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USA/357: US-Militärhilfe für Zentralasien rapide gestiegen, Studie warnt vor Folgen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Oktober 2012

Zentralasien: US-Militärhilfe für Region rapide gestiegen - Studie warnt vor Folgen

von Carey L. Biron



Washington, 18. Oktober (IPS) - Die US-Militärhilfe an eine Reihe zentralasiatischer Staaten ist über die vergangenen Jahre rasant angestiegen. Wie aus einer Studie der 'Open Society Foundations' des US-Milliardärs George Soros hervorgeht, macht sie inzwischen ein Drittel der gesamten Hilfe für die Region aus. In den neunziger Jahren waren es noch fünf Prozent gewesen. Allein 2010 stellte Washington etwa 100 Millionen US-Dollar an Militärhilfe für Zentralasien bereit.

Der Zugang zu glaubwürdigen Zahlen sei begrenzt, meinte der Journalist Joshua Kucera, der Autor der Untersuchung. Viele dieser Hilfsprogramme könnten ohne vorherige öffentliche Bekanntmachung durchgeführt werden. "Die Regierungen der Empfängerstaaten machen die Hilfen nicht publik, weil sie den noch auf die Zeit des Kalten Krieges zurückgehenden Argwohn gegen das US-Militär nicht wieder schüren wollen."

Laut Kucera konzentrieren sich die USA darauf, die Spezialkräfte innerhalb der zentralasiatischen Armeen zu stärken, vor allem in Kirgisistan und Tadschikistan. Hilfen von beträchtlichem Umfang würden für nichttödliche Ausrüstung und leichte Waffen bereitgestellt.

"Die Militärhilfe für diese Länder wird bald in eine neue Phase eintreten", sagte Kucera. "Da die USA ihre Truppen bis 2014 aus Afghanistan abziehen wollen, werden sie einen Teil der Ausrüstung an ihre Partner in Zentralasien weitergeben", sagte Kucera am 16. Oktober in Washington. "Welche Art von Ausrüstung dies sein wird, wissen wir noch nicht."


Militärhilfe nach 9/11 aufgestockt

Die Hilfsprogramme für zentralasiatische Länder erlebten einen deutlichen Aufschwung unmittelbar nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Die gesamte Hilfe für die Region stieg 2002 um mehr als Doppelte auf 476 Millionen US-Dollar, wobei sich die militärische Unterstützung verfünffachte.

In den folgenden Jahren gingen die Zuwendungen etwas zurück, bis sich die US-Militärhilfe für Zentralasien 2007 und 2008 deutlich erhöhte, als Washington sein Augenmerk wieder auf Afghanistan richtete. Die Bedrohung durch extremistische Gruppen in Afghanistan erscheint nach wie vor als der Hauptgrund, weswegen die USA und die Regierungen in Zentralasien weitere beträchtliche Militärhilfen als notwendig betrachten.

Die Regierungen in der Region würden seit langem die Gefahr durch afghanische Gruppen hochspielen, um mehr internationale Unterstützung zu erhalten, betonte Kucera. "Man muss auch nicht weit unter der Oberfläche suchen, um zu sehen, dass die Hilfen vor allem damit gerechtfertigt werden, dass die Staaten mit den USA in Afghanistan zusammenarbeiten", sagte Kucera bei der Vorstellung seiner Recherchen. "Die USA brauchen diese Länder als Transitpunkte für Schiffstransporte nach Afghanistan."

2004 hatte der US-Kongress die Militärhilfe für Usbekistan wegen der Menschenrechtsverstöße in dem Land gekürzt. Im vergangenen Jahr wurden die Beschränkungen wieder aufgehoben, obwohl sich die Menschenrechtslage nicht verbessert hat. "Die USA brauchen die Zusammenarbeit Usbekistans im Nördlichen Verteilungsnetzwerk", erklärte Kucera und bezog sich damit auf die heikle westliche Nachschubroute nach Afghanistan, die an Pakistan vorbeiführt. In Pakistan waren NATO-Versorgungstransporte im vergangenen Jahr mehrmals von Extremisten angegriffen worden.

Die US-Regierung bestreitet, Militärhilfe als Belohnung für die Kooperation der zentralasiatischen Staaten in Afghanistan zu gewähren. "Diese Schlussfolgerung wird dadurch widerlegt, dass wir mit den Ländern Zentralasiens bereits seit deren Unabhängigkeit vor 20 Jahren Beziehungen unterhalten", sagte Lynne Tracy vom US-Außenministerium.

Tracy zufolge wird sich die US-Hilfe für die Region nach dem Truppenabzug aus Afghanistan 2014 nicht wesentlich ändern. "Trotz enger Budgets ist unsere Hilfe in den vergangenen Jahren stabil geblieben. Wie haben einige langfristige Interessen in der Region", erklärte sie. Für die Zeit nach 2014 gebe es Anlass zur Sorge, und es sei an der Zeit, sich darauf vorzubereiten.


Unterstützung autoritärer Staaten kritisiert

Die Unterstützung Washingtons für autoritäre Regierungen könnte andererseits aber den von den USA hochgehaltenen demokratischen Werten zuwiderlaufen. Kuceras Arbeit legt nicht nur nahe, dass die Militärhilfe mögliche Repressionsinstrumente der Regierungen stärken könnte. Zudem könnte Washington nach stillschweigenden Abmachungen über die US-Militärhilfe nicht mehr in die Lage sein, die Einhaltung strenger Regeln einzufordern.

Die USA förderten insbesondere die Ausbildung zentralasiatischer Spezialeinheiten, die aber bei einem Ausbruch von Unruhen als erste zum Einsatz kämen, gab der Journalist weiter zu bedenken. Die Wirksamkeit von Überprüfungsmechanismen hänge von dem politischen Willen der USA ab, dann einzuschreiten, wenn die Hilfen missbraucht würden. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.opensocietyfoundations.org/sites/default/files/us-military-aid-central-asia-who-benefits-20121015.pdf
http://www.ipsnews.net/2012/10/u-s-military-assistance-to-central-asia-highly-opaque/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Oktober 2012