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OZEANIEN/027: Australien - Outsourcen von Flüchtlingen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. August 2013

Australien: Nach der 'pazifischen' die 'papuanische Lösung' - Proteste gegen das Outsourcen von Flüchtlingen

Von Catherine Wilson


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Australier protestieren gegen 'PNG-Lösung' im Umgang mit Flüchtlingen
Bild: © Catherine Wilson/IPS

Sydney, 6. August (IPS) - Der Umgang mit Flüchtlingen hat Australien wiederholt in die negativen Schlagzeilen gebracht. Vor allem die Einrichtung von Offshore-Haftzentren für Asylsuchende in benachbarten Inselstaaten führte zu massiver Kritik. Doch dann legte die Regierung in Canberra mit der Umsetzung eines Abkommens mit Papua-Neuguinea noch eins oben drauf. Der Deal sieht vor, dass die Bootsflüchtlinge nach ihrer Anerkennung dort auch angesiedelt werden - zunächst für die Dauer eines Jahres.

Angekündigt wurde das sogenannte Regionale Niederlassungs-Arrangement mit Papua Neuguinea (PNG) vor knapp zwei Monaten im Vorfeld der Wahlen in Australien. Mindestens 70 Asylsuchende sind inzwischen zum Haftzentrum auf die papuanische Manaus-Insel geflogen worden.

Am 3. August gab die Labor-Regierung unter dem neuen Premier Kevin Rudd ein weiteres ähnliches Abkommen mit dem 21 Quadratkilometer großen Nauru bekannt. Auch das Eiland im Südpazifik, 4.500 Kilometer nordöstlich von Australien gelegen, betreibt bereits im Auftrag von Australien ein Offshore-Haftzentrum für Asylsuchende. Einem Regierungssprecher von Nauru zufolge haben die Flüchtlinge hier nur ein vorübergehendes Bleiberecht.

Das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) zeigte sich besorgt "über die Abwesenheit adäquater Schutzstandards und Schutzmaßnahmen für Asylsuchende und Flüchtlinge auf Papua-Neuguinea". Die administrativen Kapazitäten seien gering, die baulichen Voraussetzungen nicht gegeben, um auch noch Flüchtlinge aus Australien unterzubringen.

Für die ohnehin schon traumatisierten Menschen, insbesondere für Frauen und Kinder, könnten sich die Defizite als weitere Belastung herausstellen.

Das UNHCR hat angesichts des umstrittenen australischen Vorstoßes erneut an die Zielländer von Flüchtlingen appelliert, die Menschen nicht einfach 'auszusourcen'. PNG ist ein sieben Millionen Einwohner zählender melanesischer Staat.

Auch wenn es die Flüchtlingskonvention von 1951 und das Zusatzprotokoll von 1967 unterzeichnet hat, tut PNG sich schwer mit den Rechten von Flüchtlingen auf Beschäftigung, Wohnraum, Bildung und weitere Basisleistungen, hinkt es bei der menschlichen Entwicklung selbst hinterher. So rangiert es auf einer Liste von 187 Ländern weit hinten auf dem 156. Platz.


Geld gegen Aufnahme von Flüchtlingen

Doch der Dienst, den PNG Australien leistet, ist nicht umsonst. Für die Aufnahme der Asylsuchenden wird PNG zusätzliche Hilfsgelder in Höhe von 452 Millionen US-Dollar erhalten.

Australien stellt seine neue Asylpolitik als weitere Maßnahme dar, den Menschenhandel zu unterbinden und Flüchtlinge davon abzuhalten, die gefährliche Reise in seeuntauglichen Booten zu unternehmen. Doch Hadi, ein Asylsuchender aus Afghanistan, der ebenfalls mit einem Boot nach Australien kam und 2011 als Flüchtling anerkannt wurde, hält die neue Initiative lediglich für Wahlpropaganda auf Kosten von Menschen, die ohnehin keine Stimme haben. "Das Arrangement wird zu nichts führen. Menschen, die in Boote steigen, sind verzweifelt. Sie verlassen ihr Land, um zu überleben."

Vor einem Jahr hatte die damalige Regierungschefin Julia Gillard die 'pazifische Lösung' wieder eingeführt: die Wiedereröffnung der Offshore-Asylantenzentren in PNG und Nauru. Doch die Zahl der Boatpeople nimmt seitdem nicht etwa ab, sondern zu. Im letzten Jahr kamen 17.202. 2013 sind es fünf Monate vor Jahresende bereits 15.000.

Die Zahl derjenigen, die in Australien um Asyl ansuchen, ist vergleichsweise gering. Im letzten Jahr waren es 15.790 oder drei Prozent der weltweit 479.270 Menschen, die sich um einen Flüchtlingsstatus bemühten. In den USA bewarben sich 83.430 oder 17 Prozent, in Deutschland 64.540 und in Frankreich 54.940 um den Status. Die meisten Zuwanderer kommen aus dem Irak, dem Iran, aus Afghanistan und Sri Lanka.


"Unverhältnismäßig"

Will Jones vom Zentrum für Flüchtlingsstudien der Universität von Oxfam kritisiert die neue australische Flüchtlingspolitik. Angesichts der geringen Zahl von Asylsuchenden sei sie "völlig unverhältnismäßig, extrem teuer" und mit Blick auf das Flüchtlingsanerkennungsverfahren "ineffizient".

Auf Manaus werden Asylsuchende derzeit in provisorischen Einrichtungen untergebracht, die für etwa 500 Personen ausgelegt sind. Im letzten Monat hatte das UNHCR nach einer Überprüfung festgestellt, dass die Aufnahme und Betreuung der Flüchtlinge keineswegs internationalen Schutzstandards entsprechen. Die australische Regierung wird nach eigenen Aussagen im nächsten Jahr auf der Insel ein ständiges Haftzentrum fertigstellen und dafür finanziell aufkommen.

In PNG halten sich derzeit etwa 9.500 Flüchtlinge auf, von denen viele vollständig von den Hilfsorganisationen abhängen. Sie sind angesichts der Probleme wie hoher Arbeitslosigkeit, Kriminalität und mangelnder Basisversorgung, mit denen Papua-Neuguinea zu kämpfen hat, extrem verletzbar. Das gilt im Besonderen für unbegleitete Flüchtlingskinder.

Dennoch hat die australische Regierung mitgeteilt, dass sie die Heranwachsenden in Australien nicht mit ihren Familien zusammenführen wird. Doch in einem solchen Fall würde sie gegen das Kinderrechtsabkommen und die UNHCR-Ansiedlungsrichtlinien verstoßen, denen zufolge keine Maßnahmen ergriffen werden dürfen, die eine Zusammenführung unbegleiteter Flüchtlingskinder mit ihren Familien behindern.


Viele Pazifikinselstaaten empört

Bei vielen Entwicklungs-Inselstaaten im Südwestpazifik hat der 'Flüchtlingsansiedlungsdeal' Australiens Empörung ausgelöst. Australien solle gefälligst seinen eigenen humanitären Verantwortlichkeiten nachkommen, anstatt sie anderen Ländern zuzumuten, hieß es. Entsprechende Erklärungen gaben beispielsweise Fidschis Außenminister Ratu Inoke Kubuabola und der ehemalige PNG-Ministerpräsident Sir Michael Somare ab. Der papuanische Oppositionspolitiker Belden Namah will rechtlich gegen das australische Haftzentrum für Asylsuchende auf papuanischem Boden vorgehen.

Der lokale politische Kommentator Deni ToKunai, der in PNG als Tavurvur bekannt ist, erklärte gegenüber IPS, dass der Widerstand gegen das neue Arrangement mit Australien schon sehr groß sei und sicherlich nach der Fertigstellung des ständigen Auffangzentrums neue Höhen erreichen werde. (Ende/IPS/kb/2011)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/08/australian-outsourcing-of-refugees-challenged/

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IPS-Tagesdienst vom 6. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2013