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OSTEUROPA/334: Merkel belehrt die slowakische Premierministerin Radicova (SME)


SME - Bratislava, 26. August 2010

Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel belehrt die slowakische Premierministerin Radicova

Von Miriam Zsilleová
Übersetzung aus dem Slowakischen von Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen


Die slowakische Premierministerin Iveta Radicova musste in Berlin gegenüber Journalisten und Bundeskanzlerin Merkel nochmals darlegen, warum das slowakische Parlament die Griechenlandhilfe abgelehnt hat.


Die Premierministerin der slowakischen Regierung, Iveta Radicova, beschuldigte in Berlin Griechenland. Die Nichtkreditgewährung an das bankrotte Griechenland seitens der Slowakei war ein Hauptthema, über das auch nach der Begegnung mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel gesprochen wurde.

"Ich glaube, dass wir in Zukunft enger zusammenarbeiten werden, damit sich eine ähnliche Situation nicht wiederholt, sagte Frau Merkel auf eine Frage der "SME". Mehrfach wiederholte sie, dass die Slowakei in Zukunft ein verantwortungsbewusster und solidarischer Partner sein wird. Sie erinnerte daran, dass der Schutz Griechenlands in der Hauptsache zum Schutz des Euro diente, über das in der Slowakei wenig gesprochen wird. Radicova erläuterte die slowakische Haltung zur Schocktherapie, die die Europäische Union gefordert hat. Nach den deutschen Journalisten war die Bundeskanzlerin auf der Konferenz am 25. August entschiedener in ihren Ansichten als gewöhnlich, wenn sie ihre Haltung vorsichtig formuliert. Sie sagte letztlich auch, dass es wenn es in der Slowakei nicht zu einer Änderung der Regierung gekommen wäre, die ganze Hilfe an Griechenland anderes ausfallen würde.

Die Forderung von Radicova, dass sich der EU-Kommissar Olli Rehn für seine Kritik an der Slowakei rechtfertigen solle, kommentierte die Bundeskanzlerin mit den Worten: "Es hilft uns nicht, wenn wir uns gegenseitig kritisieren".

Die einflussreichste Politikerin in Europa, Angela Merkel, empfing die slowakische Premierministerin nach nicht ganz sieben Wochen nach deren Amtsantritt und betonte am Dienstag, dass die gegenseitigen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen überstandardmäßig seien. Sie gratulierte der ersten Frau an der Spitze der slowakischen Regierung zur Wahl auch unter vier Augen und äußerte ihre Freude darüber, dass in Europa immer mehr Frauen an die Macht kommen. Beide Premierministerinnen und erste Frauen an der Spitze der Regierung in ihren Ländern begrüßten sich herzlich und sprachen zusammen ohne Dolmetscher auf Englisch.


Es endet mit Griechenland

Sie sprachen über die Begleitumstände der slowakisch-ungarischen Beziehungen und die große Verschuldung der Slowakei in den vier Jahren der Regierung von Robert Fico.

Premierministerin Radicova hat auf der Pressekonferenz nach dem gemeinsamen Essen mit der Kanzlerin die offenen und direkten Gespräche gewürdigt. Das Auftreten auf der Pressekonferenz war jedoch einem Thema gewidmet: Die Slowakei gibt keine Anleihen an Griechenland. Angela Merkel war betont eindringlich, als sie Frau Radicova gegenüber ihr Bedauern über den Beschluss des slowakischen Parlaments ausdrückte, das am 11. August die Kreditgewährung von 816 Millionen Euro zum Schutz Griechenlands ablehnte. "So sehr wir die Entscheidung über Griechenland bedauern, so sehr sind wir gewiss, dass wir in Zukunft sehr eng und vertrauenswürdig zusammenarbeiten, erklärte Frau Merkel."


Unser moralisches Recht

Radicova verteidigte die Haltung der Slowakei damit, dass sie nach radikalen Reformen und den Kriterien, die es nach der Übernahme des Euro zu erfüllen hatte, ein moralisches Recht hat, so zu handeln. Vor den Journalisten wies sie darauf hin, dass die Haltung der Slowakei der ganzen Europäischen Union helfen kann. " Ein solcher lauter Aufschrei kann uns helfen, schneller den Gesundungsprozess zu starten und die Verträge und Kriterien einzuhalten." Viele der Argumente haben die Journalisten auch gegenüber der deutschen Bundeskanzlerin selbst angesprochen. Merkel hat anfänglich ebenfalls einen großzügigen Kredit an Griechenland auch angesichts der ablehnenden Haltung der Mehrheit der Deutschen zurückgewiesen. Sie erinnerte daran, dass es in einem gewissen Stadium bereits nicht so sehr um Griechenland ging, sondern um den Euro, über den in der Slowakei wenig diskutiert wird. "Unser Land konnte sich dazu nicht anders verhalten, weil wir die übrigen Staaten der Eurozone in eine üble Situation stellen würden", erläuterte sie.

Sympathie hat die Haltung der Slowakei nach den Worten von Radicova auch bei Bundespräsident Christian Wulff ausgelöst, mit dem sie sich vor den Gesprächen im Kanzleramt getroffen hatte.

Radicova glaubt, dass der Streit über Griechenland nach ihrem Besuch am Dienstag in Berlin ein Ende gefunden hat und sie sich darüber nicht mehr zu äußern wünscht. Ausgenommen wird davon angeblich nur das Gespräch mit Olli Rehn sein.


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Radicova beeindruckt deutsche Kanzlerin

Berlin: Iveta Radicova hat bei den Deutschen einen starken Eindruck gemacht. Die sympathische Blondine in auffällig rosafarbigem Kleid und violettem Blazer erweckte Respekt. Sie bewirkte, da sie fest auf ihrer Position beharrte, dass die Slowakei in den Mittelpunkt des Interesses auch bei denjenigen Deutschen, die kleineren Staaten keine große Aufmerksamkeit widmen, rückte, sagte Petr Robejsek, ein Politologe und Ökonom tschechischer Herkunft, der jetzt in Deutschland lebt.

Vor ihrem ersten Besuch in Deutschland kamen die Gespräche mit der slowakischen Premierministerin in einflussreichen Medien, wie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", der " Die Welt" und im "Handelsblatt" zur Sprache. Während des Besuchs gewährte sie der Wochenzeitschrift "Die Zeit" und auch dem amerikanischen Fernsehsender CNBN ein Interview. Vor dem Bundeskanzleramt erwarteten sie ein roter Teppich und Fotografen, aber auch abseits stehende deutsche Bundesbürger, die gerne derartige offizielle Ereignisse beobachten. Radicova stellte nach einigen Meinungen auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel in den Schatten, die viermal den Titel "Mächtigste Frau der Welt" gewann und seit dem Fall der Berliner Mauer in der Politik ist. "Ihre Argumente sind für uns verständlich und die brachte sie klar zum Ausdruck. Die Deutschen sind gleichermaßen skeptisch und sie nehmen den Standpunkt ein, dass die Slowaken ihre Position zu laut vertreten", sagte Christian Thiels dem deutschen Fernsehsender ARD. Vor dem Eintritt in das Regierungsgebäude stellte sich Iveta Radicova noch mit deutschen Polizisten auf, die ihre Autokolonne auf Motorrädern begleiteten. Einer von ihnen wünschte, dass mit der slowakischen Premierministerin und ihm ein Foto gemacht wird.


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Der nichtgewählte EU-Kommissar hat sein Bedauern auszusprechen

Radicova fordert vom EU-Kommissar, der uns wegen Griechenland kritisiert hat, eine Rechtfertigung.

Berlin: Premierministerin Iveta Radicova fordert eine offizielle Rechtfertigung der EU dafür, dass sie den Beschluss des slowakischen Parlaments, die Griechenlandhilfe in Höhe von 816 Mio. Euro abzulehnen, kritisiert hat.

"Die Art und Weise, wie der EU-Kommissar für Wirtschafts- und Währungsangelegenheiten, Olli Rehn, der in Brüssel ein nichtgewählter Repräsentant sei, über die frei gewählten Abgeordneten des slowakischen Parlaments sprach, war beleidigend", sagte Radicova in einem Gespräch mit der Tageszeitung "Die Welt", das am Tage ihres Berliner Besuchs veröffentlicht wurde. Rehn hatte die slowakische Entscheidung als Verletzung der Solidaritätsprinzipien der EU bezeichnet.

Wie es einer der Bürger der Bundesrepublik Deutschland bezeichnete, sollte man nach Radicova die Worte abwägen. "Die Slowakei hat das Recht, eine solche Position nach den Reformen einzunehmen, die für die Bürger des Landes sehr schmerzlich waren." Auf der Pressekonferenz in Berlin fügte sie hinzu, dass ein Darlehen an Griechenland "nicht dem gegenwärtigen europäischen Recht entspricht, sondern einem laufenden zwischenstaatlichen Vertrag. Deswegen war es fehl am Platze, dass sich der EU-Kommissar in einer solchen Art und Weise geäußert hat". Ein Sprecher des EU-Kommissars hat wissen lassen, dass die Europäische Kommission das slowakische Parlament respektiert, "aber sie das Recht hat mit Entscheidungen nicht einverstanden zu sein und die Interessen der EU zu verteidigen", sagte Amadeu Altafaj Tardio und der Kommissionssprecher fügte hinzu, dass es sich um ein Missverständnis handeln müsse".

Die Kommission brachte nach ihm "lediglich das Bedauern darüber zum Ausdruck, das dies als Verletzung der Verpflichtungen bezeichnet wurde, die die Slowakei übernommen hat."


Quelle: SME - Bratislava, 26. August 2010
http://www.sme.sk/c/5521174/merkelova-poucila-radicovu.html

Übersetzer des slowakischen Textes: Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen


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Quelle:
SME - Bratislava, 26. August 2010
http://www.sme.sk/c/5521174/merkelova-poucila-radicovu.html
mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Redaktion
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2010