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NAHOST/802: Ägypten - Aussicht auf Wiederaufnahme der Beziehungen zu Iran (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. April 2011

Ägypten: Aussicht auf Wiederaufnahme der Beziehungen zu Iran

Von Bernhard Schell


Kairo, 6. April (IPS/IDN*) - Der durch einen Volksaufstand erzwungene Rücktritt des ägyptischen Staatspräsidenten Hosni Mubarak könnte einen bedeutsamen diplomatischen Mehrwert haben: die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zum Iran.

Eine solche Wende nach 30 Jahren Eiszeit hält der Nachrichtenkanal 'Al Arabija' mit Sitz in Dubai für möglich. "Auch wenn die Natur der Beziehungen zu den USA und Israel die Agenda der Post-Mubarak-Ära beherrschen, scheinen die Verbindungen zum Iran in jüngster Zeit dringlicher geworden zu sein", so der Sender.

Iran hatte seine Beziehungen zu Ägypten 1978 gekappt, als Mubaraks Amtsvorgänger Anwar Al Sadat den Friedensvertrag von Camp David mit Israel unterzeichnete und den abgesetzten iranischen Schah Mohammad Resa Pahlawi Asyl gewährte. Sadat, ein enger Vertrauter des angesehenen Präsidenten Gamal Abdel Nasser, dem er 1970 ins Amt folgte, fiel im Oktober 1981 einem Attentat zum Opfer.

"Ägypten war zur Wiederaufnahme der politischen Beziehungen bereit, als der reformbereite Präsident Mohamed Chatami von 1997 bis 2005 (im Iran) im Amt war. Die Situation kehrte sich mit der Machtübernahme von Hardliner Mahmud Ahmadinedschad 2005 vollständig um", sagte Mohamed Obaid von Al Arabija. Die Aussicht auf eine Verbesserung der Beziehungen wurde vollständig zunichte gemacht.

Beide Länder beschuldigten sich gegenseitig der Spionage und Infiltration. Ägypten warf dem Iran zudem vor, Waffen in den von der radikal-islamischen Hamas kontrollierten Gazastreifen zu schmuggeln und dadurch die nationale Sicherheit Ägyptens zu gefährden.


Vorsichtige Annäherung 2006

Erste Anzeichen für ein Ende der Eiszeit stellten sich im Juni 2006 ein, als Ali Laridschani, Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, Kairo im Rahmen einer Reise durch die Region besuchte. Laridschani war der höchstrangige iranische Regierungsvertreter, der Ägypten in den letzten 27 Jahren besuchte.

"Hier zu sein, dient als Beweis für den Respekt für die ägyptische Rolle, und dieser Respekt ist gegenseitig", wurde Laridschani in den ägyptischen Medien zitiert. "Wir hoffen, dass die Angelegenheiten (die eingefrorenen Beziehungen) in angemessener Zeit bereinigt werden." Laridschani war auch Chefunterhändler seines Landes bei den Gesprächen über Teherans umstrittenes Atomprogramm.

Jahre später brachten Äußerungen von Ajatollah Chamenei, dem höchsten iranischen Führer, zum Volksaufstand vom 25. Januar die Ägypter in Rage. Chameini bezeichnete den Aufstand als Ableger von Irans Islamischer Revolution und prognostizierte dem Land eine islamisch Renaissance.

Die Äußerungen kamen bei der ägyptischen Pro-Demokratie-Bewegung schlecht an, ging es ihr mit ihrem Aufstand weniger um religiöse Fragen, sondern um soziale Gerechtigkeit und ein Ende der Korruption. Die Ägypter warfen dem Iran vor, sich in die inneren Angelegenheiten ihres Landes einzumischen. Vergessen waren die Spannungen jedoch, als der ehemalige Staatspräsident Mohamed Chatami in einer Rede erklärte, dass Ägypten dem Iran schon immer eine Inspiration gewesen sei.


Suez-Kanal-Durchfahrtsgenehmigung für iranische Kriegsschiffe

Die Tageszeitung 'Egyptian Gazette' berichtete am 4. April, dass die von der Armee geführte ägyptische Interimsregierung zwei iranischen Kriegsschiffen erstmals seit der Islamischen Revolution von 1979 und trotz starker Einwände Israels die Durchfahrt durch den Suez-Kanal erlaubt habe.

In diesem Zusammenhang kommt auch der Äußerung des frisch ernannten ägyptischen Außenministers Nabil Al-Arabi eine besondere Bedeutung zu, wonach Kairo bereit ist, die bilateralen Beziehungen mit dem Iran zu fördern. Al-Arabi erklärte bei einem Treffen mit dem Leiter des iranischen Interessenbüros in Kairo, Modschtaba Amani am 4. April: "Das ägyptische und das iranische Volk verdienen gegenseitige Beziehungen, die ihre Geschichte und Zivilisation widerspiegeln."

Ägypten sei allen Ländern gegenüber offen eingestellt. Gemeinsame Interessen seien das Ziel, hielt Al-Arabi fest und fügte hinzu, dass er daran interessiert sei, ein neues Kapitel in den Beziehungen zum Iran aufzuschlagen.

Einem Bericht der ägyptischen Tageszeitung 'Al-Ahram' zufolge hat Amani eine Einladung des iranischen Außenministers Ali Akbar Salehi an seinen ägyptischen Amtskollegen nach Teheran überreicht. Zuvor hatte der iranische Außenminister einen Vorschlag Al-Arabis begrüßt, die bilateralen Beziehungen wieder aufzunehmen.


Regionale Stabilität durch gute Beziehungen

"Es hat in der Geschichte (des 20. Jahrhunderts) beider Länder viele Höhen und Tiefen gegeben, und wir hoffen, dass wir unter den neuen Bedingungen den Ausbau der Beziehungen zwischen den beiden großen Nationen bezeugen werden", erklärte der Minister im März gegenüber der iranischen Farsischen Nachrichtenagentur. Salehi erklärte ferner, er habe nicht den geringsten Zweifel daran, dass gute Beziehungen zu Stabilität, Sicherheit und Entwicklung in der der gesamten Region beitragen werde.

Ähnlich äußerte sich auch der Leiter des iranischen Parlamentsausschusses für nationale Sicherheit und auswärtige Politik, Alaeddin Borudscherdi. Eine Wiederherstellung der Beziehungen zu Ägypten sei für die iranische Diplomatie von äußerster Bedeutung, stellte er fest und drängte den ägyptischen Außenminister dazu, die Angelegenheit bis Ende des Jahres ins Reine zu bringen.

Nach Ansicht Borudscheris war Mubarak das Haupthindernis für die Wiederaufnahme der bilateralen diplomatischen Beziehungen. "Jetzt, wo das Regime gefallen ist und angesichts der neuen Entwicklungen in Ägypten ist das Klima für einen solchen Schritt gegeben."

Beobachtern zufolge standen verschiedene Unstimmigkeiten in Fragen des Nahost-Friedensprozesses, der nuklearen Abschreckung und der Sicherheit in der Golfregion einer Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen im Wege. Doch offenbar gebe es Anzeichen dafür, dass beide Seiten bereit sind, die Probleme in rationaler Art und Weise aus der Welt zu schaffen. (Ende/IPS/kb/2011)

* Der von 'Global Cooperation Council' und 'Globalom Media' erstellte Informations- und Analysendienst IDN-InDepthNews ist Partner von IPS-Deutschland.


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IPS-Tagesdienst vom 7. April 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. April 2011