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NAHOST/837: Bahrain - Nachhut statt Vorkämpferinnen, Frauen verpassen ihre politische Chance (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Juli 2011

Bahrain: Nachhut statt Vorkämpferinnen - Frauen verpassen ihre politische Chance

Von Suad Hamada


Manama, 6. Juli (IPS) - Im Golfstaat Bahrain haben enttäuschte Frauenrechtlerinnen Kritik an ihren eigenen Verbänden geübt. Anstatt ihre Chance zu nutzen und sich solidarisch zu ihren Anliegen zu bekennen, hätten sich einzelne Gruppen untereinander Grabenkämpfe geliefert und versucht, die Proteste für ihre eigenen politischen Ziele zu missbrauchen.

Gegenüber IPS bedauerte eine angesehene Menschenrechtsaktivistin, die auf Anonymität bestand: "Wie etliche andere Gruppen haben auch wir zur Wahrung unserer Neutralität fast alle Vorhaben auf Eis gelegt." So verlief auch das Projekt 'Frauen für Bahrain', das bei seinem Start im März große öffentliche Aufmerksamkeit gefunden hatte, schon nach ein paar Wochen im Sand.

"Die Initiative fand ein jähes Ende, als aufgebrachte junge Vertreter verschiedener Parteien ihre Kontroversen im Internet austrugen und Facebook zu ihrem Schlachtfeld machten", berichtete die Aktivistin. "Weil es nicht gelang, sie zu stoppen, haben wir beschlossen, das Projekt zu vertagen."

Als Mitläufer waren Frauen in Bahrain zwar bei allen oppositionellen Demonstrationen und regierungsfreundlichen Aufmärschen dabei, doch kaum eine trat als Rednerin oder Führungspersönlichkeiten auf.


Rückschläge für die Frauenbewegung

Der Autor Saeed Al Hamad erinnerte an das lautstarke Engagement der Frauen, als Bahrain in den 1960er Jahren für die Unabhängigkeit des Landes gegen die britische Herrschaft gekämpft hatte. "Inzwischen treten sie leiser auf, denn ihre Stimmen wurden von anderen Interessenvertretern gekapert", kritisierte er vor einem Seminar des unter staatlicher Kontrolle stehenden 'Supreme Council for Women'. "In den vergangenen 30 Jahren hat die rückständige arabische Welt Frauen zu Gefolgsleuten gemacht und nicht zu Führungspersönlichkeiten."

Die Religionsdozentin Fatima Bosoundel sieht keinen Grund, diese rückwärts gewandte Entwicklung zu bedauern. "Frauen sollten sich vor allem als Hüterin des Heims verstehen und dafür sorgen, dass sich ihre Kinder nicht als Unruhestifter auf den Straßen herumtreiben", meinte sie.

Abdulnabi Al Ekri, Präsident der 'Bahrain Transparency Society' (BTS), schätzt, dass in sämtlichen Parteien die Beteiligung von Frauen an Aktionen während und nach den politischen Unruhen bei allenfalls 25 Prozent lag. "Alle politischen Parteien haben weibliche Mitglieder, doch die Männer an der Spitze sorgen dafür, dass Frauen keine Führungspositionen erhalten", stellt Al Ekri fest.


Frauen sollen in die Offensive gehen

Er forderte Bahrains Frauen auf, ihr Schweigen zu brechen und sich im Rahmen des so genannten Nationalen Dialogs, der Anfang Juli begonnen hat, für eine Stärkung der sozialen und politischen Rolle der Frauen einzusetzen. König Hamad bin Isa Al Chalifa, der die eigene Armee und saudische Panzer gegen die Protestdemonstrationen einsetzte, hat den Nationalen Dialog zur Entschärfung der Krise einberufen und mit rund 300 Teilnehmern, darunter knapp 40 Vertreter der Opposition, besetzt. Einen Monat lang sollen hier Personen aus allen Teilen der Gesellschaft zu Wort kommen.

Zur Vorbereitung dieses Forums hatte Bahrains zivile Frauenunion Ende Juni ihre Anliegen vorgetragen, darunter eine Ergänzung des bislang sunnitisch ausgerichteten Familienrechts um die Rechtsprechung der Schiiten. Die große Mehrheit der Bevölkerung Bahrains besteht aus Schiiten. Das Königshaus und die herrschende Klasse gehören der muslimischen Glaubensrichtung der Sunniten an.

Die Vorsitzende der nichtstaatlichen Organisation, Mariam Al Ruwai, gibt sich zuversichtlich: "Auch wenn solche Anliegen beim Nationalen Dialog kaum vorrangig behandelt werden, geht es dort um notwendige politische Korrekturen und um die Basis für politische Veränderungen. Die Gleichberechtigung der Geschlechter sollte dabei eine entscheidende Rolle spielen", erklärte sie. (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juli 2011