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NAHOST/473: Spanische Justiz ermittelt gegen ehemalige Militärführung in Israel (PCHR)


The Palestinian Centre for Human Rights (PCHR) / Das Palästinensische Zentrum für Menschenrechte

Pressemitteilung vom 29. Januar 2009 - 19:30 GMT

Das Palästinensische Zentrum für Menschenrechte begrüßt den Beschluß des spanischen Gerichtshofs,
Ermittlungen in Zusammenhang mit Kriegsverbrechen einzuleiten, die von der IOF in Gaza verübt wurden


Das Palästinensische Zentrum für Menschenrechte (PCHR) begrüßt den Beschluß des Nationalen Gerichtshofs in Spanien, Ermittlungen gegen sieben ehemalige militärische Führungspersönlichkeiten in Israel einzuleiten, die unter dem Verdacht stehen, Kriegsverbrechen im Gazastreifen begangen zu haben.

In seinem Beschluß von Donnerstag, dem 29. Januar 2009, fordert der spanische Nationale Gerichtshof, das höchste spanische Gericht, die sieben Verdächtigen - den ehemaligen Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer (zur Zeit israelischer Infrastrukturminister), seinen [früheren] militärischen Berater Michael Herzog, den ehemaligen israelischen Generalstabschef Mosche Ja'alon, Dan Halutz, den ehemaligen Kommandeur der israelischen Luftwaffe, Abraham Dichter, den ehemaligen Leiter des israelischen Nachrichtendienstes, Doron Almog, den früheren Leiter des israelischen Kommandos Süd, und Giora Eiland, den früheren Direktor des Nationalen Israelischen Sicherheitsrates - auf, innerhalb von 30 Tagen vor dem Gericht in Spanien zu erscheinen. Sollten die Verdächtigen dieser Aufforderung nicht nachkommen, wird das Gericht internationale Haftbefehle erlassen.

Zusätzlich zu dieser wegweisenden Entscheidung kündigte der Nationale Spanische Gerichtshof an, daß die Anklage auf Genozid erweitert werden könnte, sollte die Absicht, die palästinensische Bevölkerung zu vernichten, nachgewiesen werden können.

Das PCHR begrüßt diese Entscheidung als einen ersten Schritt zur Gerechtigkeit für die Überlebenden einer extremen, außergerichtlichen Hinrichtungsaktion, die von der israelischen Besatzungsarmee (IOF) im Juli 2002 im Gazastreifen verübt wurde.

Am 22. Juli 2002, etwa um Mitternacht, warf ein israelischer Kampfjet eine 2.000-Pfund-Bombe auf das Haus von Salah Schehada, des Kommandanten der Izzedin el Kassam-Brigaden (des bewaffneten Arms der Hamas), der im Daraj-Viertel von Gaza-Stadt wohnte. Die Bombe tötete Salah Schehada und siebzehn Zivilisten, darunter seine Frau, seine Tochter, seinen Leibwächter, acht Kinder (unter ihnen ein zwei Monate alter Säugling), zwei alte Männer und zwei Frauen. Darüber hinaus wurden 77 Zivilpersonen verletzt und elf Häuser vollkommen zerstört.

Das PCHR hat sich im Juni 2008 zu dieser wegweisenden Klage vor dem Nationalen Gerichtshof Spaniens entschlossen, nachdem langwierige Konsultationen mit internationalen Rechtsexperten die Möglichkeit aufgezeigt hatten, internationale Verfahren in Zusammenhang mit den Kriegsverbrechen, die von der IOF begangen wurden, in die Wege zu leiten. Das Zentrum weist darauf hin, daß ähnliche Fälle mutmaßlicher Kriegsverbrechen bereits vor israelische Gerichte gebracht wurden, ohne daß eine zielführende Strafverfolgung zustandekam. Die israelische Justiz wurde, ganz im Gegenteil, als legaler Deckmantel für Kriegsverbrechen gegen die palästinensische Bevölkerung benutzt und diente zugleich als Werkzeug zur Behinderung der internationalen Rechtsprechung, indem man vorgab, in Israel herrsche ein "faires" nationales Rechtssystem.

Diese Klage des PCHR ist Teil der kontinuierlichen und nachdrücklichen Bemühungen des Zentrums, israelische Kriminelle mit Hilfe der internationalen Rechtsprechung vor Gerichten in der Schweiz, in Neuseeland, Britannien und Spanien zu verfolgen. Die spanischen Partner des PCHR bei dieser Klage sind Antonio Segura, Gonzalo Boye, Juan Moreno und Raul Maillo, die bereits an einer Reihe sehr bekannter Menschenrechtsfälle gearbeitet haben. Dazu zählen die Vertretung von Folteropfern in Guatemala und die Bemühungen, General Augusto Pinochet wegen des Mordes an spanischen Bürgern unter seiner Präsidentschaft in Chile strafrechtlich zu verfolgen.

Das Palästinensische Zentrum für Menschenrechte hat schon einmal im Vereinigten Königreich ein Verfahren gegen den ehemaligen Leiter des Kommandos Süd der israelischen Armee, Doron Almog, wegen schwerwiegender Verstöße gegen die Vierte Genfer Konvention während seines Militärdienstes (was in England nach den Genfer Konventionen von 1949 als Straftat angesehen wird) angestrengt. Almog kam am 10. September 2005, nachdem ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden war, im Vereinigten Königreich an. Bevor er ausstieg, wurde Almog jedoch über diesen Haftbefehl in Kenntnis gesetzt und floh daraufhin mit dem gleichen Flugzeug zurück nach Israel.


(1) Das Palästinensische Zentrum für Menschenrechte (The Palestinian Centre for Human Rights, PCHR) ist eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Gaza-Stadt. Das Zentrum hat speziellen beratenden Status beim Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) der UNO und ist Mitglied der Internationalen Juristenkommission (International Commission of Jurists, ICJ), der Internationalen Vereinigung der Ligen für Menschenrechte (Fédération Internationale des Ligues des Droits de l'Homme, FIDH) und des Europa-Mittelmeer-Netzwerks für Menschenrechte (Euro-Mediterranean Human Rights Network, EMHRN). Im Jahr 1996 erhielt das PCHR den Menschrechtspreis der Französischen Republik.

(2) zu den (englischsprachigen) Pressemitteilungen des PHCR:
http://www.pchrgaza.org/files/PressR/English/2008/gaza.html
http://www.pchrgaza.org/files/PressR/English/2008/press.html

(3) 19:30 GMT (Greenwich Mean Time) = 20:30 MEZ (Mitteleuropäische Zeit)


Übersetzung aus dem Englischen:
Redaktion Schattenblick

Englischer Originaltext:
http://www.pchrgaza.org/files/PressR/English/2008/22-2009.html


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Quelle:
Pressemitteilung, Nr. 22/2009, vom 29. Januar 2009
Herausgeber:
Das Palästinensische Zentrum für Menschenrechte
The Palestinian Centre for Human Rights (PCHR)
Hauptbüro in Gaza-Stadt, 29 Omar El Mukhtar Street,
(in der Nähe des Amal Hotels), PO Box 1328
Tel.: (972) 8 2824-776, Fax: (972) 82825-893
E-Mail: pchr@pchrgaza.org
Internet: www.pchrgaza.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2009