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BERICHT/056: Wirtschaftswissenschaften auf dem Prüfstand (idw)


Hochschule Bochum - 30.10.2014

Wirtschaftswissenschaften auf dem Prüfstand

Spannende Diskussionen und Vorträge bestimmen die 86. Bundesdekanekonferenz der Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule Bochum

Von Rüdiger Kurtz



Der Brite John Maynard Keynes zählt zu den bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts. Sein Anforderungskatalog an die eigene Berufsgruppe hat es in sich: "Ein Ökonom muss Mathematiker, Historiker, Staatsmann, Philosoph sein", so Keynes. Zudem müsse er "die Gegenwart im Lichte der Vergangenheit studieren für die Zwecke der Zukunft." Zumindest letzteres hatten sich auch die Wirtschaftsdekaninnen und -dekane, die aus ganz Deutschland sowie aus der Schweiz an die Hochschule Bochum gereist waren, vorgenommen.

Drei Tage diskutierten die Wissenschaftler intensiv über hochschulpolitische Themen unter dem Motto "Studium in Wandel". Svenja Schulze, NRW-Wissenschaftsministerin, hatte die Teilnehmer als Vertreterin der Landesregierung gemeinsam mit Bochums Oberbürgermeisterin Dr. Ottilie Scholz begrüßt. In ihrer Rede übte Svenja Schulze auch Kritik am Fachgebiet. "Die Wirtschaftswissenschaften müssen sich fragen lassen, ob sie sich nicht zu lange und zu eng am Mainstream orientiert und allzu mutlos dem 'klassischen' wirtschaftswissenschaftlichen Instrumentenkasten vertraut haben", so die Ministerin. Gerade deshalb brauche die Gesellschaft wirtschaftswissenschaftliche Forschung und Lehre. "Sie können einen wichtigen Beitrag leisten zur Bewältigung solch drängender gesellschaftlicher Herausforderungen wie der Energiewende, dem effizienten Umgang mit knappen Ressourcen oder der Gestaltung des Gesundheitswesens angesichts des demografischen Wandels", mahnte Svenja Schulze die anwesenden Dekaninnen und Dekane.

Wirtschaftsprofessorin Martina Meyer-Schwickerath führte dann mit ihrem Vortrag "Wer studiert heute?" in das Tagungsthema ein und belegte anhand von Statistiken eindrucksvoll die Veränderungen der Studierendenschaft im Fachgebiet Wirtschaft. "Die Heterogenität nimmt entscheidend zu", war eine der Kernbotschaften. So wächst die Nachfrage nach berufsbegleitenden Studiengängen und Weiterbildungsangeboten für Arbeitnehmer, die sich beruflich weiterqualifizieren wollen, kontinuierlich. Weiterhin steigen die Zahlen der Studierenden mit Migrationshintergrund und die der behinderten Studierenden. "Durch die Heterogenität der Studieninteressierten wächst auch die Notwendigkeit von Brückenkursen und anderen Angeboten, die das unterschiedliche Vorwissen ausgleichen", so Martina Meyer-Schwickerath.

Die spezifischen Probleme behinderter Studierender wurde in der Podiumsdiskussion "Vielfalt als Chance - Diversity, insbesondere Inklusion" unter Leitung von Professor Dieter Rüth thematisiert. Dabei wurde offensichtlich, dass sich die Bedingungen für behinderte Studierende in den letzten Jahren durchaus gebessert haben. "Es besteht aber nach wie vor großer Optimierungsbedarf", wandte sich Rüth insbesondere auch an die anwesenden Dekaninnen und Dekane.

Aladin El-Mafaalani, Professor für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Münster, sprach im Anschluss über Potenziale und Herausforderungen bei Bildungsaufsteiger mit und ohne Migrationshintergrund. "Menschen aus bildungsfernen Milieus mangelt es zumeist an Geld und Anerkennung", so El-Mafaalani: "Beides wird als besonders erstrebenswert angesehen und beeinflusst die Wahl des Studiengangs. Bildung wird in vielen Familien nur dann als sinnvoll erachtet, wenn sie einen unmittelbaren Nutzen bringt." Ingenieurwissenschaftliche Fächer oder Wirtschaft würden daher deutlich häufiger gewählt als beispielsweise künstlerische Studiengänge oder Sprachen. Dafür sei allerdings auch die Abbrecherquote häufig sehr hoch, da die persönliche Motivation fehle. "Gerade Türkei-stämmige Studierende bekommen Probleme, wenn sie sich von ihrem sozialen Umfeld emanzipieren und ihr eigenes Ding machen wollen", so El-Mafaalani.

In einem Impulsvortrag erläuterte Prof. Dr. Marcus Schröter die Vorteile von "Transdisziplinarität im Studium". Transdisziplinarität setzt dabei voraus, dass neben mindestens zwei Studienbereichen auch eine Beteiligung der Praxis aus Wirtschaft oder Politik vorgesehen ist. Als Beispiele wurden der neue Studiengang "Nachhaltige Entwicklung" an der Hochschule Bochum sowie das Solarcarprojekt, das seit Jahren über die Landesgrenzen hinaus für Aufmerksamkeit sorgt, genannt.

"Über eine präzise Analyse des Ist-Zustands in verschiedenen Bereichen versuchen wir Perspektiven und Ideen für die Zukunft der Hochschullandschaft zu entwickeln", erläuterte Gastgeberin und Wirtschaftsdekanin Eva Waller das Konzept der dreitägigen Veranstaltung.

Neben dem Fachprogramm wurde den Gästen auch die Möglichkeit geboten, Bochum und das Ruhrgebiet näher kennen zu lernen. Im Rahmenprogramm fanden sich unter anderem Besuche der Zeche Zollverein, des Folkwang Museums sowie des Rewirpower-Stadions. Beim gemeinsamen Abendessen in der Rewirpower-Lounge des VfL Bochum sorgte Reinigungsfachkraft "Waltraud Ehlert" alias Esther Münch für Ordnung. Mit schnoddrigem Ruhrpott-Charme und humorvoller Kritik an den "Damen und Herren Professoren" brachte das Bochumer Multitalent das Publikum immer wieder zum Lachen. "Wir haben versucht, unseren Gästen im Rahmenprogramm das positive Lebensgefühl im Ruhrgebiet zu vermitteln", erläuterte Dekanin Eva Waller. An den herzlichen und dankbaren Reaktionen bei der Abreise der Gäste konnte man ablesen, dass dies vollauf gelungen war.



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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Hochschule Bochum, Detlef Bremkens, 30.10.2014
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E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2014