Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → ERNÄHRUNG

BERICHT/164: Milchtagung - Statt zu wachsen auf Haltung setzen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 365 - April 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Statt zu wachsen auf Haltung setzen
AbL-Milchtagung zeigt aktuelle Situation und alternative Wege auf

von Christine Weißenberg



Welche Strategien entwickeln Milchviehbetriebe für sich und für die Milchvermarktung, welchen Einfluss hat das Ende der Milchquote und wo bleibt dabei die Qualität und das Ansehen der Milch? Diese Fragen zogen sich an Hand einer Reihe von Vorträgen am 4. März 2013 durch die gemeinsame Veranstaltung von AbL, KLJB (Katholische Landjugendbewegung) und Domäne Frankenhausen (Universität Kassel). 70 TeilnehmerInnen brachten nachdenkliche und ermutigende Sichtweisen ein: Deutlich machen sich die großen Wachstumssprünge vieler Betriebe in den Milchviehregionen bemerkbar und sorgen für Kopfschütteln wegen der dahintersteckenden hohen Abhängigkeit von Fremdkapital. Außerdem setzt solches Wachstum auf Kostensenkung durch Mengenproduktion und unterhöhlt so die Anstrengungen für einen stabilen, auskömmlichen Milchpreis durch Anpassung der Milchmengen an die Nachfrage. Mit einem Ansatz, der von der gängigen Denkweise abweicht, können mit inputreduzierten Wirtschaftsformen ebenfalls die Kosten gesenkt werden. Dazu zählt auch die direkte Futternutzung des Grünlands durch Weidehaltung.


Wieso mehr Kühe?

Einen Einblick in die aktuellen Entwicklungen einer Grünlandregion an der norddeutschen Küste vermittelte der niedersächsische Agrarberater Uwe Allers aus dem Landkreis Stade an der Elbe. Dort werden schon seit Jahren immer größere Ställe gebaut. "Es ist immer mehr Milch in den Landkreis reingekommen", fasste Allers die Bilanz aus Quotenzu- und -verkäufen zusammen. Die Zahl der Kühe ist dort insgesamt um 14 Prozent in sieben Jahren gestiegen. Dies zeigt sich auch im erhöhten Flächenbedarf für das Futter. Die zunehmende Biogasproduktion verschärft die Situation: knapp die Hälfte der Ackerflächen im Raum Stade wird mittlerweile mit Mais bestellt. Die Berater kennen drei Hauptgründe für das Wachstum der Betriebe: 1) Ein Hofnachfolger steigt in den Betrieb ein und es muss Einkommen für mehr Leute erwirtschaftet werden. 2) Fremdarbeitskräfte sollen ausgelastet werden. 3) Die sogenannte "Torschlusspanik" macht eine Standortsicherung vom Stallbau abhängig, bevor in der Gemarkung keine Aufstockung der Tierzahl mehr genehmigt wird.


Grenzen des Wachstums

"Begrenzende Faktoren für weiteres Wachstum sind heute die Verfügbarkeit von Flächen für Futter und zum Entsorgen der Gülle, Arbeitskräfte und Baugenehmigungen", stellt Allers nüchtern fest. Er sieht mit Skepsis, dass auf vielen Milchviehbetrieben inzwischen die Arbeitsorganisation im Vordergrund steht und nicht das Herdenmanagement. In der folgenden Diskussion wurde ein eher gesellschaftliches Problem angesprochen: Wenn in der Landwirtschaft einzig Größe und ökonomische Faktoren als Erfolg wahrgenommen werden und nur daraus Anerkennung gezogen werden kann, geht neben vielen anderen Faktoren die Bedeutung von Bäuerinnen und Bauern im ländlichen Raum verlören. Dem etwas entgegenzusetzen, eine andere Haltung einzunehmen, erfordert eine in sich ruhende Stärke, weiß Allers: "Betriebe, die bewusst nicht wachsen, müssen Rückgrat haben!"


"Alternative" Weidehaltung

Eine Form, in der Milchviehhaltung andere Wege zu gehen, ist eigentlich die ursprünglichste und entspricht den natürlichen Verhaltensweisen von Rindern am ehesten: die Weidehaltung. Lucas Kiefer von der Universität Stuttgart-Hohenheim hat sich, im Rahmen seiner Doktorarbeit, mit der Wirtschaftlichkeit von Milchviehbetrieben beschäftigt, die ihren Kühen Weidegang bieten. Ihn faszinieren als Vorteile die Akzeptanz der Verbraucher gegenüber dieser direkt flächenbezogenen Tierhaltung und die geringen Kosten für ein hochwertiges Grundfutter: Verglichen mit Silage verursacht die Weide nur ein Drittel der Kosten. In seiner Untersuchung hat Kiefer eine Auswahl sehr guter Weidebetriebe mit den Betriebsergebnissen von stallhaltenden Spitzenbetrieben des Rinderreports verglichen. Es zeigte sich, dass die besten Weidebetriebe wirtschaftlich mit den, im Sinne der Produktivitätssteigerung, viel gelobten Vorzeigebetrieben mithalten können.


Erfolgsfaktor für sich

Die Auswertung der Erfolgsfaktoren für die Weidehaltung ergab eindeutig, dass sich das System vor allem dann lohnt, wenn die Kühe ganztägig statt nur zeitweise auf der Weide grasen. Durch das eingesparte Vorlegen von Futter im Stall und den gleichzeitig stark reduzierten Einsatz von Kraftfutter überwiegt die kostengünstige Futterversorgung die vergleichsweise niedrige aber "ordentliche" Milchleistung der Tiere von etwa 6.000 bis 7.000 kg Milch. Ökologisch wirtschaftende Höfe schneiden besonders gut ab, weil sie einen deutlich höheren Milchpreis erzielen können. Als weiteren wichtigen Erfolgsfaktor nannte Kiefer ein auf saisonale Abkalbung abgestimmtes Fruchtbarkeitsmanagement, was zwar zu Arbeitsspitzen aber auch zu einer klaren Arbeitsverteilung und -effizienz im Jahresverlauf führen kann. Wenn die Kühe pünktlich zum Beginn der Weidesaison abkalben, überlagern sich die Laktationsphasen optimal mit dem Vegetationsverlauf des Aufwuchses auf der Weide. Allerdings gilt es zumindest zu bedenken, dass diese Praxis für viel Milch im Frühjahr und weniger im Herbst sorgt, was konträr zu den Anforderungen und Anreizen der Molkereien verläuft. Eine wichtige Einschränkung bringt das System der Weidehaltung mit sich: durchschnittlich 60 Prozent des Grünlands muss arrondiert zugänglich sein. "Bei einem Flächenbedarf von etwa 1,3 Hektar pro Kuh ist so eine natürliche Begrenzung der Betriebsgröße vorgegeben", sieht Kiefer diesen Punkt in einem positiven Licht für bäuerliche Strukturen.

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 365 - April 2013, S. 6
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2013