Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

OZEANIEN/033: Papua-Neuguinea - 13 Jahre nach Ende des Bürgerkriegs sollen die Wunden endlich heilen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Dezember 2014

Papua-Neuguinea: Erst Klarheit, dann Versöhnung - 13 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs in Bougainville sollen die Wunden endlich heilen

von Catherine Wilson


Bild: © Catherine Wilson/IPS

Fischverkauf am Meer im Norden von Bougainville
Bild: © Catherine Wilson/IPS

Sydney, Australien, 23. Dezember (IPS) - 13 Jahre ist es her, dass der Bürgerkrieg auf Bougainville zu Ende ging. Doch die 300.000 Menschen, die auf der autonomen Insel östlich des Festlands von Papua-Neuguinea (PNG) leben, sind noch immer traumatisiert. Damit die Wunden heilen und Versöhnung und Entwicklung in den lokalen Gemeinden Einzug halten können, will die Regierung nun zur Klärung des Schicksals der Verschwundenen beitragen.

Wie Nick Peniai, Leiter der Behörde für Frieden und Versöhnung der autonomen Regierung von Bougainville, betont, müssen die Familien endlich Klarheit erlangen, was mit ihren Angehörigen in dem zehnjährigen bewaffneten Konflikt geschah. Erst wenn die Leichen gefunden, geborgen, identifiziert und ihren Angehörigen übergeben würden, sei an eine Versöhnung zu denken.

Doch Peniai zufolge werden die Täter nur dann reden, wenn sie sich sicher sein können, dass sie für die begangenen Verbrechen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Deshalb geht es bei der im September bekannt gegebenen Regierungsinitiative nicht um die Bestrafung der Verantwortlichen, sondern um die Suche, Exhumierung und Identifizierung der Opfer. Die strafrechtliche Verfolgung der Täter sei ebenso wenig geplant wie die Anerkennung von Entschädigungsforderungen.


Panguna-Kupfermine war Stein des Anstoßes

Patricia Tapakau, die Vorsteherin einer Ortschaft, die in der Nähe der Panguna-Kupfermine liegt, begrüßt den Vorstoß. Die Ausbeutung der Kupferreserven, einst ein wichtiger Devisenbringer von PNG, hatte den Menschen unermessliches Leid zugefügt. Nicht nur, dass ihnen gewohnheitsrechtlich genutztes Land genommen wurde, auch die Umwelt wurde verseucht und die soziale Ungleichheit nahm zu.

1989 erhoben sich indigene Milizen gegen die Bergbauaktivitäten der australischen Firma 'Bougainville Copper Ltd.'. 1990 verhängte die Regierung von PNG eine Blockade über die Insel, die erst 1998, mit dem Inkrafttreten des Waffenstillstands, wieder aufgehoben wurde. Es gibt bis heute keine gesicherten Zahlen über den Verlust von Menschenleben im Zuge des bewaffneten Konflikts zwischen den Rebellen und dem Militär von PNG. Schätzungen zufolge könnten es 20.000 sein. Der indigene Aufstand erzwang die Schließung der Mine.

Auch heute noch suchen viele Familien nach ihren verschwundenen Angehörigen, wie das UN-Menschenrechtshochkommissariat (OHCHR) bestätigt. Die quälende Ungewissheit lasse die Menschen und Gemeinden nicht zur Ruhe kommen und sorge für einen Zustand latenter Hoffnungslosigkeit, heißt es.

"Wir sind wirklich dringend auf Versöhnung angewiesen. Wir müssen die im Dschungel verscharrten Leichen finden, ausgraben und sie im Kreis ihrer Angehörigen beerdigen", wird der Dorfvorsteher von Guava in einem Bericht von 'Jubilee Australia' zitiert.

Unmittelbar nach dem Friedensschluss vor 13 Jahren sei es nicht möglich gewesen, an Informationen über den Verbleib der Verschwundenen zu kommen, zu groß sei die Angst der Überlebenden gewesen, um nach ihren vermissten Angehörigen zu suchen. Und die Täter hätten ihrerseits aus Angst, zur Rechenschaft gezogen zu werden, geschwiegen.

Peniai hält nun jedoch den Zeitpunkt für gekommen, das düstere Kapitel der Vergangenheit zu schließen. Inzwischen seien die Menschen eher bereit, über die damaligen Geschehnisse zu sprechen.

Die UN-Konvention gegen Verschwindenlassen stärkt die internationalen Menschenrechtsgesetze, die die Kriegsparteien einschließlich Regierungen, reguläre Streitkräfte und bewaffnete Gruppen dazu verpflichtet, bei der Auffindung vermisster Personen oder ihrer sterblichen Überreste zu helfen.

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) unterstützt die Regierungsinitiative von PNG. "Die Familien Verschwundener sind auch Jahre nach dem Konflikt auf psychosoziale und medizinische Hilfe angewiesen", unterstreicht Gauthier Lefèvre, der Leiter der IKRK-Mission in PNG. "Vielen dieser Menschen fällt es in Ermangelung sozialer Netzwerke auch schwer, sich wirtschaftlich über Wasser zu halten."

Das IKRK, das in vielen Ländern wie Bosnien-Herzegowina, im Irak und Iran und in Kroatien Versöhnungsbemühungen unterstützt, hält solche Maßnahmen für entscheidend, um den Menschen dabei zu helfen, Hass und Misstrauen zu überwinden. Blieben sie aus, werde das Trauma an die nächsten Generationen weitergegeben, was bei den Betroffenen ein Gefühl latenter Ohnmacht und Ungerechtigkeit wecke.


Alkoholismus und Gewalt gegen Frauen

Die Leitana-Nehan-Frauenentwicklungsagentur, eine lokale Nichtregierungsorganisation, macht die bislang unbewältigten Traumata für das hohe Ausmaß an Alkoholmissbrauch und Gewalt gegen Frauen seit dem Ende der 'Bougainville-Krise' verantwortlich. Allein in den drei Monaten April, Juli und August 2010 wurden der Polizei von Bougainville 84 Sexualdelikte, 261 Fälle familiärer Gewalt und 16 Übergriffe auf Kinder gemeldet.

Die Rückgabe der sterblichen Überreste der Verschwundenen hat das OHCHR als den notwendigen Schritt bezeichnet, um den Heilungsprozess abzuschließen, Verzeihen und Rehabilitation zu ermöglichen und den Wiederaufbau in Gang zu bringen. "Sie ist die Grundvoraussetzung, um mit der Vergangenheit abschließen zu können, den psychologischen Genesungsprozess in Gang zu bringen und in einigen Fällen rechtliche Angelegenheiten wie Landeigentum und Erbfolge klären zu können", betont Lefèvre. "Eine solche Entwicklung wird zweifellos positive Folgen für die menschliche und soziale Entwicklung in den Post-Konflikt-Zonen haben."

Der Friedensprozess in Bougainville wird seit 2001 von den Vereinten Nationen und internationalen Gebern unterstützt. Doch die autonome Region steht noch immer vor horrenden Entwicklungsproblemen. Die Lebenserwartung liegt dort bei durchschnittlich 59 Jahren. Die Sterblichkeitsrate bei Kindern bis zum fünften Lebensjahr beträgt 74 pro 1.000 Lebendgeburten. Den internationalen Durchschnittswert gibt das Nationale Forschungsinstitut mit 46 pro 1.000 an.

Im zentralen Bougainville, wo der Bürgerkrieg seinen Anfang nahm, haben 56 Prozent der Bevölkerung keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. 95 Prozent, so die internationale Hilfsorganisation 'World Vision', sind sanitär unterversorgt. (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/12/seeking-closure-bougainville-confronts-ghosts-of-civil-war/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. Dezember 2014
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Dezember 2014


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang