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INTERNATIONAL/050: Pakistan - Mit Bildung gegen Terror, Stiftung plant 141 'Friedensschulen' (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Januar 2015

Pakistan: Mit Bildung gegen Terror - Unabhängige Stiftung plant 141 'Friedensschulen'

von Zofeen Ebrahim


Bild: © Kulsum Ebrahim/IPS

In Pakistan haben die Taliban zwischen 2009 und 2012 mehr als 800 Schulen zerstört
Bild: © Kulsum Ebrahim/IPS

Karachi, 23. Januar (IPS) - Mehr als einen Monat nach einem Angriff der Taliban auf eine Schule im Norden Pakistans, der 141 Menschen - 132 davon Kinder - das Leben kostete, will eine lokale Nichtregierungsorganisation der überbordenden Gewalt in der Region mit Hilfe von 'Friedensschulen' beikommen.

Der Schock, den das Massaker in Peshawar, der Hauptstadt der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, landesweit ausgelöst hat, sitzt tief, und viele wollen Blut sehen. Anders die 'Citizens Foundation' (TFC). Sie wirbt für Friedenserziehung als den Weg, um den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen und Kindern zu ihrem Recht auf Bildung und eine friedliche Existenz zu verhelfen.

Dazu meinte der TFC-Geschäftsführer Syed Asaad Ayub Ahmad bei der Vorstellung der Kampagne: "Wir sind überzeugt, dass wir die immensen Herausforderungen nur mit Hilfe von Bildung bewältigen können, da sie die Fähigkeit besitzt, aufzuklären, bürgerschaftliches Denken zu vermitteln und die Menschen darin zu unterstützen, ihr Potenzial zu entfalten."

Im Verlauf ihres Vernichtungskrieges gegen westliche, säkulare Bildung, die sie als 'unislamisch' brandmarken, haben die pakistanischen Taliban zwischen 2009 und 2012 mehr als 830 Schulen zerstört. Sie bekannten sich auch zu dem Mordanschlag gegen die Schülerin und spätere Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai. Auch erlassen sie immer wieder Edikte, die insbesondere die Rechte von Frauen und Mädchen auf Bildung einschränken.

Das Attentat vom 16. Dezember auf die Schule in Peshawar war das bisher schlimmste im Lande, das auf das Konto der Taliban geht. Die Extremisten setzten Handgranaten ein und schossen wahllos auf alles, was sich bewegte. Später stellten sie die Tat als Vergeltungsschlag gegen die Militäroperation dar, die die pakistanische Armee gegen die Islamisten in Nord-Waziristan an der Grenze zu Afghanistan seit vergangenen Sommer durchführt.


Kreislauf der Gewalt durchbrechen

Während bewaffnete Extremisten und Regierungstruppen auf Gewalt nur mit noch mehr Gewalt reagieren, wollen die Mitglieder der TCF die Gesellschaft für längerfristige Zukunftslösungen für das zerrissene Land sensibilisieren. So sollen 141 Friedensschulen, benannt nach den Opfern des Massakers vom 16. Dezember, geschaffen werden.

Die 1995 gegründete Stiftung hat bislang etwa 1.000 'Schuleinheiten', in erster Linie Primar- und Sekundarschulen, geschaffen, in denen jeweils bis zu 180 Kinder unterrichtet werden können. Sie alle befinden sich in den Armensiedlungen von etwa 100 Städten.

Die 7.700 Lehrer, die bei der Organisation angestellt sind, werden gründlich ausgebildet, bevor sie ihre Arbeit aufnehmen. Bei den etwa 145.000 Schülern wird streng darauf geachtet, dass Mädchen und Jungen zu gleichen Teilen vertreten sind, wie TCF-Vizepräsidentin Zia Akhter Abbas erklärt.

In einem Land, in dem rund 25,02 Millionen Kinder - davon 55 Prozent Mädchen - keinerlei Bildung erhalten, könnte die TCF-Initiative in den kommenden Jahren viel bewirken. Die pakistanische Regierung stellt für den Bildungsbereich gerade einmal 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bereit.

Bild: © Zofeen Ebrahim/IPS

Etwa 25 Millionen Kinder im Schulalter erhalten keine richtige Ausbildung. Die meisten davon sind Mädchen
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"Unsere Aufgabe ist es, sicherzustellen, dass überall dort, wo es Schulen gibt, möglichst alle Mädchen und Jungen den Unterricht besuchen", sagt Abbas. "Wir glauben, dass sich die Gesellschaft automatisch verändern wird, wenn diese gebildeten und aufgeklärten Kinder einmal erwachsen sind."


"Wunderbare Möglichkeit, die unschuldigen Opfer zu ehren"

Das Projekt Friedensschulen erfährt landesweit eine breite Unterstützung. Der 24-jährige Usman Riaz, der das Berklee-Musikcollege in Boston besucht, hatte kürzlich die Einnahmen aus seinen gut besuchten Konzerten in Karachi der Stiftung gespendet. Die Schulen für den Frieden seien "eine wunderbare Möglichkeit, die unschuldigen Opfer zu ehren".

Um das Vorhaben vollständig in die Tat umzusetzen, bedarf es allerdings mehr als Spenden. Der Bau und die Einrichtung einer neuen Schule kosten etwa umgerechnet 148.000 US-Dollar. Somit werden für alle 141 Bildungszentren insgesamt rund 21 Millionen Dollar benötigt. Die Organisation, die 40 bis 50 Schulen im Jahr eröffnet, ist indes zuversichtlich, dass sie ihren Plan innerhalb von drei Jahren zu Ende bringen kann.

Viele Experten halten die Verschiebung des Fokus von Terrorismus auf Bildung für eine wirksame Waffe im Kampf gegen den zunehmenden religiösen Extremismus im Land. Der prominente pakistanische Aktivist A. H. Nayyar meint dazu, dass Bildung extrem wichtig sei, um Kindern ein Schicksal zu ersparen, das sie zu "Kanonenfutter für Extremisten" mache.

Ein 20 Punkte umfassender nationaler Aktionsplan, auf den sich alle politischen Parteien verständigt haben und der auf die vollständige Beseitigung des Terrorismus abzielt, sieht vor, dass die etwa 20.000 Koranschulen (Madrasa) registriert und reguliert werden.

Auch wenn die Madrasa eine Lücke im löchrigen Bildungssystem füllen, gelten die Schulen als Fundamentalistenschmieden, in denen religiöse Intoleranz gelehrt wird. Schätzungen zufolge werden sie von bis zu drei Millionen Kindern besucht.

Die Forderung, die Madrasa unter staatliche Kontrolle zu stellen, geht Nayyar nicht weit genug, um die Vermittlung eines verzerrten Geschichtsverständnisses und der Überbetonung islamischer Lehren zu verhindern. Er fordert überdies eine umfassende Reform der Lehrpläne an staatlichen Schulen, die sich nicht mit dem Aufbau eines modernen, progressiven Staates vereinbaren lassen.

Solange ein solcher Schritt ausbleibt, sind Initiativen wie das Friedensprojekt der TCF richtungsweisend. (Ende/IPS/ck/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/01/fighting-extremism-with-schools-not-guns/

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IPS-Tagesdienst vom 23. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2015


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