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HOCHSCHULE/1797: Sachsen-Anhalt - Studienerfolg im demografischen Wandel (idw)


Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg - 14.08.2013

HoF/WZW-Berichte: Studienerfolg im demografischen Wandel



Das Institut für Hochschulforschung (HoF) und das Wissenschaftszentrum Sachsen-Anhalt (WZW) haben das Studienerfolgsgeschehen in Sachsen-Anhalt untersucht. Die Ergebnisse lassen sich vor dem Hintergrund bestehender demografischer Entwicklungen und der Vorleistungen des Schulsystems als Ausweis der Leistungsstärke der Hochschulen Sachsen-Anhalts bewerten. Zugleich sind damit Herausforderungen markiert, denen die Hochschulen in Zukunft begegnen werden.

Das Institut für Hochschulforschung (HoF) und das Wissenschaftszentrum Sachsen-Anhalt (WZW) haben das Studienerfolgsgeschehen in Sachsen-Anhalt untersucht. An mehreren Punkten erweisen sich die Hochschulen des Landes als erfolgreich:

• Die Hochschulen Sachsen-Anhalts vermochten es, einen Zuwachs an Studierenden innerhalb von zehn Jahren um fast 50 % zu bewältigen. Das starke Anwachsen der Hochschulbildungsbeteiligung konnte bisher bewältigt werden, ohne dass Studienabbrüche deutlich zunahmen. Die Erstabsolventenquote Sachsen-Anhalts konnte mit dem stark ansteigenden Bundestrend (seit 2000 +74 %) mithalten und weiter aufschließen (+146 % in Sachsen-Anhalt). Das heißt: Die studienberechtigten Schulabsolventen Sachsen-Anhalts - hier vor allem solche mit Fachhochschulreife - konnten gut in das Hochschulsystem überführt werden.

• Während die Zahl der Absolventen deutscher Hochschulen (mit Promotionen) von 2000 bis 2011 um mehr als 80 Prozent gestiegen ist, nahm sie in Sachsen-Anhalt um 134 Prozent zu. Betrachtet man nur die Absolventen des Erststudiums, so ist der Unterschied zwischen bundesdurchschnittlicher Steigerung der Absolventenzahlen und derjenigen in Sachsen-Anhalt noch deutlicher: bundesweit nahm die Zahl der Absolventen um 74 Prozent zu, in Sachsen-Anhalt um 141 Prozent.

• Die Erfolgsquote Sachsen-Anhalts in mathematischen und naturwissenschaftlichen Fächern liegt 2 Prozentpunkte über dem bundesdeutschen Durchschnitt.

• Die sachsen-anhaltischen Fachhochschulen liegen in den MINT-Fächern insgesamt, d.h. unter Einschluss der Ingenieurwissenschaften, über dem Bundeswert für Fachhochschulen: ein Prozentpunkt in Ingenieurwissenschaften und 15 Prozentpunkte in Mathematik/Naturwissenschaften.

Diese Ergebnisse sind vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklungen bemerkenswert. Die Hochschulen bauen wesentlich auf den Vorleistungen des Schulsystems auf. Letzteres bestimmt die zentralen Eingangsvoraussetzungen, mit denen die Studienanfänger ihr Studium beginnen. Die Schulen wiederum sind in hohem Maße von Bedingungen abhängig, die sie nicht beeinflussen können. Dazu zählt heute insbesondere der demografische Wandel:

• Die Gymnasien in Sachsen-Anhalt verloren von 2002 bis 2010 81 % ihrer Schüler. Die Zahl der Schulabsolventen mit allgemeiner Hochschulreife halbierte sich (-51 %).

• Die Studienberechtigtenquote wuchs mit rund drei Prozent wesentlich schwächer als im Osten insgesamt (+21 %) und im Westen (+34 %) Deutschlands. Sie lag 2010 mit 35,1 % 14 Prozentpunkte unter dem Durchschnitt aller deutschen Länder. Damit liegt Sachsen-Anhalt an letzter Stelle im Ländervergleich.

• Die Qualität der Schulbildung in Sachsen-Anhalt erreicht nach dem Deutschen Lernatlas den elften von 16 Plätzen.

• Hinsichtlich der Chancengerechtigkeit des Schulsystems belegt Sachsen-Anhalt im "Chancenspiegel" in den Dimensionen Integrationskraft, Durchlässigkeit sowie Zertifikatsvergabe Plätze in der unteren Gruppe. Zur Spitzengruppe zählt das Land danach hingegen in der Dimension der Kompetenzförderung.

• Bei der Studierneigung belegte Sachsen-Anhalt im Vergleich der Bundesländer im Jahr 2008 den 13. Platz.

Grundlage der angestellten Berechnungen ist ein zu diesem Zweck neu entwickeltes Berechnungsmodell. Der Hintergrund: Studienerfolgsquoten werden vom Statistischen Bundesamt als Landesgesamtwerte veröffentlicht. Für die einzelnen Hochschulen bzw. nach Fächergruppen der einzelnen Hochschulen differenziert liegen diese jedoch nicht vor. Darüber hinaus gibt es auf Bundesebene aggregierte fächergruppenspezifische Erfolgsquoten, differenziert nach Hochschularten, aber nicht für Länder.

Auf der Grundlage dieser Basiszahlen ist das Berechnungsmodell entwickelt und angewandt worden. Unter Hinzunahme von weiteren Hochschulkennzahlen können mit diesem mittels Regressionsanalyse und den hieraus gewonnenen Koeffizienten hochschul- und fachbereichsspezifische Erfolgsquoten berechnet werden. Damit ließen sich erstmals für Sachsen-Anhalt hochschul- und fächergruppenspezifische Studienerfolgsquoten ermitteln.

Weitere wichtige Ergebnisse sind:

• Die größte Differenz zum Bundeswert weisen die Hochschulen Sachsen-Anhalts in der Fächergruppe Medizin/Gesundheitswissenschaften auf (-18 Prozentpunkte). Die sehr hohe Erfolgsquote im Bundesmittel von 95 % ist eine Besonderheit dieser Fächergruppe.

• Die universitäre ingenieurwissenschaftliche Ausbildung in Sachsen-Anhalt (OvGU) liegt mit ihrer Abbruchquote deutlich unter dem Bundeswert (-13 Prozentpunkte). Doch in Mathematik/Naturwissenschaften entsprechen die beiden sachsen-anhaltischen Universitäten in etwa dem Bundesmittel (rund -1 Prozentpunkt).

• Die sachsen-anhaltischen Fachhochschulen liegen in beiden Fächergruppen über dem Bundeswert für Fachhochschulen: ein Prozentpunkt in Ingenieurwissenschaften und 15 Prozentpunkte in Mathematik/Naturwissenschaften.

• In der zahlenmäßig größten Fächergruppe Sachsen-Anhalts und Deutschlands, den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, liegen Universitäten und Fachhochschulen Sachsen-Anhalts jeweils um etwa 5 bis 8 Prozentpunkte hinter dem jeweiligen Bundeswert.

• Sehr ähnlich verhält es sich für Erfolgsquoten der Fächergruppe Sprach- und Kulturwissenschaften, der nach den Rechts-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und den Ingenieurwissenschaften drittgrößten Studierendengruppe. Die sachsen-anhaltischen Hochschulen unterschreiten den Bundeswert hier mit 7 Prozentpunkten.

Entgegen des vordergründigen Augenscheins: Vor dem Hintergrund der o.g. demografischen Entwicklungen und der Vorleistungen des Schulsystems müssen diese Werte als Ausweis der Leistungsstärke der Hochschulen Sachsen-Anhalts bewertet werden.

Zugleich sind damit Herausforderungen markiert: Insgesamt entspricht die Studienerfolgsquote Sachsen-Anhalts 92 % des Bundeswertes. Für die Zukunft wird es auf Grund des demografischen Wandels darum gehen, sowohl die Öffnung der Hochschulen voranzutreiben und damit eine zunehmende Heterogenität der Studierendenschaft zu verarbeiten als auch die damit erhöhten Abbruchrisiken nicht in ein Anwachsen der Studienabbruchzahlen münden zu lassen.

Zugleich wird es dabei für die Hochschulen Sachsen-Anhalts ein langfristiges Ziel sein müssen, ihre Studienkapazitäten dauerhaft auszulasten. Dies liegt ebenso im Eigeninteresse der Hochschulen, damit sie ihre Ausstattungen dauerhaft legitimieren können, wie mit dem Auslastungsziel auch eine der zentralen regionalen Funktionen der Hochschulen bedient wird. Dazu werden sich die Hochschulen in den demografisch schrumpfenden Regionen nicht allein auf die 'natürliche' Nachfrage verlassen können, sondern aktive Strategien der Kapazitätsauslastung verfolgen müssen. Handlungsoptionen sind hier insbesondere:

• Die Bildungswegentscheidungen werden vor allem auf Grund der Prognose getroffen, welche beruflichen Chancen sich mit dem jeweiligen Abschluss eröffnen. Daher sind hier aktiv kommunizierte Signale zu den Zukunftschancen notwendig: Bereits heute kann den Studienanfängern zahlreicher Studiengänge eine faktische Arbeitsplatzgarantie in der Region für die Zeit nach ihrem Studienabschluss gegeben werden.

• Sicherzustellen ist, dass möglichst breitgefächerte Fächerangebote regional verfügbar sind, um möglichst jedes individuelle Fachstudieninteresse in der Region bedienen zu können.

• Die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung kann verbessert sowie die zwischen Bachelor und Master weit offen gehalten werden: Beides signalisiert, dass an den Hochschulen Wert darauf gelegt wird, dass jeder seine individuellen Talente ausschöpfen kann und dabei keine künstlichen Barrieren im Wege stehen.

• Individuelle Studienwege sollten zugelassen und darüber hinaus explizit begünstigt werden. Es sollte keine formalen Gründe geben, die zur Abwanderung animieren.

• Hilfreich dürfte es sein, sich stärker als bisher den - in vielen nichtdeutschen Hochschulsystemen selbstverständlichen - Aufgaben der Studierendenbetreuung zu öffnen. Die verbreitete Rede von der "Hochschule als Dienstleistungsunternehmen" kann sich an dieser Stelle als eindrucksvoll umsetzbare Handlungsmaxime erweisen.

• Um den Anteil Studienberechtigter an den Jahrgangskohorten und der Übergangsquote Gymnasium/Hochschule zu steigern, ist der zentrale Ansatzpunkt, die vglw. niedrige Ausschöpfungsquote insbesondere der weiblichen Studienberechtigten anzuheben.

• Es sind Strategien zum Umgang mit zunehmender Heterogenität erforderlich, die sich dadurch ergibt, dass auch solche jungen Menschen für ein Hochschulstudium motiviert werden müssen, die für ihre individuelle Qualifizierung bisher eher nichtakademische Optionen präferiert hätten.

• Die Abwanderungsneigung von Hochschulabsolventen kann durch eine frühzeitige studienintegrierte Verbindung zur beruflichen Praxis gedämpft werden. So wird erlebbar, dass berufliche wie private Lebensperspektiven in der Hochschulregion gefunden werden können.


Sarah Schmid / Justus Henke / Peer Pasternack: Studieren mit und ohne Abschluss. Studienerfolg und Studienabbruch in Sachsen-Anhalt (HoF-Arbeitsbericht 1'13), Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität, Halle-Wittenberg 2013. 77 S.; auch unter www.hof.uni-halle.de/dateien/ab_1_2013.pdf

Thomas Erdmenger / Peer Pasternack: Eingänge und Ausgänge. Die Schnittstellen der Hochschulbildung in Sachsen-Anhalt (HoF-Arbeitsbericht 2'13), Institut für Hochschulforschung (HoF), Halle-Wittenberg 2013, 101 S.; auch unter www.hof.uni-halle.de/dateien/ab_2_2013.pdf

Weitere Informationen unter:
http://www.hof.uni-halle.de/aktuelles.htm
http://www.hof.uni-halle.de/dateien/ab_1_2013.pdf
http://www.hof.uni-halle.de/dateien/ab_2_2013.pdf

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution370

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Institut für Hochschulforschung (HoF) an der Martin-Luther-Universität
Halle-Wittenberg, Karsten König, 14.08.2013
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. August 2013