Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → BRENNPUNKT

WESTSAHARA/051: Westsaharas Präsident bittet UNO um Hilfe, um die EU aufzuhalten (WSRW)


Western Sahara Resource Watch - Nachrichten, 17. Februar 2011, 08:30

Westsaharas Präsident erbittet dringend die Hilfe der UNO, um die EU aufzuhalten


Der Präsident der Republik Westsahara erbittet die Unterstützung des UNO-Generalsekretärs Ban ki-moon, um die EU davon abzuhalten, Westsahara auszuplündern. Die EU beabsichtigt, den Fischfang in den besetzten Territorien unter Verletzung der zentralen UNO-Grundsätze und eines entscheidenden UNO-Rechtsgutachtens zu verlängern.

Mohamed Abdelaziz, der Präsident der Demokratischen Arabischen Republik Sahara, appellierte am 14. Februar an Ban ki-moon, unverzüglich einzuschreiten, um die EU zu hindern, internationales Recht zu verletzen.

"Die Ausbeutung der Fischressourcen Westsaharas durch EU-Schiffe, ohne vorherige Absprache mit den und informierte Zustimmung der Repräsentanten des saharauischen Volkes, steht in direktem Widerspruch zum unveräußerlichen Recht des saharauischen Volkes, souverän über die eigenen Naturressourcen zu entscheiden. Solche Aktivitäten verletzen deshalb internationales Recht, die internationalen Menschenrechte eingeschlossen, und die entsprechenden Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen", erklärte Abdelaziz gegenüber dem UNO-Beamten.

Text des Briefes in vollem Umfang s.u.


*


I.E. Ban Ki-moon
Generalsekretär
Vereinte Nationen

14. Februar 2011

Eure Exzellenz,

Jetzt, da die Verhandlungen zwischen der Frente POLISARIO und Morokko unter der Obhut Ihres Persönlichen Westsahara-Beauftragten, Botschafter Christopher Ross, in eine intensivere Phase eintreten, muß ich Sie dringend auf die am 11. Februar 2011 von der EU-Kommission verkündeten Pläne aufmerksam machen, die Vereinbarungen mit Marokko über die illegale Ausbeutung der Fischressourcen vor der Küste Westsaharas zu verlängern. Sollte dies zur Umsetzung kommen, hätte das negative Auswirkungen auf den von Botschafter Ross durch harte Arbeit revitalisierten politischen Prozeß, dem der UNO-Sicherheitsrat und viele andere UNO-Mitgliedstaaten ihre Unterstützung zugesagt haben.

Resolution 65/109 der UNO-Vollversammlung ('Wirtschaftliche und andere Aktivitäten, die die Interessen der Völker der nicht-selbstregierten Territorien berühren') bekräftigt das Recht der Bevölkerung nicht-selbstregierter Territorien auf die 'Nutzung ihrer Naturressourcen und das Recht, über diese Ressourcen in ihrem Interesse zu verfügen'. Ich möchte daran erinnern, daß dieselbe Resolution fordert, daß Sie 'alle [Ihnen] zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, die Weltöffentlichkeit über jede Aktivität zu unterrichten, die die Ausübung des Rechts der Bevölkerung der nicht-selbstregierten Territorien auf Selbstbestimmung gemäß der Charta sowie der Vollversammlungs-Resolution 1514 (XV)' beeinträchtigt.

Am 11. Februar 2011 veröffentlichte die Europäische Kommission den Vorschlag - der Ende der Woche im Rat der Europäischen Union beraten werden soll -, das Protokoll über die Fischfangmöglichkeiten und die finanziellen Beiträge (das 'Protokoll') unter dem Fischereipartnerschaftsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem Königreich Marokko (das 'FPA') um den auf ein Jahr befristeten Zeitraum zu verlängern. Das Protokoll, das am 27. Februar 2011 ausläuft, führt die technischen Einzelheiten und Bedingungen auf, unter denen EU-Schiffen gegen einen jährlichen finanziellen Beitrag von 36,1 Millionen Euro, den die EU an Marokko leistet, das Fischfangprivileg eingeräumt wird.

Das FPA und sein Protokol gewähren EU-Schiffen das Fischfangrecht für die gesamte 'marokkanische Fischereizone', die Artikel 2(a) des FPA als 'die Gewässer, die unter die Hoheit oder die Rechtsprechung des Königreichs Marokko fallen' definiert. Das Protokoll schweigt sich jedoch praktischerweise über die südliche Ausdehnung der Fischereizone aus. In Übereinstimmung mit der Feststellung des Internationalen Gerichtshofs im Jahr 1975, daß zwischen Marokko und Westsahara keine Verknüpfung territorialer Souveränität existiert, hat kein Land der Welt jemals die marokkanische Souveränität über Westsahara anerkannt. In rechtlicher Hinsicht hat Marokko nicht die Souveränitätsrechte in den Gewässern vor der Küste Westsaharas inne, kann diese weder beanspruchen noch den Versuch unternehmen sie dort auszuüben, noch kann es seine Fischfangzone auf dieses Gebiet ausdehnen. Es ist darum seitens der EU rechtswidrig, sich auf Vereinbarungen mit Marokko zu stützen, um in Westsaharas Gewässern zu fischen.

Darüber hinaus hat die Regierung der Demokratischen Arabischen Republik Sahara (DARS) - ein Voll- und Gründungsmitglied der Afrikanischen Union, unter der Führung der Frente POLISARIO - die Gewässer vor dem Territorium Westsaharas am 21. Januar 2009 zur Ausschließlichen Wirtschaftszone ('AWZ') erklärt. Diese Erklärung wurde am 22. Januar 2009 den diplomatischen Missionen aller UNO-Mitgliedstaaten in New York und aller EU-Mitgliedstaaten in Brüssel zugestellt. Die Erklärung wurde in Übereinstimmung mit den entsprechenden Vorschriften des UNO-Seerechtsübereinkommens (1982) auch Ihrem Büro zugestellt, und wurde daraufhin in Ihrem Bericht zur Lage in Westsahara vom April 2009 (UN Doc. S/2009/200, Abschnitt 4) dokumentiert.

Trotz des obenstehenden wurde von der EU-Kommissarin für Fischerei und Maritime Angelegenheiten bestätigt, daß Marokko und die EU-Mitgliedstaaten seit Inkrafttreten des FPAs und seines Protokolls am 28. Februar 2007 unter Bezug auf dasselbe Fischfanglizenzen und -genehmigungen an Schiffe unter EU-Flagge ausgegeben haben, um ihnen - wissentlich - zu gestatten, in den Gewässern vor der Westsahara zu fischen.

Als Reaktion auf die Erklärung der AWZ durch die DARS im Januar 2009, hat das Europaparlament von seinem Rechtsdienst ein Gutachten über die Rechtmäßigkeit des Fischfangs von Schiffen unter EU-Flagge in Westsaharas Gewässern eingeholt. Aufgrund eines Rechtsgutachtens über die Erkundung und Ausbeutung von Westsaharas Naturressourcen, das dem UNO-Sicherheitsrat vom UNO-Rechtsbeirat im Januar 2002 vorgelegt worden war (UN Doc. S/2002/161), beschied der Rechtsdienst des Europaparlaments, daß die 'Rechtmäßigkeit im Sinne des internationalem Rechts erfordert, daß Wirtschaftsaktivitäten bezogen auf die Naturressourcen eines nicht-selbstregierten Territoriums zum Nutzen der Menschen in dem Territorium und in Übereinstimmung mit ihren Wünschen stattfinden'. (Gutachten des Parlamentarischen Rechtsdienstes SJ-0269/09 vom 13. Juli 2009, Absatz 27). Der Rechtsdienst zog den Schluß, daß es ohne den Nachweis, daß diese Bedingungen in den Konsultationen mit Marokko erfüllt wurden oder werden 'strengstens geboten ist', daß die Europäische Gemeinschaft entweder das Abkommen aussetzt oder es 'auf eine Weise anwendet, die ausschließt, daß Schiffe unter EU-Flagge die Gewässer Westsaharas ausbeuten'. (Absatz 34)

Mit einer Reihe von Briefen (einschließlich eines Briefs vom 1. März und vom 16. November 2010), die an die Europäische Kommissarin für Fischerei und Maritime Angelegenheiten weitergeleitet wurden, und diplomatischer Noten an die EU-Mitgliedstaaten in Brüssel (Diplomatische Noten vom 23. Januar 2009 und 31. Januar 2011) hat die Frente POLISARIO im Namen des saharauischen Volkes noch einmal hervorgehoben, daß der Fischfang europäischer Schiffe in Westsaharas Gewässern auf der Grundlage eines Abkommens mit dem Königreich Marokko den Interessen und Wünschen der Bevölkerung Westsaharas widerspricht. Weder sind die Menschen in Westsahara und ihre politischen Repräsentanten je in Verbindung mit den Aktivitäten von Schiffen unter EU-Flagge in den Gewässern vor der Westsahara konsultiert worden. Noch haben das saharauische Volk oder ihre Repräsentanten irgendeinen Nutzen aus dem EU-Fischfangaktivitäten unter dem FPA ziehen können.

Die Ausbeutung der Fischressourcen Westsaharas durch EU-Schiffe, ohne vorherige Absprache mit den und informierte Zustimmung der Repräsentanten des saharauischen Volkes, steht in direktem Widerspruch zum unveräußerlichen Recht des saharauischen Volkes, souverän über die eigenen Naturressourcen zu entscheiden. Solche Aktivitäten verletzen deshalb internationales Recht, die internationalen Menschenrechte eingeschlossen, und die entsprechenden Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen.

Jede Verlängerung der gegenwärtigen Vereinbarungen unter dem FPA ohne daß Westsaharas Gewässer ausdrücklich von seinem geographischen Geltungsbereich ausgeschlossen werden, würde nicht nur einer wissentlichen Fortsetzung eines internationalen Rechtsbruchs gleichkommen, sondern auch das Risiko einer möglichen Destabilisierung der ohnehin instabilen Lage in Westsahara in Kauf nehmen. Das wiederum hätte den Effekt, die aktuellen Bemühungen der UNO unter Ihrer werten Leitung um eine friedliche Lösung für den Konflikt, mit der die Selbstbestimmung der Menschen in Westsahara herbeigeführt wird, zu untergraben - ein Prozeß, den die EU und die UNO eigentlich zu unterstützen behaupten. Die Frente POLISARIO merkt in dieser Hinsicht an, daß die Frage der natürlichen Ressourcen Westsaharas derzeit in den Gesprächen zwischen der Frente POLISARIO und Marokko unter der Schirmherrschaft Ihres Persönlichen Beauftragten für Westsahara, Botschafter Christopher Ross, diskutiert wird. Die illegale Ausbeutung der Naturressourcen Westsaharas führt zu diesem Zeitpunkt zu Vorurteilen und einer Unterminierung dieser Debatten.

Herr Generalsekretär, ich appelliere an Sie im Namen des saharauischen Volkes, in dieser Angelegenheit sofort bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu intervenieren. Ich freue mich auf Ihre Zusammenarbeit und Ihr aktives Eintreten, gemeinsam mit allen Mitgliedstaaten das Recht des saharauischen Volkes auf Selbstbestimmung und seine dauerhafte Souveränität sowie sein souveränes Recht über die Naturressourcen Westsaharas sicherzustellen.

Mit vorzüglichster Hochachtung

Mohamed Abdelaziz
Generalsekretär der Frente POLISARIO
Präsident der Demokratischen Arabischen Republik Sahara



Anmerkungen der Schattenblick-Redaktion:

Link zum englischsprachigen Original:
http://www.wsrw.org/index.php?parse_news=single&cat=105&art=1861

weitere Informationen s.a.: www.fishelsewhere.eu


*


Quelle:
Western Sahara Resource Watch
Nachrichten, 17. Februar 2011
Internet: www.wsrw.org
Kontakt in Deutschland:
Axel Goldau, WSRW Deutschland
E-Mail: redaktion@kritische-oekologie.de
Tel.: (+49) (0)30/76 70 34 98
in einer Übersetzung des Schattenblick aus dem Englischen


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2011