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USA/325: Die Todesspritze des Henkers wird neu gefüllt, Ersatzstoff Pentobarbital aus Dänemark (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Mai 2011

USA: Die Todesspritze des Henkers wird neu gefüllt - Ersatzstoff Pentobarbital aus Dänemark

Von Matthew Cardinale


Atlanta, 4. Mai (IPS) - Seitdem die US-amerikanische Drogenbehörde (DEA) in den Gefängnissen etlicher US-Bundesstaaten die Vorräte an Thiopental-Natrium (ST) konfisziert hat, geht den Henkern der Nachschub für die Giftspritze aus. Das Betäubungsmittel ST ist eine der drei vorgeschriebenen Komponenten der Injektion, mit der zum Tode Verurteilte hingerichtet werden. In 35 der 50 US-Bundesstaaten verhängen Gerichte weiterhin die Todesstrafe.

Mitte März beschlagnahmte die DEA im Bundesstaat Georgia den ST-Bestand, weil dessen Herkunft dubios war. Der Lieferant hatte den Stoff im Hinterhof einer Fahrschule hergestellt. Zwei Wochen später lieferten die Gefängnisbehörden von Kentucky und Tennessee das ihren Giftsschränken lagernde tödliche Barbiturat freiwillig ab.

Nicht zuletzt auf Druck von Gegnern der Todesstrafe haben ausländische Pharmakonzerne, die das Barbiturat ST produzieren, die Lieferung des Mittels in die USA eingestellt. So erklärte der indische Pharmakonzern Kayem: "Unser Unternehmen ist dem Ethos des Hinduismus und der Achtung des Lebens verpflichtet und wird das Mittel nicht verkaufen, wenn es als tödliche Injektion missbraucht werden soll." Großbritannien hatte den Export von ST in die USA im November verboten und die EU aufgefordert, seinem Beispiel zu folgen.

Hospira Inc., der einzige US-amerikanische Pharmakonzern, der den Stoff in einem neuen italienischen Werk herstellen und in die USA exportieren wollte, musste diese Pläne auf Anordnung der Regierung in Rom aufgeben. Sie erklärte, die Todesstrafe verstoße gegen die italienische Verfassung.

Inzwischen suchen die Gefängnisbehörden einiger US-Bundesstaaten nach Alternativen. Oklahoma und Ohio haben das Thiopental in dem tödlichen Giftmix durch Pentobarbital (PB) ersetzt und Todeskandidaten hingerichtet. Auch Texas plant den Wechsel zu PB. Die dänischen Firma Lundbeck produziert den Stoff. Das Unternehmen lehnt zwar ausdrücklich die Verwendung von PB in der Todesspritze des Henkers ab, verkauft es aber weiterhin an Pharmahändler.

"Auf dem Weg des Mittels zu den Gefängnisbehörden werden viele Zwischenhändler eingeschaltet, so dass sich seine Herkunft kaum verfolgen lässt", stellte Laura Moye fest. Die Aktivistin leitet bei 'Amnesty International USA'' die Kampagne gegen die Todesstrafe.

"Die Produzenten geraten in ein ethisches Dilemma. Am Ende dieser verschlungenen Wege wird ein Mittel, das Menschen heilen soll, zum Töten verwendet", sagte Moye. "Es ist völlig unklar, wie und woher sich die Gefängnisbehörden Nachschub besorgen. Helfen Bundesstaaten, die noch Vorräte besitzen, anderen bei Bedarf aus, oder beziehen sie den Stoff für die tödlichen Injektionen aus anderen Quellen?"


Illegal beschafft

In einem Bericht vom 13. April deckte die 'New York Times' auf, wie Gefängnisbehörden auf konspirative Weise versuchen, die Spuren der Beschaffung zu verwischen und die Kontrollen der Drogenbehörde zu umgehen. So berichtete Wendy Kelley, eine leitende Beamtin der Gefängnisbehörde von Arkansas, Kollegen aus Georgia hätten sie über eine Lieferung von Thiopental aus Großbritannien informiert. Darauf hin habe sie sich ins Auto gesetzt und den Stoff auf dem Umweg über Tennessee und Texas nach Arkansas gebracht. "Soweit ich weiß, haben die Leiter der Gefängnisbehörden vereinbart, ihre Vorräte untereinander kostenlos auszutauschen und bei Bedarf zurückzugeben", gab Kelley an.

"Anstatt angesichts der nationalen und internationalen Kritik an der Todesstrafe Hinrichtungen vorerst auszusetzen, hat sich Georgias Gefängnisbehörde die tödlichen Substanzen auf illegalem Weg besorgt, um zwei Männer in den Tod zu schicken", kritisierte die Vorsitzende der zivilen Organisation 'Georgians for Alternatives to the Death Penalty', Kathryn Hamoudah. "Jetzt ist die Bundesregierung eingeschritten und hat Georgia gezwungen, die über den Schwarzmarkt bezogenen Pharmaka herauszugeben." (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2011