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NAHOST/740: Gespräche plattgewalzt - Israels Siedlungspolitik zerstört Existenzen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Dezember 2010

Nahost: Gespräche plattgewalzt - Israels Siedlungspolitik zerstört Existenzen

Von Mel Frykberg


Issaweya, Ostjerusalem, 20. Dezember (IPS) - Die festgefahrenen Gespräche über den fortgesetzten israelischen Siedlungsbau in Westjordanland und Ostjerusalem haben für viele Palästinenser einen zunehmend hohen Preis. Muhammad Robin Alyyan und seine beiden Brüdern etwa, die in mühevoller Arbeit im Ostjerusalemer Bezirk Issaweya eine Druckerei aufgebaut hatten, stehen inzwischen vor dem Nichts.

Die Alyyans sind drei von vielen Palästinensern, deren Geschäfte und Wohnhäuser im letzten Monat von den Sicherheitskräften im besetzten Ostjerusalem niedergewalzt wurden. Als Begründung hieß es, die Gebäude seien ohne Bauerlaubnis hochgezogen worden. Doch Menschenrechtsgruppen kritisieren, dass es für Palästinenser extrem schwierig ist, in den Besitz dieser Genehmigungen zu kommen. Sie werfen Israel vor, die Ausstellung der Papiere absichtlich zu verzögern, israelischen Siedlern hingegen den Vorzug zu geben.

"In wenigen Stunden verloren wir über 200.000 US-Dollar. Meine Frau ist im siebten Monat schwanger und ich weiß nicht, wie ich sie und das Baby ernähren kann", sagt der 27-jährige Alyyan. "Wo soll ich einen anderen Job herkriegen? In dieser Stadt ist die Arbeitslosigkeit unter Palästinensern hoch."

Die Druckerei wurde niedergerissen und Alyyam nach eigenen Angaben von den Grenzpolizisten in Handschellen gelegt und mit Pfefferspray traktiert. Nach dem Einsatz der Planierraupen kam es in Issaweya zu Aufständen, in deren Verlauf 15 Menschen verletzt wurden und ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten.

Die israelischen Behörden haben in den vergangenen Wochen eine Vielzahl von Menschen obdachlos gemacht. Gleichzeitig wurden Ausschreibungen veröffentlicht, die den Bau neuer Häuser durch israelische Siedler dokumentieren. Zudem drangen israelische Siedler, eskortiert von israelischen Polizisten, in zwei Ostjerusalemer Appartements ein und vertrieben die Eigentümer. Kurz darauf kam es erneut zu gewaltsamen Auseinandersetzungen.

Ein israelisches Gericht warf der Polizei später vor, den Siedlern bei einem widerrechtlichen Akt geholfen zu haben. Beide Appartements hatte 'Lowell Investments' gekauft, ein von rechten Siedlern gegründetes Unternehmen, das auf die Übernahme von Grundstücken und Häusern von Palästinensern in Ostjerusalem spezialisiert ist.

Während in Ostjerusalem Palästinenser aus ihren Häusern und Geschäften vertrieben wurden, rissen israelische Sicherheitskräfte palästinensische Gebäude im Jordantal, in den südlichen Hebron-Bergen und im nördlichen und zentralen Westjordanland ein.


Umstrittene US-Anreize

US-Vertreter hatten versucht, den jüdischen Staat mit Hilfe militärischer Anreize zu einer Verlängerung des im September ausgelaufenen Siedlungsmoratoriums zu bewegen. Das Angebot enthielt unter anderem 20 F-35-Kampfjets, ein Darlehen über 205 Millionen US-Dollar für den Kauf eines Raketenabwehrsystems und die Aufrüstung eines gemeinsamen Trainingsprogramms zum Schutz vor Raketen.

Ebenso machte das Weiße Haus den Vorschlag, im UN-Sicherheit gegen jede Israel-kritische Resolution sein Veto einzulegen und Versuchen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) gegenzusteuern, den Wunsch nach einem eigenen Staat vor die Vereinten Nationen zu bringen. Israel wies das umstrittene US-Angebot jedoch zurück.

Den US-Botschafter in Israel und Nahost-Veteranen Dan Kurtzer veranlasste der US-amerikanische Vorstoß zu dem Kommentar gegenüber der 'Washington Post, dass Washington Israel offenbar für schlechtes Verhalten belohnen wolle. Den ganzen Deal nannte er "eine schlechte Idee".

Die jüngsten Entwicklungen haben die ohnehin schwierige Verhandlungssituation der PA weiter ausgehöhlt. Hinzu kommt, dass auch die Macht der Behörde schwindet und nur durch eine massive ausländische Hilfe und eine allgegenwärtige Sicherheitspräsenz aufrechterhalten wird, die jede Kritik und politische Opposition kritisch beäugt.

Dem palästinensischen Ministerpräsidenten Salaam Fayyad schwebt vor, bis 2011 einen Palästinenserstaat einzurichten. "Der Plan ist bereits seit zwei Jahren in Arbeit und beinhaltet den Aufbau staatlicher Institutionen mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft", meint dazu Samir Awad, Wissenschaftler an der 'Birzeit Universitiy' nahe Ramallah. Verhandlungen führen seiner Meinung nach nirgendwohin. "Die PA muss im Interesse eines eigenen unabhängigen Palästinenserstaates Wege beschreiten, die sowohl die UN- als auch andere Optionen beinhalten. (Ende/IPS/kb/2010)


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IPS-Tagesdienst vom 20. Dezember 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2010