Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → AUSLAND


USA/386: Rüstung - US-Golfgipfel als Waffenbasar (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Mai 2015

Rüstung: US-Golfgipfel als Waffenbasar

von Thalif Deen


Bild: © US-Außenministerium / Public Domain

US-Außenminister John Kerry im Gespräch mit seinem saudischen Amtskollegen Saud al-Faisal am 5. März in Riad vor der Teilnahme an einem Treffen des Golfkooperationsrates
Bild: © US-Außenministerium / Public Domain

NEW YORK (IPS) - Wollen die USA hochentwickelte Waffen an arabische Staaten verkaufen, müssen sie sich normalerweise an zwei Regeln halten: Zum einen dürfen diese neuen Rüstungsgüter den israelischen Waffensystemen nicht überlegen sein und zum anderen müssen sie selbst in den US-Waffenarsenalen vorhanden sein.

Vor dem Hintergrund des jüngsten Gipfeltreffens in Camp David mit den politischen Staats- und Regierungschefs der Golfstaaten hat die Regierung von US-Präsident Barack Obama eingeräumt, gegen Maßgabe Nummer zwei verstoßen zu haben. So erklärte Colin Kahl, nationaler Sicherheitsberater von US-Vizepräsident Joe Biden, dass die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) über die weltweit fortschrittlichsten F-16-Kampflugzeuge aus US-Herstellung verfügen dürften. "Diese sind noch fortschrittlicher als diejenigen, die von unserer Luftflotte geflogen werden."

Den sechs Mitgliedsländern des Golfkooperationsrats (GCC) - Bahrain, Oman, Katar, Kuwait, Saudi-Arabien und VAE - waren in Camp David weitere Waffen und Militärtraining zugesagt worden. Außerdem sicherte ihnen Washington zu, sie vor Raketenangriffen, maritimen Bedrohungen und Cyberattacken aus dem Iran zu schützen.


US-Sicherheitsgarantien für "unsere Golfpartner"

Ein gleichermaßen wichtiger Grund, die Staaten rüstungstechnisch zu stärken, ist das Bestreben, sie auf mögliche Angriffe der Terrormiliz 'Islamischer Staat' (IS) angemessen vorzubereiten. So garantierte Präsident Obama "unseren Golfpartnern", für deren Sicherheit einzutreten.

Dennoch waren die sechs Länder enttäuscht, dass sich die USA nicht zur Unterzeichnung gegenseitiger Verteidigungsabkommen bereit erklärt hatten, wie Washington sie mit Japan und Südkorea geschlossen hat. Nach wie vor zählen Ägypten, Bahrain, Israel, Jordanien und Kuwait (zusammen mit Pakistan) zu den "wichtigsten Verbündeten außerhalb der NATO".

Dazu meinte Kahl vor Journalisten: "Diese Regierung arbeitet außerordentlich eng mit den Golfstaaten zusammen, um ihnen den Zugang zu modernsten Rüstungsgütern zu ermöglichen." Auch wenn Washington die Nachfrage nach F-35, den fortschrittlichsten Kampfflugzeugen innerhalb der US-Luftwaffe, nicht bedient habe, so müsse festgehalten werden, dass man ein Paket für die Saudis geschnürt habe, das sie mit den modernsten F-15-Fliegern der Region ausgestattet habe.

Zusammengenommen haben die GCC-Mitglieder nach Aussagen Kahls im vergangenen Jahr fast 135 Milliarden US-Dollar für ihre Verteidigung ausgegeben, wobei die Saudis mit Einkäufen im Wert von mehr als 80 Milliarden Dollar führend gewesen seien. Im Vergleich dazu hätten die Iraner rund 15 Milliarden Dollar in ihre Verteidigung gesteckt, meinte der Sprecher in dem offensichtlichen Bemühen, die GCC-Staaten zu beruhigen. So haben sie Vorbehalte gegen das Atomabkommen angemeldet, das die USA und andere Großmächte derzeit mit dem Iran aushandeln.

Waffenlieferanten wie Frankreich und Großbritannien versuchen ihrerseits, einen Fuß in die Tür des immer größer werdenden regionalen Rüstungsmarkts zu bekommen. Der Nahost ist derzeit Schauplatz etlicher Konflikte wie im Irak, in Syrien, Libyen und im Jemen.

Pieter Wezeman, Wissenschaftler des Programms für Rüstungsausgaben des Internationalen Friedensforschungsinstituts in Stockholm (SIPRI), erklärte gegenüber IPS, dass sich die GCC-Staaten seit langem mit Waffen aus den USA und einigen europäischen Ländern eindecken.

Katar verfügt innerhalb des GCC über die wenigsten US-Waffen. Angenommen wird, dass die meisten Rüstungsgüter aus französischen, britischen und anderen europäischen Waffenschmieden stammen. Im vergangenen Jahr hatte Katar eine große Menge neuer Waffen in Europa, den USA und der Türkei eingekauft.

"Kein GCC-Land hat sich in den vergangenen vier bis fünf Jahrzehnten von einem einzigen Waffenlieferland abhängig gemacht", betonte Wezeman. Die USA, Großbritannien und Frankreich sind die Hauptlieferanten, die seit langem um die Gunst der GCC-Mitglieder buhlen.

In einem Beitrag über den GCC-Gipfel hatte William Hartung, Leiter des Projekts 'Waffen und Sicherheit' am 'Center for International Policy' und Berater des 'Security Assistance Monitor', den Gipfel in Camp David als "Waffenmesse, nicht diplomatisches Treffen" bezeichnet. Wie er weiter erklärte, hatte die Obama-Regierung ihre ersten fünf Amtsjahre dazu genutzt, um formelle Abkommen über den Transfer von Waffen und Verteidigungsdienstleistungen im Wert von 64 Milliarden Dollar an GCC-Mitglieder abzuschließen.

Davon seien drei Viertel Saudi-Arabien zugegangen, so Hartung. Im Angebot hätten sich Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, Radar- und Tankflugzeuge sowie Luft-Luft-Raketen, gepanzerte Fahrzeuge, Artillerie, Kleinwaffen und Munition, Streubomben und Raketenschilde befunden.


USA jederzeit in Nahost einsatzbereit

An jedem beliebigen Tag könnten die USA 35.000 Mann in der Golf-Region stationieren, versicherte Kahl. "Und während ich hier mit Ihnen rede, befinden sich der Flugzeugträger 'USS Theodore Roosevelt', der Lenkwaffenkreuzer 'USS Normandie' und der Raketenzerstörer 'USS Milius Aegis' vor Ort."

"Und wir verfügen über zehn Patriot-Raketensysteme für die Golfregion und Jordanien sowie über einen AN/TPY-2-Radar, bei dem es sich um einen besonders starken Radar zum Aufspüren von Raketen handelt, die von überall in der Region abgeschossen werden können." Alle diese Rüstungsgüter dienten dazu, "unsere Partner zu verteidigen, Aggressionen Einhalt zu gebieten, die freie Schifffahrt zu gewährleisten und Terrorismus und Massenvernichtungswaffen zu bekämpfen".

Wie Wezeman gegenüber IPS erläuterte, sind Frankreich und Großbritannien als Waffenlieferanten in der Region Nahost nach wie vor gefragt. So habe Katar beim französischen Unternehmen 'Dassault Aviation' die Rafale, ein zweistrahliges Mehrzweckkampfflugzeug, erworben, das das in die Jahre gekommene Mirage-2000-Mehrzweckampfflugzeug ersetzen soll. Auch die VAE denke darüber nach, seine vor zehn Jahren gekauften Mirage-2000-Flieger gegen die Rafale einzutauschen.

Saudi-Arabien wiederum hat in den letzten zehn Jahren in Großbritannien 'Typhoon'-Kampflugzeuge und US-F-15SA-Maschinen eingekauft. In den 1980er und 1990er Jahren standen britische Tornado-Kampfflugzeuge und US-F-15C-Luftjäger auf der Einkaufsliste des Golfstaats.

Oman hat sich erst kürzlich mit mehreren US-Mehrzweckkampfflugzeugen vom Typ F-16 und mit britischen 'Typhoon'-Fliegern eingedeckt, um die älteren US-amerikanischen F-16 und von Großbritannien gelieferten Jaguar-Kampflugzeuge einzumotten.


Waffenlieferstaaten gleich geblieben

"Bei den Rüstungsgütern von Armee und Marine lassen sich die gleichen Waffeneinkaufsverhalten beobachten. Von einer wirklichen Veränderung kann erst die Rede sein, wenn die GCC-Staaten in großem Stil Waffen aus Russland und China beziehen. Doch das ist noch nicht geschehen", so Wezeman.

Dass sich die GCC-Staaten bei bestimmten Rüstungsgütern lieber an die Europäer halten, führt der Experte auf das sogenannte 'Qualitative Military Edge'-Prinzip der USA zurück, durch das Lieferungen von Waffen, die Israel gefährlich werden könnten, ausgeschlossen werden.

Wie Wezeman weiter berichtete, hatten sich die USA lange Zeit geweigert, aus der Luft abgeschossene Marschflugkörper mit einer Reichweite von ungefähr 300 Kilometern an arabische Staaten auszuliefern. Daraufhin hätten sich Saudi-Arabien und die VAE an Großbritannien und Frankreich gewandt, um an solche Rüstungsgüter zu kommen. Doch inzwischen zeigen sich die USA weniger restriktiv und sind bereit, gewisse Raketentypen an beide GCC-Länder zu liefern.

Für interessant hält Wezeman in diesem Zusammenhang, dass US-Vertreter inzwischen wieder häufiger von dem militärischen Ungleichgewicht in der Golfregion sprechen. So seien die Ausgaben für Rüstungsgüter um das Neunfache höher als die des Irans. Diese Zahlen stimmen weitgehend mit denen des SIPRI überein. "Daraus ergeben sich Fragen über den offensichtlichen Mangel einer regionalen Waffenkontrolle und über die Gefahr einer einseitigen Beschaffung moderner Waffen durch die GCC-Staaten." (Ende/IPS/kb/19.05.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/05/u-s-hosts-arms-bazaar-at-white-house-arab-summ

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 19. Mai 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang