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NAHOST/893: Ägypten - Internationale Helfer zu Sündenböcken, 40.000 NGOs gefährdet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Februar 2012

Ägypten: Internationale Helfer zu Sündenböcken - 40.000 NGOs gefährdet

von Cam McGrath


Kairo, 23. Februar (IPS) - Für die Razzien bei etlichen ausländischen Organisationen, mit denen die ägyptische Militärregierung kürzlich für Schlagzeilen sorgte, gibt es nach Ansicht des prominenten Menschenrechtsaktivisten Negad El-Borai nur eine Erklärung. "Um vom eigenen Versagen abzulenken, machen die regierenden Generäle die Zivilgesellschaft zum Sündenbock."

"Der Konflikt betrifft alle Nichtregierungsorganisationen (NGOs) in Ägypten, die von ausländischen Gebern finanziert werden", meinte der Direktor einer in Kairo ansässigen gemeinnützigen Organisation. "Ohne eine baldige Lösung werden Hunderte, wenn nicht gar Tausende NGOs ihre Arbeit einstellen müssen", warnte er.

Zu Beginn der Revolution vor einem Jahr hatten fast 30.000 NGOs in Ägypten gearbeitet. Weitere zivile Gruppen, deren Zahl auf 10.000 geschätzt wird, sind inzwischen hinzugekommen. "Einige konnten sich noch registrieren, doch den meisten, die sich um Demokratiebildung und Menschenrechte kümmern, begegnet die Militärregierung mit tiefem Misstrauen", stellte der Direktor einer Entwicklungsorganisation fest, der anonym bleiben wollte.

"Das für die Registrierung zuständige Ministerium für soziale Solidarität ist offenbar paralysiert", sagte er. "Deshalb haben die meisten neuen Gruppen ihre Arbeit ohne Genehmigung aufgenommen."

Die Militärregierung in Kairo begründete ihre Aktion, die für viele der etwa 40.000 zivilen Nichtregierungsorganisationen im Land schlimmstenfalls das Aus bedeuten kann, damit, dass vom Ausland finanzierte NGOs darauf abzielten, Ägypten nach dem Sturz Mubaraks zu destabilisieren und die Revolution für eigene Interessen zu nutzen.

"Rund 20 Prozent der in Ägypten arbeitenden NGOs erhalten ausländische Finanzhilfe, entweder auf direktem Weg oder über einen Geber. Auch andere Organisationen können als Vermittler auftreten und das Geld an Basisgruppen verteilen", berichtete der Leiter der Entwicklungsorganisation.


Lokale Mittel knapp

Ägyptens Zivilgesellschaft ist auf ausländische Unterstützung angewiesen, denn die heimischen Ressourcen sind knapp. Zwar spenden Einzelpersonen und Unternehmen bereitwillig für einen guten Zweck. Doch einheimische Geber sind knapp bei Kasse und halten sich gegenüber Gruppen zurück, die sich für kontroverse Anliegen wie Familienplanung und Drogenberatung engagieren.

Aktivisten verweisen darauf, dass die Hexenjagd der Regierung auf gemeinnützige Gruppen, die vom Ausland finanziert werden, dazu geführt hat, dass Ägypter die Arbeit ziviler Gruppen jetzt mit anderen Augen sähen.

Wie sie berichten, sind sie in manchen Vierteln nicht mehr willkommen, auch wenn sie dort bislang Arme unterstützt hatten. Es wird berichtet, manche zivile Helfer seien von einem aufgebrachten Mob als ausländische Agenten beschimpft und verjagt worden. (Ende/IPS/mp/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2012