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RUSSLAND/132: Oligarchen in der russischen Politik (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 17 vom 29. April 2011
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

"Stamokap" auf Russisch
Oligarchen in der russischen Politik

Von Willi Gerns


Das Magazin "Forbes" hat Anfang März seine aktuelle Jahresliste der Superreichen veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass die russischen Oligarchen dabei sind während der Weltwirtschafts- und -finanzkrise verlorenes Terrain wieder zu besetzen. So ist die Zahl der russischen Milliardäre um 41 auf nunmehr 101 gewachsen. 15 davon gehören zu den 100 reichsten Menschen in der Welt. Der reichste von ihnen ist wiederum Wladimir Lissin, der Präsident des Direktorenrats des Nowolipezker metallurgischen Kombinats (NLMK) mit einem Vermögen von 24 Mrd. US-Dollar (17,4 Mrd. Euro) auf Platz 14 der Weltrangliste.

Fast zeitgleich mit "Forbes" veröffentlichte die russische Wirtschaftszeitschrift "Finans" eine Liste der 500 reichsten Russen. In einem Beitrag der "Sowjetskaja Rossija" vom 3. März wird diese nach der Rolle abgeklopft, die darin erfasste Personen in den politischen Institutionen Russlands spielen. Danach gehören dem Föderationsrat, der zweiten der beiden Kammern des russischen Parlaments, die aus Vertretern der Gliedstaaten der Russischen Föderation besteht, fünf Dollarmilliardäre und drei Multimillionäre an. Der reichste von ihnen ist Suleiman Karimow, Besitzer von "Nafta Moskwa", den "Finans" mit 16,9 Mrd. USD als Nr. 7 der reichsten Russen führt. In der Staatsduma, der gesetzgebenden Kammer des Parlaments, finden sich sechs Dollarmilliardäre und 16 Multimillionäre. Der reichste dieser "Volksvertreter" ist Andrej Skoi, Miteigentümer von "Metalloinvest" (6,5 Mrd. USD). Von diesen 22 Dollar-Milliardären und -Multimillionären gehören 20 der Duma-Fraktion der Putin-Partei "Einiges Russland" an, einer ist Mitglied der Fraktion der LDPR von Schirinowski und einer gehört zur Fraktion von "Gerechtes Russland".

Zu den 500 reichsten Russen gehört aber nicht nur eine beträchtliche Zahl von Abgeordneten der beiden Kammern des zentralen russischen Parlaments. Unter ihnen finden sich auch Multimillionäre, die wichtige Posten in den Organen der vollziehenden Gewalt einnehmen oder früher eingenommen haben. So beträgt das Vermögen des stellvertretenden Verteidigungsministers Grigori Naginski und Gründers des Ingenieur-Unternehmens "Titan 2" nach der Zeitschrift "Finans" 670 Mio. Dollar; das des ehemaligen stellvertretenden Finanzministers Andrej Wawilow 450 Mio. Dollar; das des ehemaligen stellvertretenden Ministers für Staatsvermögen und Besitzer des Unternehmens "Wolga", Schalwa Breus, 370 Mio. Dollar und das des ehemaligen stellvertretenden Ministers für Kommunikation, Leonid Reimann, 160 Mio. Dollar.

Auch auf der Ebene der Regionen und Kommunen besetzen Oligarchen wichtige politische Positionen. So wird z. B. das Vermögen Oleg Tschurkunows, Gouverneur des Gebiets Perm und Besitzer der Gesellschaft "EKS", auf 470 Mio. Dollar geschätzt. Das Vermögen des Oberbürgermeisters von Tscheljabinsk und Besitzers der Nahrungsmittelholding "Makfa", Michail Jurjewitsch, taxiert "Finans" auf 120 Mio. Dollar; das des Oberbürgermeisters von Wladiwostok und Eigentümers der "Park-Gruppe", Igor Puschkarjew, auf 300 Mio. Dollar. Natürlich macht auch der ehemalige Oberbürgermeister von Moskau, Juri Lushkow, keine Ausnahme, wenn auch mit dem Umweg über seine Frau, die Baulöwin Jelena Baturina, die als Präsidentin und Besitzerin der Holding "Iteko" mit einem Vermögen von 1,2 Mrd. Dollar in der Weltrangliste der reichsten Menschen der Welt auf Platz 993 bei "Forbes" geführt wird.

Die "Sowjetskaja Rossija" zieht aus alledem den Schluss: "Diese äußerst erfolgreichen politischen 'Businessmen' sind ein unwiderlegbarer Beweis dafür, dass die politische Macht immer fester mit dem Kapital zusammenwächst." Dieses Zusammenwachsen vollzieht sich allerdings nicht nur über die direkte Präsenz der Oligarchen und Vermögensfürsten in den politischen Institutionen. Hinzu kommen die vielfältigen öffentlichen und sich hinter den Kulissen vollziehenden Beziehungen Putins und Medwedjews, der entsprechenden Ministerien und Institute mit ausgewählten Oligarchen und den Spitzen des Unternehmerverbandes.

Dass angesichts dieses Konglomerats das Hauptanliegen des Putin-Medwedjew-Regimes während der Wirtschaftsund Finanzkrise darin bestand, das geraubte Kapital der Oligarchen auf Kosten des Staatssäckels vor dem großen Krach zu retten, kann nicht wundern. Das Ergebnis ist, dass die meisten Milliardäre und Multimillionäre heute noch reicher sind als vor der Krise. Ebenso "normal" ist, dass die Rechnung jetzt den arbeitenden Menschen, den Rentnerinnen und Rentnern, unter anderem in Form von Preis- und Tariferhöhungen präsentiert wird.

Die Tarife in der kommunalen Wohnungswirtschaft, für Gas, Elektrizität, öffentliche Verkehrsmittel und andere öffentliche Dienstleistungen explodieren geradezu. Ministerpräsident Putin hat werbewirksam über das Fernsehen seine Beamten angewiesen, die Tarife nicht mehr als um 15 Prozent zu erhöhen. Obwohl schon das die nominalen Einkommenssteigerungen der einfachen Leute beträchtlich übertrifft, reichen die tatsächlichen Tariferhöhungen oft weit darüber hinaus. Nach der "Sowjetskaja Rossija" betragen sie z. B. 30 Prozent in Rostow am Don, Orscha, Ishewsk u. a., 34 Prozent in Atschinsk im Krasnodarsker Gebiet, 35 Prozent in Buguruslan im Gebiet Orenburg, 40 Prozent in Nishnij Nowgorod, 50 Prozent in Sysran und Staryj Oskol, 60 Prozent in Samara und in Perm sogar volle 100 Prozent. Die Belastungen sind derart, dass sie nach Ansicht der "Nesawisimaja Gazeta" eine "reale Bedrohung für die soziale Stabilität" darstellen.


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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 43. Jahrgang, Nr. 17 vom 29. April 2011, Seite 11
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2011