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MELDUNG/513: Essen als politische Handlung (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 399 - Mai 2016
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Essen als politische Handlung
Bürgerinitiativen und Ernährungsräte mischen sich ein

Von Christine Weißenberg


Sie wollen in der öffentlichen Verpflegung Fleisch aus artgerechter Tierhaltung auf die Tische bringen und eine grundsätzliche Mitbestimmung der Menschen rund um die Art der regionalen Lebensmittelerzeugung etablieren. An verschiedenen Orten in Deutschland engagieren sich Menschen und schaffen gelebte Umsetzungsbeispiele für das Konzept der Ernährungssouveränität.

In München hat es das Aktionsbündnis "Artgerechtes München" mit den seit Mai 2015 gesammelten Unterschriften von 30.000 Menschen aus der bayerischen Landeshauptstadt und ihrer näheren Umgebung geschafft, dem Stadtrat den Auftrag zu geben, in seinem Wirkungskreis nur noch die Verwendung von Produkten aus artgerechter Tierhaltung zuzulassen. Gertraud Gafus, bayerische Bäuerin und Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), betonte die Bedeutung des Anliegens: "Lieber weniger und dafür was G'scheits. Mit dieser Einstellung haben wir Bauern, die Tierschutz und Ökologie hoch halten und nicht nur auf Massenproduktion setzen, eine Chance zu überleben. Und alle anderen Bauern haben eine Chance, diesen Weg einzuschlagen."

Ausschusshürden

Der Münchener Gesundheitsausschuss hat nun Mitte April immerhin eine Beschlussvorlage diskutiert, die sich mit der Definition von Lebensmitteln aus artgerechter Tierhaltung und ihren derzeitigen Verwendungsanteilen sowie Möglichkeiten, deren Umfang zu erhöhen, beschäftigt. Den Bündnismitgliedern gehen die Überlegungen und die vorsichtigen, wenig verbindlichen Schritte zur Ausdehnung auf z.B. maximal 30 Prozent des Einkaufsbudgets der Kantinen nicht weit genug. Am anderen Ende der Bundesrepublik, in der norddeutschen Hansestadt Bremen, hat das Agrarpolitische Bündnis Bremen einen ähnlichen Bürgerantrag mit rund 5.000 Unterstützern eingereicht. Hier wurde die Initiative zögerlicher als in München aufgenommen und zunächst an die Ausschüsse für Umwelt, Bildung, Finanzen und Gesundheit abgegeben. Das weitere Verfahren blieb bisher unklar, der größte Kritikpunkt bestand darin, der Begriff von "artgerechter Tierhaltung" sei nicht geklärt.

Ernährungsräte

Andere Bürgerinitiativen stellen sich als Diskussionsplattformen in Form von lokalen Ernährungsräten auf. Dabei handelt es sich um Politik begleitende Gremien, die zukunftsfähige Systeme für Ernährung und Landwirtschaft diskutieren und Ideen einbringen wollen, wie Lebensmittel lokal nachhaltig produziert, verteilt, verbraucht und schließlich entsorgt werden können. In Deutschland gründete sich Ende Februar der erste Rat in Köln, Ende April der zweite in Berlin. Der Grundgedanke ist, dass in Städten und Kommunen die komplexen, global vernetzten Zusammenhänge überschaubarer und die Einflussmöglichkeiten größer sind. Die Herausforderungen, die sich Ernährungsräte zur Aufgabe machen, sind vielfältig und unterscheiden sich regional je nach Ausgangslage, Interessen und der Zusammensetzung der Beteiligten. Themen sind dabei vor allem die Förderung urbaner Landwirtschaft, die Bekämpfung sozialer Benachteiligung im Ernährungssystem, die Verbesserung von Gemeinschaftsverpflegung in öffentlichen und sozialen Einrichtungen sowie die Stärkung der Beziehungen zwischen Menschen, die in der Stadt leben, und Bäuerinnen und Bauern aus dem Umland.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 399 - Mai 2016, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2016

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