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BERICHT/076: Tagung zum Thema "Ernährungspolitik der Zukunft" (aid)


aid-PresseInfo Nr. 10/10 vom 10. März 2010

Ernährungspolitik der Zukunft

Integrierte Gesamtstrategie gefordert


(aid) - In Deutschland leidet das Thema Ernährungspolitik als Querschnittsthema oftmals darunter, zwischen verschiedenen Ressorts und Politikebenen zersplittert behandelt zu werden. Verbraucherschutz, Gesundheitspolitik, Agrar-, Umwelt und Bildungspolitik spielen eine Rolle - und das auf EU-, Bundes-, Landes- und Kommunalebene. Deshalb haben die "Arbeitsgemeinschaft Ernährungsverhalten (AGEV)" und der "Verbraucherzentrale Bundesverband" Anfang März in Berlin die Teilnehmer ihrer Tagung dazu animiert, einmal über den Tellerrand hinaus zu sehen. Referenten aus verschiedenen Organisationen und Forschungseinrichtungen aus dem In- und Ausland sowie Bundespolitiker diskutierten unter anderem die Frage, wie sich Ernährungspolitik heute darstellt und wo Innovationspotenziale sind. "Eine Ernährungspolitik als Gesamtstrategie gibt es in Deutschland nicht", mahnte Dr. Stefan Etgeton vom Verbraucherzentrale Bundesverband. Die Verbraucherorganisationen kritisierten außerdem eine zu defensive und reaktive Politik, die zentrale Bereiche des Ernährungswandels nicht berücksichtige. Wandel sei nur schwerlich möglich, wenn das Feld der Ernährungspolitik den Vertretern von Partikularinteressen überlassen werde. Zivilgesellschaftliches Engagement sei zwar wichtig und wünschenswert, doch müsse die Politik die strukturellen Rahmenbedingungen setzen. Impulse dazu gaben Beispiele aus benachbarten europäischen Ländern, wo teilweise der präventive Aspekt der Ernährungspolitik stärker im Vordergrund steht, die ressortübergreifende Zusammenarbeit effizienter ist und eine andere politische Kultur herrscht.

Nach Aussage von Prof. Eva Barlösius, Institut für Soziologie und Sozialpsychologie der Universität Hannover konzentriert sich die Ressortforschung des Bundesernährungsministeriums überwiegend auf Landwirtschaft, während mehr Forschung zum Thema Ernährungsverhalten und Verhältnisprävention von Nöten sei. Es geht dabei um die Prävention von ernährungsassoziierten Erkrankungen durch die Veränderung der strukturellen Rahmenbedingungen (Verhältnisse). "Der Staat soll und kann nicht überall eingreifen. Verbote können nicht den Verstand ersetzen!", erläuterte Julia Klöckner, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. "Wir müssen die Souveränität der Verbraucher stärken." Doch der Verbraucher sei erst souverän, wenn er die notwendigen Informationen habe und auch die nötigen Instrumentarien zur Umsetzung handhaben könne. Als Beispiele für gelungene Informationsvermittlung nannte sie unter anderem die Ministeriumskampagne "IN FORM", sowie den aid-Ernährungsführerschein. Solche Initiativen müsse man zusammen fördern, statt auf Verbote zu setzen oder etwa gegen die Ansiedlung von Fast-Food-Ketten in der Nähe von Schulen vorzugehen. Dr. Margareta Büning-Fesel vom aid infodienst, Bonn warnte davor, dass es bei unkoordinierten Einzelaktionen ohne klare Richtung und Führung bliebe, wenn der Staat nicht insgesamt für eine Verbesserung der Ernährungspolitik sorge. Wichtig sei vor allem eine gemeinsame Strategie, bei der alle am gleichen Strang zögen. Es stelle sich die Frage, ob wirklich bei allen Beteiligten der Wille vorhanden sei, eine Gesamtstrategie umzusetzen, einzelne Aktionen wirkten eher wie Marketingkampagnen. "Solange alles auf eher freiwilliger Basis geregelt wird, kommen wir nicht weiter", so Büning-Fesel. Es brauche eine Verständigung darüber, wo es gesetzliche Direktiven geben sollte. Als gutes Beispiel kann die Vorgehensweise der skandinavischen Länder dienen.

aid, Friederike Eversheim


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Quelle:
aid-PresseInfo Nr. 10/10 vom 10. März 2010
Herausgeber: aid infodienst
Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz e. V.
Heilsbachstraße 16
53123 Bonn
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E-Mail: aid@aid.de
Internet: www.aid.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2010