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UNIVERSITÄT/2436: "Unsere Gesprächsangebote sind mehrfach zurückgewiesen worden" (Goethe Uni Frankfurt)


Goethe-Universität Frankfurt - 3. Dezember 2009

Unsere Gesprächsangebote sind mehrfach zurückgewiesen worden"

Interview mit Universitätspräsident Prof. Werner Müller-Esterl zur Casino-Räumung am Mittwochabend


FRANKFURT. Im Laufe des Mittwochabends (2.12.) haben Polizeikräfte das seit Montag besetzte Casino auf dem Campus Westend der Goethe-Universität geräumt. Anlass dafür waren der zunehmende Vandalismus sowie konkrete Hinweise darauf, dass auch das benachbarte House of Finance in die Besetzung mit einbezogen werden sollte. Der Vandalismus hatte sich im Laufe des Dienstags unter anderem auf die Beschädigung wertvoller Kunstwerke ausgedehnt. Der Präsident der Goethe-Universität, Prof. Werner Müller-Esterl, schildert in einem Interview Hintergründe der Entscheidung.

Frage: Herr Prof. Müller-Esterl, am Abend des 2. Dezember haben Sie das Casino des Campus Westend durch Polizeikräfte räumen lassen. Was waren die Gründe dafür?

Antwort: Lassen Sie mich zunächst sagen, dass das Präsidium den gestrigen Schritt zutiefst bedauert. Wir erkennen das berechtige Interesse von Studierenden an, sich auf friedliche Weise für die Verbesserung der Studienbedingungen einzusetzen. Eine Diskussion über die Inhalte und Perspektiven der Bildung in Deutschland ist dringender denn je geboten Was nun die Räumung betrifft, so hatten wir letztlich keine andere Wahl mehr. Wir hatten es bereits nach zwei Tagen und Nächten Besetzung mit einem Gesamtschaden in sechsstelliger Höhe zu tun. Ein solches Ausmaß von blindem Vandalismus hätte ich selbst nicht für möglich gehalten. Konkreter Anlass für unser entschlossenes Eingreifen war jedoch vor allem, dass die Besetzter mehrere Gesprächsangebote von Seiten des Präsidiums ausgeschlagen haben.

Frage: Es wird behauptet, die Polizei sei gegen die Besetzer mit unangemessener Härte vorgegangen?

Antwort: Das muss ich entschieden zurückweisen. Der Polizeiansatz war maßvoll und erfolgte, soweit ich es beobachten konnte, mit großer Professionalität. Die vom AStA erhobenen Behauptungen, die Polizei sei gegen die 150 Besetzter mit unangemessener Härte vorgegangen, entbehrt jeder Grundlage. Das ist der untaugliche Versuch, aus Gewalttätern Helden zu machen.

Frage: Wie lief das Geschehen am Mittwochabend denn konkret ab?

Antwort: Bereits am Dienstagmittag hatten wir Strafanzeige gestellt. Nachdem sich abzeichnete, dass die Besetzer keinerlei Gesprächsangebote mehr akzeptierten und die Schäden im Gebäude immer bedrohlichere Ausmaße annahmen, habe ich mich in Abstimmung mit der Polizei entschieden, im Casino eine Erklärung zu verlesen. Vor etwa 300 Mitgliedern des Protestplenums habe ich zum Ausdruck gebracht, dass ich als Hausherr den Anwesenden eine letzte Frist von zehn Minuten zur freiwilligen Räumung des Gebäudes setze. Ich habe zugesichert, dass jeder, der im Verlauf dieser Frist das Gebäude freiwillig verlässt, mit keinerlei Strafverfolgungsmaßnahmen zu rechnen habe. Meine Aufforderung sind dann die meisten nachgekommen. Eine Minderheit von etwa 100 Personen ist dennoch im Gebäude verblieben. Hier ist dann die Polizei eingeschritten.

Frage: Was wurde denn konkret beschädigt?

Antwort: Das historische, unter Denkmalschutz stehende Casino, bietet ein Bild der Verwüstung, das sogar Medienbeobachter betroffen gemacht hat. Uns hat bereits eine Vielzahl von studentischen E-Mails erreicht, die zum Ausdruck bringen, dass sie das Vorgehen der Universität für angemessen halten. Was mich persönlich besonders getroffen hat, ist die Beschädigung der Heck-Grafiken im 1. Obergeschoss des Casinos. Welches Maß an Geschichtsvergessenheit müssen die die Randalierer haben, wenn sie in ihrer Zerstörungswut nicht einmal Halt machen vor einem von den Nazis verfolgten Künstler? Darüber hinaus weist der Parkettboden schwere Schäden auf, Toilettenanlagen wurde beschädigt und die Wände im gesamten Haus sind weitgehend verschmiert. (Fotos unter www.goethe-universität.de)

Frage: Was bedeutet das jetzt für Ihren bisherigen Kurs, mit Studierenden der Universität ins Gespräch zu kommen?

Antwort: Seit meinem Amtsantritt im Januar bemühe ich mich aufrichtig, unterstützt durch Vizepräsident Schubert-Zsilavecz, um eine Kultur des Dialogs mit den Studierenden. So finden beispielsweise regelmäßige Round Tables mit Studentinnen und Studenten sowie ein Jour fixe mit dem AStA statt. Zuletzt sollte am 24. November eine von AStA und Präsidium veranstaltete, hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion dazu dienen, die Diskussion um die Zukunft guter Lehre zu beflügeln. Ungeachtet der Räumung des Casinos wird das Präsidium der Goethe-Universität an dieser Linie auch festhalten.

Frage: Haben Sie Erkenntnisse, woher die Randalierer stammten. Waren Sie Studierende der Universität?

Antwort: Ich vermute, dass es sich bei den Randalierern zu einem wesentlichen Teil um reisende Chaoten gehandelt hat, die sie mal bei Mai-Demos in Berlin, mal an anderen Orten dieser Republik antreffen. Der überwiegende Teil der Casino-Besetzer war offenbar an einem friedlichen, grundlegenden Austausch über Bildungsfragen interessiert. Die wenigen Chaoten haben diese gleichsam als Schutzschild missbraucht, um ihr Mütchen zu kühlen.

Frage: Welche Schritte planen Sie als nächstes?

Antwort: Lassen Sie mich zunächst sagen, dass wir als Stiftungsuniversität für alle Schäden selbst aufkommen müssen. Das Land gibt uns keinen Cent dazu. Sollte sich die jetzt in Aussicht stehende Schadenshöhe am Ende tatsächlich bestätigen, wovon ich leider ausgehen muss, bedeutet das, dass wir dieses Geld an anderer Stelle einsparen müssen. Wir hätten das Geld lieber für wissenschaftliche Mitarbeiter oder Tutorien ausgegeben. Wir werden also zunächst bestrebt sein, unsere wertvollen und neuen Gebäude, deren Eigentümer wir sind, so gut es geht zu schützen - auch im Interesse aller unserer Studierenden, denen wir möglichst gute Studienbedingungen bieten wollen.

Frage: Bedeutet das, dass es bei weiteren Ausschreitungen auch zu weiteren Polizeieinsätzen kommen könnte?

Antwort: Wie gesagt, wir haben sehr lange auf eine Verhandlungslösung gesetzt. Wir haben die friedliche Besetzung des Casinos toleriert. Nachdem die andere Seite nicht kooperationsbereit war, sahen wir uns zur Räumung gezwungen. Wir werden auch künftig nicht mehr tatenlos zusehen, dass eine Minderheit gewaltbereiter Chaoten unseren schönen Campus zerstört.

Interview: Dr. Olaf Kaltenborn


Die Goethe-Universität ist eine forschungsstarke Hochschule in der europäischen Finanzmetropole Frankfurt am Main. 1914 von Frankfurter Bürgern gegründet, ist sie heute eine der zehn größten Universitäten Deutschlands. Am 1. Januar 2008 gewann sie mit der Rückkehr zu ihren historischen Wurzeln als Stiftungsuniversität ein einzigartiges Maß an Eigenständigkeit. Rund um das historische Poelzig-Ensemble im Frankfurter Westend entsteht derzeit für rund 600 Millionen Euro der schönste Campus Deutschlands. Mit über 50 seit 2000 eingeworbenen Stiftungs- und Stiftungsgastprofessuren nimmt die Goethe-Universität den deutschen Spitzenplatz ein. In drei Forschungsrankings des CHE in Folge und in der Exzellenzinitiative zeigte sie sich als eine der forschungsstärksten Hochschulen.


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Quelle:
Pressemitteilung vom 265 vom 3. Dezember 2009
Herausgeber: Der Präsident
Abteilung Marketing und Kommunikation, Postfach 11 19 32,
60054 Frankfurt am Main
Redaktion: Dr. Olaf Kaltenborn, Abteilungsleiter
Telefon (069) 798 - 2 39 35, Telefax (069) 798 - 2 85 30,
E-Mail kaltenborn@pvw.uni-frankfurt.de
Internet: www.uni-frankfurt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Dezember 2009