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OSTEUROPA/365: Präsidentenwahlen in Georgien (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 44 vom 1. November 2013
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Präsidentenwahlen in Georgien
Die Ära Saakaschwili ging zu Ende

von Willi Gerns



Am Sonntag wurde in Georgien ein neuer Präsident gewählt. Die Verfassung erlaubt dem seit zehn Jahren regierenden Staatschef Michail Saakaschwili keine dritte Amtszeit.

Wenn es nach dessen Plänen gegangen wäre, hätte er zwar den Präsidentensessel räumen müssen, aber die Macht behalten. Zu diesem Zweck hatte er von den Abgeordneten seiner Partei "Vereinigte Nationale Bewegung", die bis zum Herbst letzten Jahres das Parlament dominierten, eine Verfassungsänderung beschließen lassen. Damit wurden die Befugnisse des künftigen Präsidenten im Wesentlichen auf repräsentative Aufgaben beschränkt und die tatsächliche Macht dem Parlament und der Regierung, insbesondere dem Ministerpräsidenten übertragen. Und diesen Posten wollte Saakaschwili besetzen. Diese Absicht wurde jedoch mit dem Wahlsieg der Partei "Georgischer Traum" des Milliardärs und heutigen Ministerpräsidenten Iwanischwili bei den letzten Parlamentswahlen zunichte gemacht. Im Parlament verfügt nunmehr der "Georgische Traum" mit 85 Mandaten gegenüber 53 der Saakaschwili-Partei über eine fundierte Mehrheit. Außerdem gibt es noch sechs fraktions- und sechs parteilose Abgeordnete.

Diese Kräfteverschiebung bedeutet nicht nur für Saakaschwili, sondern auch für seine Protegés in Washington eine derbe Niederlage. Hatte doch die "Washington Post" nach dem Sieg der von Saakaschwili geführten "Rosenrevolution" vor zehn Jahren begeistert geschrieben: "Im Fall des Sieges bei den Präsidentenwahlen wird Saakaschwili das erste amerikanisierte Staatsoberhaupt im postsowjetischen Raum sein, wenn man von den baltischen Republiken absieht." Diese Einschätzung war durchaus zutreffend. Saakaschwili war der Vertrauensmann der herrschenden Kräfte in den USA und wurde mit ihrer Hilfe ins Amt gehievt. Er hatte in den USA studiert und in einer renommierten Anwaltskanzlei gearbeitet. Es ist die Rede davon, dass er dorthin nach dem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt auch zurückgehen könnte. Der Absturz des einstigen "Helden der Rosenrevolution" hatte sich seit längerem abgezeichnet. Bereits Ende 2007 waren in der Hauptstadt Tiflis Zehntausende Demonstranten mit der Forderung nach einem Rücktritt Saakaschwilis auf die Straße gegangen. Sie warfen ihm vor, immer mehr Macht in seinen Händen zu konzentrieren, die Opposition zu unterdrücken, die Pressefreiheit mit Füßen zu treten und die Justiz als Instrument zur Niederhaltung seiner Widersacher zu missbrauchen. So war der sprichwörtlich letzte Tropfen, der damals das Fass zum Überlaufen gebracht hatte, gerade die Inhaftierung des ehemaligen Verteidigungsministers Okruaschwili. Neben der diktatorischen Herrschaft waren es vor allem die miserablen Lebensbedingungen, die die Menschen auf die Straße brachten.

Der von den USA und der EU als "einziger demokratischer Präsident in der Kaukasus-Region" gepriesene Saakaschwili - George Bush jr. hatte ihn sogar überschwänglich den "Leuchtturm der Demokratie im postsowjetischen Raum" genannt - antwortete auf die Forderungen der Demonstranten mit einer Orgie der Gewalt. Selbst nach offiziellen Angaben wurden etwa 600 Demonstranten durch Polizei und Soldaten verletzt. Hunderte mussten in Krankenhäusern behandelt werden. Zugleich wurde der Ausnahmezustand verhängt, Demonstrationen und Versammlungen wurden verboten, und Medien von Spezialeinheiten gestürmt. Die Skandale häuften sich, je näher das Ende der Amtszeit Saakaschwilis kam. Im Juni 2013 wurden von der vorherigen Regierung angelegte geheime Waffenlager gefunden und neben den Waffen auch grauenhafte Folter- und Missbrauchsvideos sowie Dossiers über damalige Oppositionelle. Einen nicht zu unterschätzenden Sargnagel für Saakaschwili bedeutete auch der von ihm angezettelte und verlorene Krieg gegen Südossetien und Russland, der nicht nur unter den Südossetiern, sondern auch unter den Georgiern viele Opfer kostete,. Zugleich bedeutete das Kriegsabenteuer das endgültige Aus für alle Träume von einem Wiederanschluss Südossetiens und Abchasiens an Georgien. Als sich mit dem Wahlsieg Iwanischwilis und seiner Partei eine ebenfalls prowestlich orientierte Alternative anbot, wurde Saakaschwili auch von Washington und Brüssel fallen gelassen.

Als aussichtsreichster Kandidat unter den 23 Bewerbern für die Saakaschwili-Nachfolge im Präsidentensessel galt der bisherige Bildungsminister und Iwanischwili-Vertraute Georgi Margwelaschwili. Umfragen sahen ihn bei etwa 55 Prozent der Stimmen. Er lag damit klar vor Saakaschwilis Kandidat, dem früheren Parlamentspräsidenten David Bakradse.

Der Ex-Bildungsminister Margwelaschwili hat bei den Wahlen Prognosen zufolge bereits im ersten Wahldurchgang zwei Drittel der Stimmen auf sich vereint. Einer Stichwahl muss er sich nun nicht mehr stellen. Der neue Präsident wird jedoch aufgrund einer Verfassungsänderung weniger Vollmachten haben als seine Vorgänger.

Iwanischwili soll - wie es heißt - beabsichtigen, noch vor Jahresende vom Posten des Ministerpräsidenten zurückzutreten, da er seine Aufgabe als erfüllt ansehe.

Wer der neue Ministerpräsident und damit die stärkste politische Figur in Georgien sein wird, ist noch nicht bekannt. Darüber wird natürlich auch in Russland gerätselt. Schließlich dürfte nicht wenig davon abhängen, ob es ungeachtet einer zu erwartenden Weiterführung der Westorientierung in der georgischen Politik wenigstens zu gewissen Verbesserungen in den Beziehungen zwischen Russland und Georgien kommen wird.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 45. Jahrgang, Nr. 44 vom 1. November 2013, Seite 7
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2013