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USA/298: Rückschläge für Obama in Nahost und Afghanistan - Amerikaner skeptisch (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. August 2010

USA:
Rückschläge für Obama in Nahost und Afghanistan - Amerikaner skeptisch

Von Jim Lobe


Washington, 4. August (IPS) - Durch die Ankündigung weiterer Truppenreduzierungen im Irak versucht US-Präsident Barack Obama die Amerikaner davon zu überzeugen, dass seine militärische Strategie im Mittleren Osten erfolgreich ist. Die Realität sieht jedoch anders aus. Weder bei der Befriedung des Iraks und Afghanistans noch im Nahost-Friedensprozess oder im Atomstreit mit dem Iran hat die Obama-Regierung bisher die angepeilten Ziele erreicht. Wie eine neue Umfrage zeigt, reagiert die Öffentlichkeit in den USA darauf zunehmend unzufrieden.

Die Bilanz der Auslandeinsätze ist ernüchternd: Im Juli haben die US-Truppen in Afghanistan die größten Verluste seit der Zurückdrängung der radikal-islamischen Taliban Ende 2001 erlitten. Auf Pakistan können die USA im Kampf gegen den Terror nicht recht zählen. Zwar hatte die Regierung in Islamabad im vergangenen Jahr wieder Kontrolle über einen Teil der Grenzgebiete gewonnen, in die sich Taliban-Kämpfer zurückgezogen haben. Die schweren Überflutungen in der Region haben die bescheidenen Fortschritte jedoch wieder zunichte gemacht. Die US-Regierung hatte es zunächst große Überzeugungskraft gekostet, die pakistanische Regierung zum Vorgehen dort gegen die in das Land einsickernden Extremisten zu bewegen.

Der US-Regierung ist es auch nicht gelungen, Iran von seinen Atomplänen abzubringen, obwohl sie für neue Sanktionen sowohl Russland als auch China im Weltsicherheitsrat hinter sich bringen konnte und die Europäische Union und andere Staaten den Druck auf Teheran erhöhten.


Ansehensverlust im Nahen Osten

Bei der Lösung des Konflikts zwischen Israel und den Palästinensern kam Obama ebenfalls nicht weit voran. Dabei hatte er dem Thema bei seinem Amtsantritt höchste Priorität eingeräumt. Nach Einschätzung vieler Experten hat der fortgesetzte Siedlungsbau in den besetzten Gebieten einschließlich Ost-Jerusalem Obamas Ansehen in der Region deutlich geschadet.

Der geplante Truppenabbau im Irak auf 50.000 Mann Ende des Monats ist von der Öffentlichkeit in den USA zwar gut aufgenommen worden. Doch am Ort ist die Perspektive eher düster. Fast fünf Monate sind seit den Parlamentswahlen vergangen, und mehrere amerikanische Spitzenpolitiker und Militärvertreter sind seitdem nach Bagdad gereist. Eine neue Regierung ist dort allerdings nach wie vor nicht in Sicht.

Das Vakuum an der Spitze des Staates fördert politische und ethnische Spannungen, die Gewalt nimmt wieder zu. Die US-Regierung spricht zwar davon, dass die Zahl der Toten im Juli im Verhältnis zum gleichen Monat 2009 um die Hälfte gesunken sei. Die Nachrichtenagentur 'Associated Press' hat die offiziellen Statistiken aber selbst ausgewertet und kommt dabei zu einem ganz anderen Ergebnis. Mit 535 Toten war der Juli demnach der Monat mit den meisten Todesopfern seit zwei Jahren.

Wenn die Iraker die politische Lähmung nicht selbst überwinden, die ohnehin schwache Wirtschaft mangels Investitionen und Infrastrukturentwicklung noch weiter abflaut und die Nachbarstaaten des Irak unberechenbar bleiben, könnte Obama nach Ansicht von Beobachtern sogar dazu gezwungen sein, seine Abzugspläne zu überdenken.


Vertrauensverlust zu Hause

Die amerikanische Öffentlichkeit hat bereits viel Vertrauen in die Irak- und Afghanistan-Politik ihres Präsidenten verloren, wie eine aktuelle Umfrage von 'USA Today' und 'Gallup' belegt. Trotz des bisher planmäßig umgesetzten Truppenabzugs sind nur 41 Prozent der Befragten zufrieden mit Obamas Bilanz im Irak. Dies ist der niedrigste Zustimmungswert seit seinem Amtsantritt im Januar 2009. Noch schlechter fällt das öffentliche Urteil über die Afghanistan-Strategie aus: Nur ein Drittel der Befragten erkennt Obamas Leistung an, obwohl mehr als die Hälfte einen graduellen Abzug befürwortet.

Der Präsident kündigte bereits eine Reduzierung des gegenwärtig rund 100.000 Mann starken Kontingents in Afghanistan an. Vom ursprünglich angestrebten Ziel der Staatenbildung hat sich die Regierung dort offenbar schon verabschiedet. Jetzt geht es offensichtlich nur noch darum, das Terrornetzwerk Al Kaida in Schach zu halten. US-Vizepräsident Joe Biden sagte kürzlich in einem Fernsehinterview: "Wir sind nur deshalb in Afghanistan, weil Al Kaida in den Bergen zwischen Afghanistan und Pakistan sitzt."

Obama selbst räumte ein, dass das, was seine Regierung erreichen wolle, "sehr schwierig" sei. "Es ist dennoch ein recht bescheidenes Ziel, betonte er."Wir wollen verhindern, dass Terroristen von dieser Region aus operieren, große Ausbildungslager errichten und ungestraft Angriffe gegen die USA auf amerikanischem Boden planen können."


Hauptaufgabe Taliban

Da auch die Kongressabgeordneten von Obamas Demokratischer Partei den Krieg in Afghanistan nicht weiter finanzieren wollen, erwägt der Präsident offensichtlich eine Strategieänderung. Er wolle von Versuchen, "Herz und Verstand" der Afghanen durch Aufbau des Landes zu gewinnen, Abstand nehmen, meinen Beobachter. Ziel sei ein reiner Antiterror-Kampf, beim dem vor allem Taliban-Führer ausgeschaltet werden sollten. Zugleich sollten Stammesführer mit Geld und anderen Anreizen an die USA gebunden werden.

Sogar eine Zusammenarbeit mit so genannten gemäßigten Taliban, für die die afghanische Regierung von Präsident Hamid Karsai geworben hat, scheint für die USA nicht mehr ausgeschlossen zu sein.

Die Fortschritte, die die USA jenseits der Grenze in Pakistan vorweisen konnten, sind unterdessen offenbar weitgehend zunichte gemacht worden. Die Fluten, durch die mindestens 1.500 Menschen starben und mehr als eine Million obdachlos wurden, haben die pakistanische Regierung weit zurückgeworfen bei ihren Versuchen, die Region wieder unter Kontrolle zu bringen.

Islamabad hatte dort ohnehin wenig erreicht, und das auch nur auf andauernden Druck aus Washington. Die Soldaten, die eigentlich die Taliban von den Tälern fernhalten sollten, sind jetzt durch Rettungs- und Aufräumarbeiten gebunden. In diesen Bereich wird auch der Großteil der 7,5 Milliarden US-Dollar fließen, die der Kongress in Washington Pakistan als Unterstützung zugesichert hat. (Ende/IPS/sv/2010)


Links:
http://www.gallup.com/poll/141716/New-High-Call-Afghanistan-War-Mistake.aspx
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52359

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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. August 2010