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NAHOST/979: Iran - Zunehmende Uneinigkeit über Sanktionen, Koalition gegen Atompläne wird brüchig (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. April 2013

Iran: Zunehmende Uneinigkeit über Sanktionen - Koalition gegen Atompläne wird brüchig

von Jim Lobe



Washington, 3. April (IPS) - Kurz vor der zweiten Runde der Gespräche mit dem Iran über eine Begrenzung seines Atomprogramms im kasachischen Almaty hat der ehemalige EU-Außen- und Sicherheitsbeauftragte Javier Solana vor der Gefahr eines Auseinanderdriftens der Gruppe der P5+1 - USA, Großbritannien, Frankreich, China und Russland plus Deutschland - gewarnt. "Wenn wir uns nicht einig sind, wird es schwieriger werden, das Problem zu lösen", sagte er auf einem Forum der 'Brookings Institution' in Washington.

Dem früheren NATO-Generalsekretär zufolge werden sich vor allem Russland und China gegen weitere Sanktionen oder sonstigen Druck gegen Teheran stellen, auch wenn die am 5. und 6. April geplanten Gespräche in Almaty keine Ergebnisse erzielen sollten. "Ich denke, dass die Konstanz und der Zusammenhalt der P5+1 abnehmen", sagte Solana und nannte als Grund die Bedeutung, die Syrien für den Iran spiele.

Der EU-Außen- und Sicherheitsexperte vertrat die Ansicht, dass eine Einigung über das iranische Atomprogramm ohne die Behandlung der Syrienfrage ausbleiben wird, da Syrien dem Iran sehr wichtig sei. Er wies ferner darauf hin, dass auf dem jüngsten Gipfel der BRICS-Staaten in Südafrika die Vertreter Brasiliens, Russlands, Indiens, Chinas und des Gastgeberlandes gemeinsam ihre wachsende Sorge über die Folgen von Militäraktionen und unilateralen Sanktionen gegen den Iran zum Ausdruck gebracht und auf eine politisch-diplomatische Lösung der Unstimmigkeiten mit Teheran gedrängt hätten.


Schwellenländer kritisieren Druck des Westens

Die Schwellenländer sind Solana zufolge immer unzufriedener über den Druck des Westens, die Importe von Erdöl und Erdgas aus dem Iran zu begrenzen, insbesondere in Anbetracht jüngster Schätzungen, die im nächsten Jahr einen sprunghaften Anstieg der Energiepreise vorhersehen, sollten iranische Lieferungen ausbleiben. "Das will weder China noch sonst irgendjemand", meinte Solana. Peking könnte sogar dazu gezwungen sein, die Einfuhren aus dem Iran zu steigern, um sein hohes Wirtschaftswachstum aufrecht zu erhalten.

Unterdessen mehren sich Spekulationen über mögliche Fortschritte bei den Verhandlungen in Almaty, die zwei Wochen nach Fachgesprächen zwischen den P5+1 und dem Iran in Istanbul stattfinden. Nach Ansicht von Laura Rozen vom Online-Nahostmagazin 'Al-Monitor' wird die iranische Delegation möglicherweise einwilligen, die 20-prozentige Anreicherung von Uran für sechs Monate auszusetzen und die Lagerbestände in Uranoxid für medizinische Zwecke umzuwandeln, falls der Westen als vertrauensbildende Maßnahme seine Sanktionen lockert.

In Istanbul hatten sich die sechs Mächte damit einverstanden erklärt, die Sanktionen zu lockern, indem sie vor allem der Türkei und anderen Staaten, die seit jeher iranisches Öl und Gas importieren, gestatten würden, in Gold zu zahlen. Voraussetzung wäre, dass Teheran die 20-prozentige Urananreicherung in der unterirdischen Anlage Fordo aufgeben, seine um 20 Prozent angereicherten Uran-Vorräte außer Landes bringen und intensivere Kontrollen durch die Internationale Atomenergiebehörde IAEA zulassen würde. Rozen zufolge, die sich gut informierte Kreise beruft, hat der Iran jedoch zahlreiche Einwände gegen den Vorschlag.

Gary Samore, in der ersten Amtszeit von Barack Obama höchster Berater des US-Präsidenten in Nuklearfragen, spricht von einem guten Angebot an Teheran, sollte dem Land daran gelegen sein, einen Aufschub für weitere Wirtschaftssanktionen zu erreichen. Washington und die drei europäischen Länder würden die Sanktionen sicherlich durchsetzen, wenn es zu keiner Übergangsregelung komme.

Samore zweifelt allerdings daran, dass es in Almaty zu einer Übereinkunft kommen werde. "Ich habe keine hohen Erwartungen, was die Ergebnisse der nächsten Gesprächsrunde anbelangt", erklärte er. "Wenn eine neue Verhandlungsrunde vereinbart wird, geht der Prozess weiter. Die Erwartung, dass es jetzt zu einer Art Durchbruch kommt, halte ich aber für unrealistisch."


Diplomatie aus Eigennutz

Wie der Experte erläuterte, verfolgen sowohl Teheran als auch die P5+1 mit dem diplomatischen Tauziehen eigene Interessen. Den Iranern sei daran gelegen zu zeigen, dass es Fortschritte gebe und Sanktionen daher nicht gerechtfertigt seien. Die P5+1 nutzten die Verhandlungen, um den Iran als unnachgiebig darzustellen und weitere Strafmaßnahmen zu fordern.

Laut Samore, der zurzeit an der 'Kennedy School of Government' der Harvard Universität tätig ist, werden die westlichen Staaten zusätzliche Sanktionen erwägen, wenn die nächste Gesprächsrunde ohne Resultate verläuft. Er hält es daher nicht für ausgeschlossen, dass der Iran nach den Präsidentschaftswahlen im Juni entscheiden könnte, den vorgeschlagenen kleinen Deal zu akzeptieren.

Samore zufolge will der iranische Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei einen US-Militärangriff vermeiden. Gleichzeitig jedoch strebe er nach Atomwaffen, weil er die Nuklearfrage als Teil eines weit umfassenderen Kampfes gegen die USA betrachte, die seiner Ansicht nach die islamische Republik zu zerstören trachteten. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.brookings.edu/
http://www.hks.harvard.edu/
http://www.ipsnews.net/2013/04/p51-coalition-fraying-on-eve-of-second-almaty-talks-with-iran/

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IPS-Tagesdienst vom 3. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2013