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USA/347: Zentralamerika - Mehr Gelder zur Bekämpfung der Gewalt, USA sollen Hilfe verdoppeln (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. Mai 2012

Zentralamerika: Mehr Gelder zur Bekämpfung der Gewalt - USA sollen Hilfe verdoppeln

von Jim Lobe



Washington, 7. Mai (IPS) - Ein einflussreicher außenpolitischer Think Tank in den USA hat die Regierung von Präsident Barack Obama aufgefordert, die Finanzhilfen für Zentralamerika zu verdoppeln. Im Fokus müssten dabei Programme zur Stärkung der Strafrechtsbehörden stehen, die die sprunghaft gestiegene Kriminalität in der Region eindämmen sollten, erklärte der 'Council on Foreign Relations' (CFR).

Dies würde bedeuten, die jährlich rund 300 Millionen US-Dollar, die unter anderem vom Außenministerium im Rahmen der Regionalen Sicherheitsinitiative Zentralamerikas (CARSI) für Zentralamerika bereitgestellt werden, auf 600 Millionen Dollar aufzustocken. Die zusätzlichen Mittel könnten etwa in Schulungskurse zugunsten einer effizienten Umsetzung der Gesetze, in Schutzprogramme für Zeugen, Staatsanwälte und Richter sowie in Maßnahmen zur Verbesserung des Strafvollzugs investiert werden, geht aus dem kürzlich von CFR verbreiteten Bericht 'Countering Criminal Violence in Central America' hervor.

"Unterstützung zur Reduzierung der Gewalt in Zentralamerika sollte für die USA in der Region höchste Priorität haben. Diese ist eine reale Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit", sagte der Autor des Reports, Michael Shifter, der auch Vorsitzender der Denkfabrik 'Inter-American Dialogue' (IAD) ist. "Unsere Interessen, die in der Förderung von Handel und Investitionen sowie in der Bekämpfung des Drogenhandels liegen, können kaum effizient vorangetrieben werden, wenn die Gewalt in der Region nicht abnimmt."

Der 43-seitige Bericht legt nahe, dass die USA auch vor der eigenen Haustür kehren sollten, um die Missstände in den zentralamerikanischen Staaten zu mildern. CFR mahnte ein entschiedeneres Engagement gegen den US-Drogenkonsum und eine strengere Kontrolle der Waffenexporte an. Zudem sollten sich die USA um einen besseren Informationsaustausch mit den Regierungen in der Region über die Tausenden verurteilten Kriminellen bemühen, die jedes Jahr von den USA an ihre Heimatländer abgeschoben werden.

Der Think Tank riet außerdem dazu, guatemaltekischen Einwanderern ohne Papiere eine befristete Aufenthaltsgenehmigung zu gewähren sowie diese Genehmigungen für Salvadorianer und Honduraner über 2013 hinaus zu verlängern. Damit könnten Zehntausende Zentralamerikaner weiterhin in den USA arbeiten.


Gewalt im 'Nördlichen Dreieck' nimmt rapide zu

CFR reagiert mit der Untersuchung auf alarmierende Berichte über rapide ansteigende Verbrechenszahlen, vor allem im 'nördlichen Dreieck' zwischen Honduras, El Salvador und Guatemala. Mit mehr als 82 Morden pro 100.000 Einwohner verzeichnete Honduras 2010 offenbar die höchste Gewaltrate weltweit. Nicht weit dahinter folgt El Salvador mit 66‍ ‍Morden pro 100.000 Einwohner. Das sind etwa drei Mal so viele Gewaltverbrechen wie in Mexiko.

Diese ausufernde Gewalt hat nicht nur gesellschaftliche Traumata hervorgerufen, sondern den Ländern auch gravierende wirtschaftliche Verluste beschert. "Die direkten Kosten, die durch die Verbrechen verursacht werden, belaufen sich in etlichen zentralamerikanischen Staaten auf mehr als neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts", erläuterte der für Wirtschaftsangelegenheiten zuständige stellvertretende US-Außenminister José Fernandez auf einem CFR-Forum. Die Obama-Regierung hoffe, vor allem 2013 die Mittel für CARSI erhöhen zu können.

Ein Großteil der Gewalt in Zentralamerika wird auf Banden zurückgeführt. Die berüchtigsten Gangs - 'Mara Salvatrucha' (MS-13) und die 'M-18' - hatten ihren Ursprung in Einwanderervierteln in den USA. Zahlreiche Mitglieder der Banden wurden von dort aus in ihre Herkunftsländer abgeschoben, wo sie sich mit den Problemen konfrontiert sahen, die durch die langjährigen Bürgerkriege hervorgerufen worden waren. Laut dem Bericht gab es dort viele "demobilisierte und arbeitslose Männer, die leicht an Waffen herankamen".

In der jüngeren Vergangenheit sicherten sich mexikanische Drogenkartelle die Kontrolle über die wichtigsten Schmuggelrouten zwischen Süd- und Nordamerika. Dadurch stieg die ohnehin schon ausgeprägte Gewalt in Zentralamerika weiter an.


Think Tank sieht US-Regierung in der Verantwortung

Angesichts der Rolle, die die Vereinigten Staaten in den achtziger Jahren in den Bürgerkriegen in Zentralamerika gespielt hätten, und der Tatsache, dass schätzungsweise drei Millionen Zentralamerikaner in den USA leben, trägt das Land nach Ansicht von CFR eine "besondere Verantwortung" für eine Lösung der Krise. Auch der illegale Drogenkonsum in den USA, die Abschiebungen von Einwanderern und die laschen Waffenkontrollen heizen demnach die Gewalt weiter an.

Kolumbien, das nicht annähernd so enge Beziehungen zu den USA hat, erhielt zwischen 2000 und 2011 mehr als sieben Milliarden Dollar von Washington. Etwa ein Drittel der zurzeit für Zentralamerika bereitgestellten 300 Millionen Dollar an bilateraler Hilfe kommen vom Pentagon.

Wie Shifter erklärte, wenden sich die Regierungen der zentralamerikanischen Staaten, insbesondere der im 'Nördlichen Dreieck' wegen der zunehmenden Gewalt um Hilfe an das Militär. Guatemalas neuer Staatschef General a.D. Otto Pérez Molina hat bereits große Anstrengungen in diese Richtung unternommen, obwohl die USA der guatemaltekischen Armee seit 33 Jahren jegliche direkte Hilfe verweigern.

"Je mehr sich die Lage verschlechtert, desto mehr wächst der Druck auf die USA, die Militärhilfe aufzustocken", sagte der Experte, der die Regierung in Washington jedoch dazu aufforderte, dem Druck keinesfalls nachzugeben. Ähnlich äußerte sich Adriana Beltran vom 'Washington Office on Latin America' (WOLA). Die Streitkräfte in der Region auszubauen, sei keine Lösung. In dem CFR-Report heißt es, dass Militärhilfe "nur unter strengsten Auflagen" gewährt werden sollte.

Im Fall von Guatemala sollten demnach etwaige Überlegungen, das Verbot von Militärhilfe aufzuheben, von einer umfassenden Zusammenarbeit der Regierung mit der von der UNO eingesetzten Internationalen Kommission gegen Straffreiheit (CICIG) abhängig gemacht werden. Die Ahndung schwerer Menschenrechtsverstöße während des Bürgerkriegs, die Reform der Justiz und Unterstützung für die Staatsanwaltschaft sollten ebenfalls zur Bedingung erhoben werden. Der Bericht empfiehlt, das CICIG-Modell auch auf Honduras und El Salvador zu übertragen.

CFR hält es außerdem für notwendig, dass die zentralamerikanischen Staaten höhere Steuereinnahmen generieren und dieses Geld gezielt in den Kampf gegen Gewalt und Korruption sowie in den Ausbau der Sozialsysteme stecken. Im Durchschnitt beläuft sich das Steueraufkommen in der Region auf lediglich 17 Prozent des BIP und liegt damit noch unter dem Schnitt von Subsahara-Afrika. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.cfr.org/
http://www.state.gov/r/pa/scp/fs/2010/145747.htm
http://www.thedialogue.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107662

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2012