Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

OSTEUROPA/313: In Litauen wurde die Existenz von CIA-Gefängnissen aufgedeckt (Falkenhagen/Queck)


In Litauen wurde die Existenz von CIA-Gefängnissen aufgedeckt

Von Hans-Jürgen Falkenhagen und Brigitte Queck, 27. Dezember 2009


Eine zur Untersuchung von CIA-Gefängnissen eingesetzte Kommission des litauischen Parlaments (der Seimas) geht davon aus, dass diese Gefängnisse mit Wissen des litauischen Geheimdienstes DBP bestanden haben. Fakt ist, dass in Litauen vorher erst die Bedingungen für das Bestehen derartiger Gefängnisse aus den Jahren 2004-2005 geschaffen worden sind. Der DBP war damals zeitweilig Staat im Staate. Damit müsse "jetzt Schluss gemacht" werden, erklärte der Vorsitzende der Kommission für Auswärtige Angelegenheiten des Seimas, Audronius Azubalis. Eingeweiht gewesen sein muss auch der damalige litauische Präsident Adamkus, erklärte der Kommentator der litauischen Wochenzeitung "Veidas", Audrius Baeiulis, (s. Gazeta wyborcza, Warschau vom 23.12.2009).

Jetzt hat dazu der ehemalige litauische Präsident Rolandas Paksas eine sensationelle Enthüllung gemacht. Paksas ist derzeit Europaabgeordneter. Zum litauischen Präsidenten war er im Januar 2003 im Ergebnis einer Stichwahl gegen den Vorgänger-Präsidenten Adamkus gewählt worden. "Aus meiner Amtstätigkeit als Präsident damals weiß ich, dass es den Wunsch gab, des Terrorismus beschuldigte Personen nach Litauen zu verbringen", erklärte Paksas. Nach seinen Worten hat sich im Frühjahr 2003 der damalige Vorsitzende des "Departements für Staatssicherheit" von Litauen, Mecys Laurinkus, an ihn mit der Frage gewandt, ob es möglich ist, inoffiziell Personen nach Litauen zu verbringen, die seitens der USA als Anhänger des Terrorismus verdächtigt werden. Dabei gab Laurinkus zu verstehen, dass ein positiver Bescheid den ausländischen Partnern helfen würde. Litauische Politiker klopften damals aktiv an die Tore der NATO, viele Politiker in Vilnius erklärten, dass Litauen NATO-Mitglied werden wolle und sie nahmen an, dass es für die Beschleunigung dieses Prozesses notwendig sei, an die Adresse des Landes, das die erste Geige spielte, nämlich die USA, irgendeine "freundschaftliche Geste zu senden". Ungeachtet dessen habe Paksas nach seinen eigenen Aussagen den Vorschlag des Geheimdienstchefs abgelehnt. Nach einem halben Jahr brach der größte politische Skandal in der litauischen Geschichte aus, der zur Amtsenthebung von Paksas führte. Im Herbst 2003 hat nämlich Mecys Laurinkus vor seiner "Ehrenverbannung" auf den Botschafterposten in Madrid an die örtlichen Medien ein Kompromat über Roland Paksas geschickt. Er beschuldigte darin Paksas , enge Beziehungen zum russischen Unternehmer Jurij Borisovij zu unterhalten. Paksas habe ihm illegal die litauische Staatsbürgerschaft als Gegenleistung für die Finanzierung seines Wahlkampfes verschafft.

Im April 2004, als Litauen den Beitritt zur NATO feierte, stimmte das Parlament über ein Impeachmentverfahren gegen Präsident Paksas ab. Paksas wurde zum Verzicht auf sein Präsidentenamt gezwungen. Und nur kurze Zeit später wurde 20 Kilometer von Vilnius entfernt, in dem Ort Antavilia, das geheime Gefängnis des CIA eröffnet. "Ich denke , meine prinzipielle Antwort, dass dieses Geheimgefängnis der CIA nicht eingerichtet werden soll, hängt direkt mit meinem Sturz als Präsident zusammen", erklärte Paksas bei seiner kürzlichen Anhörung im litauischen Parlament. So stellte es u.a. auch die Zeitung "Russkij Berlin" im Teil Odna Schestaja, Nr. 51/2009 dar. Der dort veröffentlichte Beitrag wurde von Wladimir Wodo und Alexander Reutow der russischen Zeitung "Kommersant" verfasst.

Experten meinen, dass das Impeachmentverfahren gegen Präsident Paksas für die USA von großem Nutzen war. Erstens hielten viele Herrn Paksas für einen pro-russischen Politiker. Zweitens hatten die amerikanischen Geheimdienste Ende 2003 ihr Geheimgefängnis im benachbarten Polen aufgeben müssen. In Polen hatte sich nämlich nach Bekanntwerden desselben ein großer Skandal entwickelt und die CIA war aus diesem Grunde auf der Suche nach einem analogen Stützpunkt in Europa gewesen. In Litauen stand dem nur der widerspenstige Präsident Paksas im Wege. Mit seinem Abgang war das Hindernis beseitigt. Die neu "gebackenen" NATO-Mitglieder, wie Litauen, waren den USA für die Hilfe beim Beitritt in diese Organisation so erkenntlich, dass sie allem zustimmten, was die Amerikaner wünschten, sagte der ehemalige Chefberater für Terrorismusbekämpfung von Präsident George W. Bush, General Richard Clarke, gegenüber dem Fernsehkanal ABC aus. "Wir wussten ganz genau, dass in Antavilia die CIA tätig war", erklärte Domas Grigaliunas, ein ehemaliger Offizier des litauischen Geheimdienstes gegenüber der "Washington Post".

Eine entscheidende Rolle dabei spielte, dass der Americano-Litauer Adamkus im Juni 2004 erneut zum Präsidenten Litauens gewählt wurde. Der 1926 in Kaunas (Litauen) als Sohn eines hohen Beamten geborene Valdas Adamkus war im Juli 1944 mit seinen Eltern vor der heranrückenden Roten Armee nach Deutschland geflohen. Als ein bereits in seinem Lande ausgebildeter Soldat ist er nach einem kurzen Zusatzlehrgang bei den Nazis nach Litauen zurückgekehrt. Adamkus hat in einer aus Litauern bestehenden Einheit im Oktober 1944 bei der Ortschaft Seda (während der Baltischen Operation) gegen die Rote Armee gekämpft. Adamkus floh, nachdem er vorher von den Nazis noch "hoch dekoriert" worden war, nach der Niederlage der deutschen Armeen im Baltikum, erneut nach Deutschland und soll 1945 noch eine weitere militärische Ausbildung bei der deutschen Wehrmacht durchlaufen haben. Es wurde von mehreren Zeugen glaubhaft versichert, dass er dann unter einem höherem Dienstgrad bei der SS gedient hat. Nähere Tätigkeiten in diesem Zusammenhang sind unbekannt. Nach dem Kriege hat Adamkus am Litauischen Gymnasium in Kloster Rebdorf bei Eichstätt sein Abitur abgelegt und an der Ludwig Maximilians-Universität in München studiert. Danach ist er 1949 in die USA ausgewandert. Adamkus fand eine Anstellung beim militärischen Geheimdienst und leitete litauische Untergrundorganisationen an. 1960 erhielt er ein Ingenieurdiplom am Illinois Institute of Technology. Er machte Karriere bei der amerikanischen Umweltbehörde EPA und engagierte sich außerdem weiter für die litauische Unabhängigkeitsbewegung. 1997 kehrte er als Pensionär nach Litauen zurück, um sich 1998 zum ersten Mal zum litauischen Präsidenten wählen zu lassen. Er war dann der litauische Präsident, der 2004 in die Errichtung von mindestens einem CIA-Gefängnis in Litauen eingewilligt hatte. Vorher aber wurde Litauen als "Dank für seine Bemühungen" der NATO-Beitritt bewilligt.

Das CIA-Gefängnis in Antavilia hat sich in einer nach außen elegant aussehenden Villa mit unterirdischen Zellen und abhörbarem Saal befunden. Dort ist nach vorliegenden Angaben auch gefoltert worden. Die jetzige litauische Präsidentin Dalia Grybauskaité und die litauische Regierung beklagen sich gegenwärtig nicht etwa, dass es in Litauen ein Foltergefängnis gegeben hat, sie jammern darüber, dass man seinerzeit "die Regierung darüber nicht informiert hatte". Premierminister Andrius Kubilius erklärte, dass er tief davon betroffen sei, dass "jemand in Litauen Gefängnisse unterhalten konnte, von denen die Regierung nichts gewusst" hätte. Eine Konsequenz in diesem Zusammenhang war die Abberufung des ehemaligen Geheimdienstchefs, Mecys Laurinkus, als gegenwärtiger litauischer Botschafter in Georgien durch die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaité.

Laurinkus mit seinen Geheimdiensterfahrungen war auf diesem Posten sicher vor und während des russisch-georgischen Krieges im August 2008 ein hilfreicher "Berater" des Westens gewesen.


*


Quelle:
Copyright 2009 by Brigitte Queck und Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen
mit freundlicher Genehmigung der Autoren


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Dezember 2009