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IRAN/001: Domino - Jeder Stein ist wichtig ... (IALANA)


IALANA
Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen
Für gewaltfreie Friedensgestaltung
Deutsche Sektion der International Association Of Lawyers Against Nuclear Arms

IALANA-Memorandum zur Androhung von Militäreinsätzen gegen Iran

Berlin, 7. Dezember 2011


I.
IAEA-Bericht als Kriegsgrund?

Seit Oktober 2011 diskutiert Israel offen einen möglichen Angriff auf iranische Atomanlagen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Ehud Barak versuchen laut Presseberichten im israelischen Kabinett Zustimmung für ein militärisches Vorgehen zu gewinnen.(1) Grundlage ist die Befürchtung, Iran könnte in nächster Zeit zum Bau von Atomwaffen in der Lage sein.

Der neue IAEO-Generaldirektor Yukiya Amano hat dazu am 8. November 2011 (2) einen Bericht vorgelegt, in dem er den unter dem Vorgänger Mohammed el-Baradei am 27. Februar 2006 (3) veröffentlichten Bericht der IAEO aufgreift, die diesem zugrunde liegenden Informationen jedoch neu bewertet und - auch aufgrund nicht dargelegter Geheimdienst-Informationen - den konkreten Verdacht äußert, dass der Iran vermutlich an der Entwicklung eigener Atomwaffen arbeite.

Wörtlich: "Since 2002, the Agency has become increasingly concerned about the possible existence in Iran of undisclosed nuclear related activities involving military related organizations, including activities related to the development of a nuclear payload for a missile, about which the Agency has regularly received new information." (Ziff. 38)
"Since August 2008, Iran has not engaged with the Agency in any substantive way on this matter." (Ziff. 39)
"In line with that statement, the Annex to this report provides a detailed analysis of the information available to the Agency to date which has given rise to concerns about possible military dimensions to Iran's nuclear programme." (Ziff. 40)
"The information indicates that prior to the end of 2003 the above activities took place under a structured programme. There are also indications that some activities relevant to the development of a nuclear explosive device continued after 2003, and that some may still be ongoing." (Ziff. 45)

Die iranische Staatsführung behauptet demgegenüber, Iran habe seit 2003 alle Aktivitäten zur Entwicklung von Atomwaffen eingestellt. Das ist laut The New York Times vom "National Intelligence Estimate" der 16 us-amerikanischen Geheimdienste 2007 im Wesentlichen bestätigt worden.(4)

Im September 2008 hatte die IAEO dem Iran mangelnde Kooperation vorgeworfen. Der damalige IAEO-Generaldirektor Mohammed el-Baradei erklärte jedoch noch im September 2009, es gebe keine Beweise für ein iranisches Atomwaffenprogramm.(5)


II.
pacta sunt servanda

Iranische Politiker bestehen auf einem eigenständigen iranischen "zivilen" Atomprogramm, insbesondere auf dem durch Art. IV Nichtverbreitungsvertrag (NPT) gewährleisteten Recht auf Anreicherung von Uran. Israels Bevölkerung und Politiker sind verständlicherweise beunruhigt über den Verdacht, Iran entwickle Atomwaffen. Sie befürchten einen nuklearen Angriff auf Israel. Tatsächlich hat der Staatspräsident Irans Mahmud Ahmadineschad wiederholt öffentlich das Existenzrecht Israels in Frage gestellt und sich aggressiv gegenüber Israel gebärdet.(6) Auch Politiker anderer Staaten halten die Entwicklung des Iran zu einer weiteren Atomwaffenmacht für sehr gefährlich und destabilisierend.

Zu Recht fordert die Staatengemeinschaft vom Iran die Einhaltung des Nichtverbreitungsvertrags.

Sie verhalten sich allerdings widersprüchlich, wenn sie vom Iran den Verzicht auf die nukleare Anreicherung oder sogar den Verzicht der zivilen Nutzung der Nuklearenergie verlangen. Während sie dem Iran das Vorhalten von waffenfähigem Nuklearmaterial und die Anreicherung von Uran verbieten wollen, nehmen sie genau dies für sich in Anspruch. Selbst in Deutschland gibt es seit Jahren nach wie vor große Bestände an Plutonium und von hoch angereichertem waffenfähigem Uran.(7)

Von dem deutsch-niederländischen Unternehmen URENCO wird in Gronau/Emsland eine riesige Urananreicherungsanlage u.a. mit Kaskaden von Gaszentrifugen betrieben.(8) Eine Schließung dieser Nuklearfabriken oder ihre Übernahme in die Trägerschaft einer internationalen Instanz wird nach wie vor abgelehnt. Auch in Deutschland werden Forschungsreaktoren mit hoch angereichertem Uran oder anderen atomwaffenfähigen Brennstoffen betrieben (Forschungsreaktor II in Garching/München).


III.
Völkerrechtswidrige Atomwaffenprogramme

Die Atomwaffenstaaten und ihre Verbündeten verletzen selbst in gravierendem Maße fortlaufend den NPT, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen worden zu sein. Einige schwerwiegende Völkerrechtsverstöße seien nachfolgend in Erinnerung gerufen.

1. Artikel VI NPT verpflichtet alle Atomwaffen- und Vertragsstaaten, in redlicher Absicht Verhandlungen zur vollständigen Abschaffung von Atomwaffen zu führen und diese erfolgreich abzuschließen. Diese Verpflichtung ist vom Internationalen Gerichtshof in Den Haag am 8. Juli 1996 nochmals ausdrücklich bekräftigt worden. Verhandlungen über eine solche "atomare Nulllösung" sind jedoch bislang von den Atomwaffenstaaten und ihren Verbündeten stets verweigert worden.

Zwar ist seit dem Ende der Ost-West-Konfrontation die Zahl der weltweit verfügbaren nuklearen Sprengköpfe verringert worden. Bis heute gibt es jedoch nach wie vor ca. 23.000 nukleare Sprengköpfe, davon ca. 22.000 im Besitz der USA und Russlands. Sie haben jeweils eine vielfache Vernichtungskraft der Bomben von Hiroshima und Nagasaki. Weitere rund 1.000 nukleare Sprengköpfe entfallen auf Frankreich, das Vereinigte Königreich, China, Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea. Zur Zeit verfügen die USA über ca. 2.200 "strategische" Nuklearsprengköpfe (für land- und seegestützte Interkontinentalraketen und Langstreckenbomber), Russland über ca. 2.500. Nach Expertenschätzungen haben die USA ca. 800 einsatzfähige nukleare Trägersysteme, Russland ca. 560. Die USA und Russland halten bis heute jeweils ca. 1.000 Nuklearsprengköpfe in höchster Alarm- und Einsatzbereitschaft.

Das neue START-Abkommen soll bis 2017 die Zahl der einsatzfähigen "strategischen" nuklearen Sprengkörper auf landgestützten Interkontinentalraketen, Atom-U-Booten und Langstreckenbombern lediglich von je 2.200 auf je 1.550 senken und die Zahl der einsatzfähigen "strategischen" nuklearen Trägersysteme (Raketen und Bomber) auf jeweils 700 verringern. Zudem werden jeweils 100 Trägersysteme als Reserve erlaubt. Die nicht-strategischen Nuklearwaffen werden davon nicht erfasst.

Mithin werden auch nach der Umsetzung des START-Nachfolgeabkommens immer noch 20.400 US-amerikanische und russische Atomsprengköpfe das Leben auf der Erde unmittelbar bedrohen. Wirkliche Abrüstung sieht anders aus.

2. Die in den Nuklearstaaten und bei ihren Bündnispartnern verbliebenen Atomwaffen und ihre Trägersysteme wurden und werden fortlaufend modernisiert. Dementsprechend ist ihre Einsatzfähigkeit bis heute ständig erhöht worden. Die US-Regierung hat beim US-Kongress für die Jahre 2011 - 2015 zwei Milliarden Dollar Haushaltsmittel allein dafür durchgesetzt, um die B-61-Bomben zu modernisieren - sie lagern auch in Deutschland. Aus fünf alten sollen zwei "moderne" Bombenversionen werden. Diese Waffen sollen zudem an die nächste Generation nuklearfähiger Jagdbomber angepasst werden.

Die laufende Anpassung an die von ihnen selbst bestimmten strategischen Erfordernisse präsentieren die Atomwaffenstaaten der Welt bis heute als nukleare Abrüstung. Der US-Kongress hat eine Reduzierung der Zahl der US-Atomwaffen sogar in einem Gesetz an die Modernisierung des alten Atomwaffenarsenals gekoppelt.

3. Obwohl alle Nicht-Atomwaffenstaaten in Art. II NPT und Deutschland zusätzlich auch im sog. Zwei-Plus-Vier-Vertrag völkerrechtlich verbindlich auf jede unmittelbare und mittelbare Verfügungsgewalt über Atomwaffen verzichtet haben, wird innerhalb der NATO weiterhin die "nukleare Teilhabe" praktiziert. Zur "nuklearen Teilhabe" gehört insbesondere,
(1) dass Deutschland, die Niederlande, Belgien, Italien und die Türkei nach wie vor in der Nuklearen Planungsgruppe der NATO mitwirken,
(2) dass in geheim gehaltenen Bunkern in Deutschland, in den Niederlanden, in Belgien, Italien und in der Türkei nach wie vor eine unbekannte Anzahl Atomwaffen mit einer vielfachen Zerstörungskraft der in Hiroshima und Nagasaki eingesetzten Nuklearwaffen gelagert werden, die im Spannungs- oder Kriegsfall von den US-Streitkräften auch den Streitkräften dieser Nicht-Atomwaffenstaaten und damit auch Einsatzkräften der Bundeswehr für den Abwurf auf feindliche Ziele entgegen den Regelungen des Atomwaffensperrvertrages zur Verfügung gestellt würden, und
(3) dass die Bundeswehr - ebenso wie die Streitkräfte der genannten anderen NATO-Nichtatomwaffenstaaten - nach wie vor Atomwaffenträger in Gestalt der Tornado-Flugzeuge bereithält und regelmäßig mit einem im rheinland-pfälzischen Büchel stationierten Luftwaffenverband ("Jagdbombergeschwader 33" innerhalb der 2. Luftwaffendivision) Atomwaffeneinsätze übt.

4. Alle NATO-Staaten nehmen nach wie vor den sog. "Kriegsvorbehalt" in Anspruch. Danach soll der Nichtverbreitungsvertrag dann nicht mehr gelten, wenn "eine Entscheidung, Krieg zu führen, getroffen wird" ("in welchem Zeitpunkt der Vertrag nicht mehr maßgebend wäre").(9) Dieser öffentlich verschwiegene Kriegsvorbehalt macht damit den Nichtverbreitungsvertrag und das in ihm enthaltene Verbot der Weitergabe von Atomwaffen an Nicht-Atomwaffenstaaten im Spannungs- und Kriegsfall praktisch gegenstandslos und widerspricht fundamental dem zentralen Ziel des Nichtverbreitungsvertrages, Atomwaffen unter keinen Umständen an Nicht-Atomwaffenstaaten gelangen zu lassen. Genau diese Weitergabe im Spannungs- und Kriegsfall mit dem Ziel ihres Einsatzes sollte mit dem Nichtweiterverbreitungsvertrag verhindert werden.

5. Entgegen ihrer in Art. I NPT eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtung, Nicht-Atomwaffenstaaten bei der Entwicklung und beim Erwerb von Atomwaffen nicht zu unterstützen, tolerieren die USA seit Jahrzehnten nicht nur den Atomwaffenbesitz Israels, das (ebenso wie Indien und Pakistan) nicht Mitglied des NPT-Vertragssystems ist, sondern unterstützen Israels Atomprogramm finanziell, technologisch und politisch.

6. Toleriert wird auch das Atomwaffenprogramm des mit den USA verbündeten Pakistan. Pakistan wäre ohne die technologische Zusammenarbeit und Unterstützung von wichtigen Mitgliedsstaaten des Nichtverbreitungsvertrages - auch der USA und Deutschlands - kein Atomwaffenstaat geworden. Das Proliferationsverbot ist dabei grob missachtet worden.

7. Obwohl die Vereinten Nationen 1974 und 1998 gegen Indien wegen seiner Kernwaffentests Sanktionen verhängt haben, haben die USA zwischenzeitlich alle Sanktionen bilateral beendet und Indien in großem Umfang Zugang zu westlichen Atomtechnologien und zu nuklearem Material zugesagt und eröffnet. Damit haben die USA geholfen, unter Verstoß gegen den NPT den Status Indiens als neue Nuklearmacht zu legalisieren.

Auf Druck der USA hat die Gruppe der 45 Nuklearen Lieferländer (NSG), zu denen auch Deutschland gehört, weitere Nuklearexporte nach Indien genehmigt. Keine der beteiligten Regierungen - auch nicht die deutsche - hat dabei die Bereitschaft gezeigt, das Nichtverbreitungssystem zu verteidigen und die Zustimmung zur Ausnahmegenehmigung zu verweigern. Angesichts des Konsensprinzips hätte das den Deal verhindert. Die weiteren Mitgliedsstaaten des NPT wurden an dem Verfahren nicht einmal beteiligt.

8. Das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) (10) sieht in den §§ 16 ff KWKG10 nach wie vor Ausnahmen für das strafbewehrte Verbot des Besitzes, des Erwerbs und der Herstellung sowie des Umgangs mit Nuklearwaffen und die Forschung an Atomwaffen vor, soweit diese der Verfügungsgewalt von NATO-Staaten unterstehen oder in deren Auftrag entwickelt oder hergestellt werden.


IV.
Sanktionen nur im Rahmen des Völkerrechts

1. Mit der Androhung von einzelstaatlichen - letztlich auch militärischen - Sanktionen gegen den Iran setzen sich Staaten wie Israel und das Vereinigte Königreich über das für alle Staaten verbindliche Gewaltverbot in Art. II Nr. 4 UN-Charta hinweg. Das "Recht des Stärkeren" gibt dafür keine völkerrechtliche Legitimation. Eine bewaffnete Selbstverteidigung wäre völkerrechtlich nur bei einem bewaffneten Angriff zulässig. Die vereinzelt von Staaten in Anspruch genommene präventive Selbstverteidigung hat sich völkergewohnheitsrechtlich nicht durchgesetzt und ist unzulässig.(11) Ein militärischer Angriff auf iranische Atomanlagen durch einzelne Staaten oder Staatengruppen ohne Mandat des UN-Sicherheitsrats wäre ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg.

Die Befürworter eines militärischen Angriffs auf iranische Atomanlagen sollten sich erinnern: Für die eigenmächtige Bombardierung des irakischen Atomreaktors in der Nähe von Bagdad am 7. Juni 1981 ist Israel vom UN-Sicherheitsrat (Res. 487 vom 19.6.1981) einstimmig und scharf verurteilt worden.(12)

2. Mögliche Verstöße des Iran gegen die Verpflichtungen aus dem NPT und gegen das Zusatzprotokoll dürfen nur durch die Vereinten Nationen und die UN-Unterorganisationen, insbesondere die IAEO in dem dafür vorgesehenen Verfahren festgestellt und sanktioniert werden.

3. Aber auch der UN-Sicherheitsrat sollte keine militärischen Sanktionen beschließen oder sich nicht in eine dahin führende Sanktionsspirale verwickeln lassen. Die Konflikte um die angebliche oder tatsächlich drohende nukleare Bewaffnung des Iran und/oder weiterer Staaten können nicht militärisch, sondern nur im Verhandlungswege und durch Zusammenarbeit zwischen allen Konfliktparteien gelöst werden. Dafür könnte nach dem erfolgreichen Modell der KSZE, die wesentlich zum friedlichen Ende des Kalten Krieges beigetragen hat, die Einrichtung einer "Konferenz für Sicherheit und Abrüstung im Nahen und Mittleren Osten" eine hilfreiche Perspektive sein. Grundlage dafür muss der Grundansatz der gemeinsamen Sicherheit aller Staaten der Region sein. Kein Staat kann hinreichende und nachhaltige Sicherheit gegen andere und auf Kosten anderer Staaten erlangen.

Wer - zu Recht - die Atomwaffenfreiheit des Iran fordert, muss auch für die Atomwaffenfreiheit Israels, Pakistans und Indiens eintreten und die zwingenden völkerrechtlichen Verpflichtungen der Atomwaffenstaaten aus Art. VI NPT erfüllen. Auf zweierlei Maß ("double standards") lässt sich die Sicherheit vor nuklearer Vernichtung nicht gründen.


V.
Reform des IAEA-Kontrollsystems

Deutschland, Italien und Japan haben in den 1960er und 1970er Jahren bei den Verhandlungen über den Nichtverbreitungsvertrag und die Verifizierungsabkommen wirksame Kontrollen mit dem damaligen Hinweis auf den Ost-West-Konflikt und die Gefahren von "Industrie-Spionage" (auch durch befreundete Staaten) verhindert. Bis heute kann die IAEA grundsätzlich nur den nuklearen Spaltstofffluss auf der Grundlage von Eigenberichten und Materialbilanzen der kontrollierten Staaten verifizieren. Das 1997 beschlossene Zusatzprotokoll zum Verifizierungsabkommen hat zwar Fortschritte gebracht, ist aber von vielen Staaten noch nicht ratifiziert worden. Verdachtskontrollen gibt es nur sehr eingeschränkt und nur nach Voranmeldung. Unangekündigte Vor-Ort-Kontrollen fehlen ebenso wie unbehinderte freie Inspektions- und Ermittlungsrechte. Die Atomwaffenstaaten sind von den Verifizierungsmaßnahmen weitgehend ausgenommen.

Wirksamen Schutz von Personen, die Verstöße oder Kontrolldefizite aufdecken ("Societal verification") (13) gibt es bisher nicht.

Hier besteht dringender Nachbesserungsbedarf.

Auch muss die personelle und finanzielle Ausstattung der IAEA drastisch verbessert werden. Die etwa 350 Inspektoren weltweit reichen bei weitem nicht aus, um die große Zahl der Nuklearanlagen zu überwachen. Nur ein kleiner Teil (jährlich 293,7 Millionen US-Dollar, so 2009) des IAEA-Haushalts steht für die IAEA-Inspektionsabteilung zur Verfügung.

Wirksamere internationale Kontrollen sowie die Förderung und der Schutz von zivilgesellschaftlichen Hinweisgebern/Whistleblowern ("Societal Verification") würden die Unsicherheiten über die Aktivitäten der nuklearen Schwellenländer erheblich verringern, vertrauensbildend wirken und die Bereitschaft der Staaten erhöhen, den Vereinten Nationen und ihren Organen die Reaktion auf etwaige Verstöße gegen den Atomwaffensperrvertrag zu überlassen.

Ein großes Hindernis für die globale Reduzierung und Abschaffung der Atomwaffen ist und bleibt freilich letztlich die von vielen Staaten praktizierte Fortsetzung der sog. zivilen Nutzung der Atomenergie. Bei Abschluss des NPT sind die damit verbundenen Gefahren nicht erkannt worden, so dass die Förderung der sog. zivilen Nutzung der Atomenergie allen Vertragsstaaten in Art. IV und V NPT gewährleistet worden ist. Freilich ist kein Staat verpflichtet, diesen gefährlichen Weg weiter zu beschreiten. Klar ist allerdings: Jeder Staat, der die Atomenergie in Nuklearanlagen zivil nutzt, besitzt objektiv auch das Potenzial zur Entwicklung waffenfähigen nuklearen Spaltstoffes. Das gilt nicht nur für den Iran, sondern für alle Staaten, die Atomkraftwerke und Urananreicherungsanlagen betreiben, auch für Deutschland.

Die Verminderung der sog. zivilen Nutzung der Atomenergie - und erst recht ein Ausstieg aus dieser Art der Energieumwandlung - dienen deshalb letztlich in entscheidendem Maße dem Abbau der Proliferationsrisiken und helfen die Gefahren einer militärischen Nutzung der Nuklearanlagen zu beseitigen.

Die der IAEA von den Vertragsstaaten gestellte Doppelaufgabe, einerseits wirksame Kontrollen der nuklearen Aktivitäten der Nicht-Atomwaffenstaaten durchzuführen (Art. III NPT), gleichzeitig aber die sog zivile Nutzung der Atomenergie durch die Vertragsstaaten weltweit zu fördern (Art. IV und V NPT), steht auf Dauer dem zentralen Ziel entgegen, eine Weiterverbreitung von Atomwaffen wirksam zu verhindern (Art. I und II NPT) und eine vollständige Abschaffung aller Atomwaffen unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle zu erreichen (Art. VI NPT).



Anmerkungen:

(1) FAZ vom 3.11.2011 - www.faz.net/aktuell/politik/ausland/drohungen

(2) IAEA GOV/2011/65

(3) IAEA GOV/2006/15

(4) New York Times vom 3.12.2007 - www.nytimes.com/2007/12/03/world/middleeast/03cnd-iran;
Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte am 10. März 2009 den US-amerikanischen Nationalen Geheimdienstchef Dennis C. Blair: "Der Iran besitzt nach Einschätzung der US-Geheimdienste kein waffenfähiges Uran und hat auch noch nicht über dessen Herstellung entschieden."
http://de.reuters.com/article/worldNews/idDEBEE5290FW20090310

(5) Guardian vom 30.9.2009 - www.guardian.co.uk/world2009/sep/30/iranian-nuclear-weapon

(6) SPIEGEL ONLINE vom 15.1.2009 - www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,601497,00.html;
Handelsblatt vom 7.6.2011 - www.handelsblatt.com/politik/international/israel-ist-wie-ein-krebsgeschwür;
Textanalyse der Äußerungen von A. in www.ag-friedensforschung.de/themen/Medien/iran.html

(7) DER SPIEGEL vom 16.9.2011 - www.spiegel.de/wissenschaft/technik/0,1518,786737,00.html;
DER SPIEGEL vom 13.12.2010 - www.spiegel.de/spiegel/print/d-75638349.html;

(8) TAZ vom 25.4.2011 - www.taz.de/!69652/; www.urenco.com/contents/2/about-urenco.aspx

(9) vgl. dazu die dem Deutschen Bundestag vor der Ratifizierung des NPT vorgelegte Denkschrift des Auswärtigen Amtes der Bundesregierung, in dem die entsprechende US-amerikanische "Interpretationserklärung" ("Rusk-Brief"), die in der Bundestags-Drucksache 7/994, S. 17, veröffentlicht worden ist, aber öffentlich kaum zur Kenntnis genommen wird.

(10) Text unter www.fwr.de/fileadmin/Waffengetz/kgwg.pdf

(11) Michael Bothe in Wolfgang Graf Vitzhum, Völkerrecht, 4.A., Abschnitt 8, RdNr. 19; Fischer in Knut Ibsen, Völkerrecht, 5.A., § 59, RdNr. 29

(12) SR-Resolution - http://dacess-dds-ny.un.org/doc/RESOLUTION;
Deutschlandradio - www.dradio.de/dkultur/sendungen/kalenderblatt/506194/

(13) vgl. dazu u.a. Joseph Rotblat, Societal Verification, in: Rotblat/Steinberger u.a., A Nuclear-Weapon-Free-World: Desirable? Feasible?, 1998, S. 112 ff; Dieter Deiseroth, Societal Verification, 2008


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Quelle:
IALANA-Memorandum zur Androhung von Militäreinsätzen gegen Iran
vom 7. Dezember 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2011