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USA/299: Immer mehr Einwanderer im Gefängnis - Strafrechtsreform überfällig (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. August 2010

Migration: Immer mehr Einwanderer in USA im Gefängnis - Strafrechtsreform überfällig

Von Jim Lobe


Washington, 12. August (IPS) - Vor etwa einem Jahr kündigte US-Präsident Barack Obama an, den vielfach kritisierten Strafvollzug für illegale Einwanderer vollständig reformieren und humanisieren zu wollen. Viel sei allerdings nicht geschehen, kritisieren Menschenrechtsorganisationen. Ein neuer Forschungsbericht gibt ihnen Recht.

Wissenschaftler des Instituts für internationale und Entwicklungsstudien in Genf haben einen Forschungsbericht vorgelegt, in dem sie vor allem zeigen, dass die Gefangenenlager für Einwanderer bald aus allen Nähten platzen werden.

Auf allen Ebenen nähmen die Bestrebungen in den Vereinigten Staaten zu, Verstöße gegen das Einwanderungsgesetz als Straftat zu ahnden, so dass immer mehr Verdächtige inhaftiert würden, heißt es.

Die Forscher des 'Global Detention Project' (GDP) beziehen sich unter anderem auf Studien der Universität Syracuse, aus denen hervorgeht, dass seit 2004 die Strafverfahren der Bundesbehörden um mehr als 40 Prozent zugenommen haben. Nahezu die Hälfte aller Bundes-Strafverfahren beziehe sich inzwischen auf Immigranten.


Schweres Erbe

Das GDP-Papier verweist außerdem auf zahlreiche in letzter Zeit verabschiedete Gesetze auf allen Ebenen, die, falls konsequent angewandt, einen umfangreichen Ausbau der Haftanstalten erfordern würden. Ein entsprechendes Gesetz des Bundesstaates Arizona wurde zwar von einem Bundesrichter außer Kraft gesetzt. Ähnliche Paragrafen in Massachusetts und New York machen es für Einwanderer ohne die erforderlichen Papiere extrem schwierig, Wohnung und Arbeit zu finden.

"Die Einwanderung ist ein weiteres komplexes Problem, das die Obama-Regierung zwar nur geerbt hat, das sie nun aber lösen muss", sagte Michael Flynn, die die Forschungsarbeiten des Projektteams geleitet hat. "Aufgrund der Politik der Vorgängerregierung, ist das Haftwesen in den letzten Jahren extrem ausgewuchert. Es fehlt die notwenige Kontrolle, um einen humanen Vollzug sicherzustellen."

Die Regierung Obama habe zwar bereits einiges für eine Reform geleistet, jedoch bleibe noch viel zu tun, betonte Flynn. Der Bericht verweist in diesem Zusammenhang auf die bereits erwirkten Einschränkungen bei der Inhaftierung von Kindern. Während eine Spezialeinrichtung für Minderjährige geschlossen wurde, sei eine andere aber noch in Betrieb.


Mehr Gefängnisinsassen in USA als Bürger in der EU

Menschenrechtsorganisationen wie 'Human Rights First' ziehen ein ähnliches Fazit der Reformbemühungen. "Trotz mancher Schritte in die richtige Richtung sind wir enttäuscht, dass viele einsitzende Asylbewerber und andere inhaftierte Einwanderer kaum Veränderungen wahrnehmen", heißt es in einer Erklärung von 'Human Rights First'. "Flüchtlinge, die Asyl in den USA beantragen, sollten nicht in Gefängnissen oder ähnlichen Einrichtungen festgehalten werden, während ihre Anträge geprüft werden."

Michael Flynn sieht ein Hauptproblem in der Größe und Unüberschaubarkeit des Haftsystems. In den zahlreichen Anstalten säßen mehr Menschen ein, als in der gesamten Europäischen Union lebten, merkte er an.

2007 gab es laut dem GDP-Bericht in den USA 950 Haftanstalten, darunter spezielle Einwandererlager, Privatgefängnisse, Jugendhaftanstalten sowie Bundes- und Stadtgefängnisse. Bis 2009 wurden mehr als 350 davon genutzt, in denen jährlich knapp 400.000 Immigranten und Asylbewerber einsaßen.

Die Zahl der Insassen nahm aber weiter zu. In den neunziger Jahren könnten täglich durchschnittlich 6.000 Ausländer inhaftiert werden. 2008 waren es bereits rund 33.000. In diesem Jahr liegt die Zahl immer noch knapp über 30.000. Viele der Gesetze, die zu dieser Entwicklung beitrugen, wurden noch in den neunziger Jahren verabschiedet.

Die meisten Einwanderer und Asylsuchenden werden in regulären Gefängnissen mit hohen Sicherheitsstandards, Freiheitsbeschränkungen und den damit verbundenen Kosten untergebracht. Davon wegzukommen ist schwierig, weil gleichzeitig Politiker und Lobbygruppen auf ein härteres Vorgehen gegen illegale Einwanderer drängen. (Ende/IPS/sv/2010)


Links:
http://www.globaldetentionproject.org/fileadmin/docs/US_Legal_Profile.pdf
http://www.humanrightsfirst.org/asylum/asylum.aspx
http://www.aclu.org/immigrants-rights/immigrant-detention
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52459

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. August 2010