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NAHOST/892: Libanon - Syrische Rebellion befeuert Konflikt zwischen Sunniten und Alawiten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. Februar 2012

Libanon: Religionskrieger - Syrische Rebellion befeuert Konflikt zwischen Sunniten und Alawiten

von Mona Alami


Tripoli, Libanon, 17. Februar (IPS) - Zwischen dem nordwestlibanesischen Tripoli und der syrischen Grenze liegen ganze 200 Kilometer. Doch der Schlachtruf der syrischen Revolution 'Yalla Erhal Ya Bashar' - 'Los Bashar, hau ab' ist auch im Tripoli-Viertel Bab el-Tebbaneh zu hören.

Bab el-Tebbaneh gilt als Hochburg der Sunniten, der ausgewiesenen Gegner des syrischen Regimes. Die Syria Street ist die 'Demarkationslinie', die diesen Stadtteil vom benachbarten Alawitenviertel Jabal Mohsen trennt, das wiederum mit dem syrischen Machthaber sympathisiert. An den löchrigen Hauswänden sind neue Plakate mit seinem Konterfei angebracht, und aus den Autos, die hier durch die winkligen Straßen kurven, dröhnen Ruhmeslieder für Bashar al-Assad. In den Cafes vertreiben sich Gruppen von Männern in militärischem Outfit die Zeit.


Revolution in Syrien schürt libanesischen Konflikt

Der Aufstand in Syrien und die Bombardierung der Rebellenstadt Homs befeuern auch den im Nachbarland Libanon seit Generationen immer wieder ausbrechenden Konflikt zwischen muslimischen Sunniten und Alawiten. Erst am 11. Februar lieferten sich in Tripoli Anhänger und Gegner Assads eine Straßenschlacht, bei der drei Menschen ums Leben kamen. Die libanesische Armee sorgte schließlich für ein Ende der Gefechte.

"Wir leiden mit den Menschen in Homs", sagte Amina Hamoud IPS. Die junge sunnitische Mutter erinnert an das Jahr 1886, als Tripoli unter syrischer Besatzung stand. Die syrische Armee richtete unter den Bewohnern der Stadt ein Blutbad an und tötete mehr als 320 Menschen. Hamoud verlor bei dem Massaker sieben Angehörige. "Ein syrischer Soldat erschoss meinen 17-jähriger Vetter vor den Augen seiner Mutter", berichtete sie.

Der 2005 verübte Mord am damaligen libanesischen Regierungschef Rafic Hariri, einem Sunniten, der Syrien und der mit ihr verbündeten libanesischen schiitischen Hisbollahmiliz angelastet wird, vertiefte die Auseinandersetzung zwischen den verfeindeten religiösen Gruppen. Der Parlamentarier Mohammad Kabbara vom der Parteiengruppe 'Future', die auf Seiten der aufständischen Syrer steht, wirft der Alawitisch-Arabischen Demokratischen Partei vor, das syrische Regime zu unterstützen.

Ali Boubo, der als Mechaniker in Tripolis Stadtteil Jabal Mohsen arbeitet, befürchtet, "dass uns die Salafisten aus Bab el-Tebbaneh in den Konflikt im Libanon hineinziehen wollen." Für die Menschen in seinem Viertel ist der Konflikt mit Bab el-Tebbaneh nicht lokal, sondern regional. "Saad Hariri, der Sohn des ermordeten Regierungschefs, hat Syrien öffentlich zur Aufgabe aufgefordert", kritisierte der Lebensmittelhändler Abu Ahmad. "Er sollte sich schämen und seine Angriffe stattdessen auf unseren Feind Israel richten", erklärte er.


Eingreifpläne von Salafisten

In Jabal Mohsen macht man die radikal-islamischen Salafisten und die sunnitische 'Zukunftsbewegung' für die neue Welle der Gewalt verantwortlich. In Tripoli hat sich Libanons größte Salafistengemeinde angesiedelt. Der Salafist Sheikh Nabil Rahim weist die Vorwürfe zurück. "Wir wollen auf keinen Fall in den Konflikt verwickelt werden", versicherte er. Von anderen Salafisten erfuhr IPS allerdings über Pläne, sich den syrischen Aufständischen anzuschließen, sollte der Konflikt fortgesetzt werden.

Inzwischen haben Politiker ihre Forderungen an Ministerpräsident Najib Mikari wiederholt, in Tripoli für die Entwaffnung der Kämpfer zu sorgen. "Die Armee sollte eingreifen und die Bürger in allen Stadtvierteln vor Gewalt schützen", sagte der Abgeordnete Kabbara.

Dass dies geschieht, mögen Bewohner von Bab e-Tebbaneh wie Jihad el-Rahi nicht glauben, Dazu meinte die dreifache Mutter Jihad el-Rahi: "Politiker und Gangster profitieren von diesem Konflikt. Sie versprechen, die Lage in Tripoli werde sich beruhigen, sobald Syrien gefallen ist. Doch sollen wir uns etwa bis dahin weiterhin gegenseitig abschlachten?" (Ende/IPS/mp/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2012