken und der fremden, unpopulären Ideologie der PKK anzuhängen, die auf den Kampf gegen die Türkei fokussiert ist.

Viele junge syrische Kurden haben versucht, jede ethnische Zugehörigkeit herunterzuspielen und stattdessen ihre syrische Identität zu betonen. Ein Aktivist aus Amouda berichtete: "Wir sind sowohl mit syrischen als auch kurdischen Fahnen auf die Straße gegangen und riefen auf Kurdisch und Arabisch: "Das syrische Volk ist eins." Dennoch wurde das Verhältnis zwischen kurdischen und arabischen Jugendkomitees mit Fortschreiten der Revolution problematischer, u.a. wegen der zunehmenden Schwierigkeiten, durch Syrien zu reisen, und auch aufgrund unserer begrenzten Kommunikationsmöglichkeiten."

Anders als der KNC oder die PYD streben die Jugendkomitees keine Autonomie oder Sonderstatus für die kurdischen Gebiete an. Stattdessen fordern sie einen demokratischen, säkularen Staat basierend auf dem Prinzip der Staatsbürgerschaft, in dem die Rechte der Kurden wie die anderer Minderheiten anerkannt würden. Ein Jugendaktivist aus Qamishli ohne Verbindungen zu einer bestimmten Gruppierung sagte: "Es gibt ein Land mit dem Namen Syrien und wir als Kurden sind ein Teil dieses Landes. Ich bin gleichzeitig Kurde und Syrer. Ich fühle mich einem syrischen Araber meines Alters mehr verbunden als einem irakischen Kurden. Die Lösung, die ich für Syrien sehe, ist ein säkularer und demokratischer Staat, der meine Identität als Kurde anerkennt. Abdulhakim Bashar [Führer der PDKS] vertritt nicht die Kurden Syriens, sondern das, was die Kurdische Regionalregierung will. Ich sehe meine Zukunft in Syrien und nicht mit Barzani."


Der KNC - eine zerrissene Konföderation
Wie bereits gezeigt, besteht das größte Kapital des KNC in seiner internationalen Legitimität, die er aufgrund seiner Verbindungen zur Kurdischen Regionalregierung und damit - indirekt - zur Türkei genießt. In Begleitung des Vorsitzenden des Syrischen Nationalrates traf der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu im August 2012 in Erbil unter der Ägide der Kurdischen Regionalregierung mit Vertretern des KNC zusammen und behandelte den KNC damit als Stimme der syrischen Kurden. Im Gegenzug weigerte er sich, Vertreter der PYD zu treffen.

Gleichzeitig ist der KNC durch einen Mangel an Zusammenhalt, Entfremdung von Jugendaktivisten und dem Fehlen einer einenden Vision oder eines Programms gekennzeichnet. Der Anführer einer dem KNC angehörenden Gruppierungen sagte: "Es gibt kurdische Parteien, die nicht bereit sind, weitreichende Forderungen zu stellen, weil sie glauben, dass das Regime sie dafür bestrafen wird. Sie sagen, dass sie bescheiden bleiben wollen, damit sie keinen Schaden erleiden. Die Wahrheit ist, dass sie immer noch Angst vor dem Regime haben. Wir hoffen jedoch, dass diese Frage nicht zu einer Spaltung führt."

Noch mehr Uneinigkeit stiften konträre Persönlichkeiten, die oft nur Kämpfe um Einfluss unter ihren Unterstützern im Ausland widerspiegeln. Abdulhamid Darwish (der Talabani nahe steht) und Abdulhakim Bashar (Barzani nahestehend) zählen zu den einflussreichsten KNC-Führern; abgesehen von ihrer gegenseitigen Abneigung spiegelt ihre Gegnerschaft auch die Konkurrenz zwischen der PUK und der KDP um Einfluss auf die syrischen Kurden wider. Machtkämpfe in einigen der Mitgliedsgruppierungen des KNC haben in jüngster Zeit zugenommen und sind sicher ein Indiz für die gestiegene Bedeutung der Gruppierung und ihre potentielle Rolle. (...) Der KNC ist auch vergleichsweise schwach in den von Kurden bewohnten Gebieten Syriens. Trotz angekündigter Pläne, Büros in den meisten von Kurden bewohnten Städten einzurichten, hat der KNC dies bisher nicht getan. Dem KNC fehlt auch eine eigene Streitmacht und er übt keine effektive Kontrolle über die von der KDP im irakischen Kurdistan trainierten Gruppen syrischer Kurden aus. All dies lässt Zweifel an der Fähigkeit des KNC aufkommen, im Namen der syrischen Kurden Ente Scheidungen zu treffen oder ein eventuelles Abkommen, das er unterzeichnet, umsetzten zu können.

Um seine Rolle in der Ära nach Assad vorzubereiten, behauptet der KNC, dass er Reformen plant und eine effektivere Institution werden will. Dies will er angeblich dadurch erreichen, dass Entscheidungen von einem kleineren Kreis von Personen getroffen werden, die eine klare Liste von Forderung aufstellen und diese in Verhandlungen mit der PYD und der syrischen Opposition auf den Tisch legen wird und dadurch seine Präsenz vor Ort in den Stämmen und Jugendkomitees gestärkt wird. Zu diesem Zweck erwog der KNC größeren Gruppierungen ein Vetorecht einzuräumen. Sollte eine solche Zentralisierung letztlich eintreten, so würde sie der KDP nahestehenden Elemente nützen und damit wiederum Barzanis Bemühungen, seinen Einfluss in den kurdischen Gebieten Syriens auszubauen.

Diese Reformen haben noch nicht stattgefunden. Im Dezember 2012 gaben jedoch Vier Barzani nahestehende Parteiführer - Abdulhakim Bashar, Ismail Hama, Mustafa Juma und Mustafa Oso - die Gründung einer neuen politischen Koalition, der Syrisch-Kurdischen Demokratischen Union (SKDU), bekannt und erklärten, dass dieser Schritt "den politischen Einfluss des KNC stärken" werde und dass Verhandlungen mit der syrischen Opposition über kurdische Fragen weiterhin in Koordination mit anderen KNC-Mitgliedern und dem Hohen Kurdischen Komitee geführt würden. Andere behaupten jedoch, dass die neue Gruppe Versuchen könne, konkurrierende syrisch-kurdische Kräfte auszubooten, um Barzani zu stärken. Ein in Erbil ansässiger syrisch-kurdischer Aktivist bemerkte dazu: "Die Syrische-Kurdische Demokratische Union besteht aus Parteien, die Barzani am nächsten stehen. Sie teilen die Meinung über Föderalismus und über die im Irak befindlichen syrisch-kurdischen Kräfte. Die Schaffung dieser Koalition wird die Brüche innerhalb des KNC verstärken. Im Moment kann sich Barzani auch ganz einfach mit seinen Freunden zusammensetzen und über unsere Zukunft entscheiden. Das wäre einfacher!"


International Crisis Group, Middle East Report 136, 22. Januar 2013. Stark gekürzt von Norbert Mattes. Aus dem Englischen von Anja Zückmantel.



Anmerkungen

(1) Weil die PKK sehr wahrscheinlich für ein Vorgehen der Kurdischen Regionalregierung gegen die PYD Vergeltung üben würde, könnte ein solcher Konflikt auf den Irak übergreifen. Aufschlussreich in dieser Hinsicht ist ein Konflikt zwischen dem Iran und der PJAK (eine Gruppe bewaffneter iranisch-kurdischer Rebellen, die Partei für ein Freies Leben in Kurdistan, Partiya Jiyana Azad a Kurdistanê), der 2007 auf den Irak übergriff. Als Vergeltung für den Tod zweier seiner Soldaten griff der Iran PJAK-Kräfte im irakischen Kurdistan an. Die grenzübergreifenden Kämpfe dauerten über einen Monat an und die PUK griff mit der Entsendung von 200 Soldaten für den Einsatz gegen PJAK Mitglieder in der Provinz Suleimaniya in den Konflikt ein. Vgl. Telegramm der U.S. Botschaft, Bagdad: "Regionales Aufbauteam Erbil: PUK-PJAK Konfrontation in Sulaimaniya," 19. September 2007, berichtet von Wiki-Leaks.

(2) Nach Angaben von Human Rights Watch "wurde 1962 aufgrund einer außerordentlichen Volkszählung etwa 120.000 syrischen Kurden - 20 Prozent der kurdischen Bevölkerung Syriens - ihre syrische Staatsangehörigkeit entzogen. Nach zahlreichen Berichten wurde die Volkszählung willkürlich durchgeführt [...] Brüder aus der selben Familie, die im selben Dorf geboren worden waren, wurden unterschiedlich klassifiziert. Väter wurden zu Ausländern, während ihre Söhne Staatsbürger blieben. Die Zahl der staatenlosen Kurden stieg mit der Zahl der Nachfahren jener, die 1962 ihre Staatsbürgerschaft verloren hatten. Ihre Zahl wird heute auf 300.000 geschätzt." Human Rights Watch: Syria. Silenced Kurds, Oktober 1996. Die Regierung hat ihr Vorgehen mit der Behauptung gerechtfertigt, dass viele dieser Kurden aus benachbarten Länder, v.a. der Türkei, stammten. Nach dem Scheitern des kurdischen Aufstandes von 1925 gegen Kemal Atatürks nationalistische türkische Republik flohen viele Kurden nach Syrien, um Repressalien zu entgehen.

(3) 2007 erkannte Bashar Asad die Fehler der Volkszählung von 1962 an und unterschied zwischen den ajaneb und maktumin. Er sagte, dass die Einbürgerung der ajaneb nur vorstellbar wäre, wenn der Status der maktumin geklärt sei. Die Einbürgerung beider Gruppen würde die demographische Balance in der Provinz Hasake zu Gunsten der Kurden verändern.

(4) Im März 2004 kam es bei einem Fußballspiel in Qamishli, der bedeutendsten Stadt in den kurdischen Gebieten Syriens, zu einer Schlägerei zwischen Arabern und Kurden. Kurdische Fans schwenkten ihre Nationalflagge und sangen Slogans, die US-Präsident George W. Bush unterstützten, der 2003 den Krieg gegen den Irak begonnen hatte. Die Auseinandersetzungen eskalierten und es kam zu dreitägigen Krawallen in Qamishli. Randalierer brannten das örtliche Büro der Baath-Partei nieder und stürzten eine Statue von Hafez al-Asad um. Die Armee reagierte mit der Entsendung tausender Soldaten nach Qamishli und schlug die Krawalle gewaltsam nieder, wobei mindestens 30 Kurden getötet, 160 verletzt und über 2.000 verhaftet wurden. Vgl. Human Rights Watch: Syria. End Persecution of Kurds, 26. November 2009. [Siehe inamo Nr. 40, Winter 2004, Jahrg. 10: Ahmad Hissou: Die Ereignisse von Qamishli. - Hinweis der Redaktion]

(5) Interview der Crisis Group mit einer der PYD nahestehenden Person am 7. Januar 2012. Umgekehrt schütze diese Haltung die Kurden vor jener Vergeltung, wie sie in anderen Gebieten geübt wurde. Eine der PYD nahestehende Person gab folgende Begründung: "Wir verwenden den Slogan "Stützt das Regime" nicht, denn wenn wir dies täten, dann wird das Töten, das in Horns und Hama passiert, auch in Kurdistan stattfinden. Und anders als in Homs und Hama werden die Muslimbruderschaft [die einen Großteil des SNC stellt] und andere sich nicht darum scheren, was in Kurdistan passiert."

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Inhaltsverzeichnis - inamo Nr. 73, Frühjahr 2013

Gastkommentar:
- Die Westsahara: The worst of the worst... Von Axel Goldau

Ägypten
- Die neue ägyptische Verfassung. Von Anja Schöller-Schletter
- Und täglich ruft die Wahlurne. Von Florian Kohstall
- Ägyptens Wirtschaft: Keine Rettung in Sicht? Von Amr Adly
- Arbeiter, Gewerkschaften und Ägyptens politische Zukunft. Von Joel Beinin
- Shabab al-thaura: Symbolische Macht der ägyptischen Revolutionsjugend. Von Sarah Wessel
- Frauenschwestern und Muslimbrüder: Parallelen. Von Gihan Abou Zaid
- Mursi auf Reisen: Alte Seilschaften, neue Netzwerke. Von Thomas Demmelhuber
- Scharf wie ein Skalpell - TV Satiriker Bassem Youssef. Von Martina Sabra

USA
- Beten in der St. Drohnen Kirche. Von Tom Engelhard

Mali
- Schmerzhafles Erwachen - Gespräch mit dem Schriftsteller Boubacar Boris Diop.
Souleymane Ndiaye: Gespräch mit Boubacar Boris Diop

Palästina/Israel
- Palästinenser in Jordanien und die Aberkennung der Staatsbürgerschaft. Hazem Jamjoum im Gespräch mit Anis F. Kassim
- Die Vertreibung der Palästinenser aus Kuwait. Eine Bilanz. Von Toufic Haddad - Das Palästinenserviertel Yarmuk mitten im syrischen Krieg. Von Moutawali Abu Nasser

Jordanien
- Jordanisches Demokratietheater: Die Wahl zum 17. Parlament. Von Malika Bouziane
- Die Wahlen in Jordanien: ein weiterer Schritt rückwärts. Von Hisham al-Bustani

Syrien/Kurdistan
- Kurden in Syrien - der andere syrische Aufstand. Von International Crisis Group

Sudan/Südsudan
- Walzer mit Bashir und Kiir. Von Roman Deckert und Tobias Simon

Wirtschaftskommentar
- Rassismus bei der Weltbank. Von Phyllis Muhammad

Zeitensprung
- Die deutschen Behörden und der Mord an Saleh Ben Youssef. Von Tobias Mörike

Kritik & Meinung
- Werner Rufzu Aissa Halidou, Heft 72

ex mediis
- D. Götting: "Etzel" / G. Hankel: Das Tötungsverbot im Krieg / S. El Feki: Sex und die Zitadelle / H. Albrecht, T. Demmelhuber (Hrsg): Revolution und Regimewandel in Ägypten / Judith Butler: Parting ways. Von Malcolm Sylvers, Norman Paech, Jörg Tiedjen, Nadine Kreitmeyer, Nils Fischer

Nachruf
- Akiva Orr (1931-2013). Von Lutz Fiedler

Nachrichten//Ticker

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Quelle:
INAMO Nr. 73, Jahrgang 19, Frühjahr 2013, Seite 61 - 66
Berichte & Analysen zu Politik und Gesellschaft des Nahen und
Mittleren Ostens
Herausgeber: Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten e.V.
Redaktion: INAMO, Postfach 310727, 10637 Berlin
Telefon: 030/864 218 45
E-Mail: redaktion@inamo.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. September 2013