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BERICHT/202: Eine Genossenschaft geht neue Landwege (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 382 - November 2014
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Eine Genossenschaft geht neue Landwege
Aus einer Bürgerbewegung wächst unter anderem ein Handelsunternehmen

von Claudia Schievelbein



Die Landwege-Läden in Lübeck springen ins Auge. Modern und licht, irgendwie wie ein Biosupermarkt, aber auch doch nicht ganz so gesichtslos, weil voller Bauerngesichter, überhaupt Bio sieht man nur auf den zweiten Blick, regional ist das Stichwort das als erstes auf fällt. Eine Kette mit immer gleichem Schriftzug, aber doch nur in der alten Hansestadt. Aber Landwege, das ist auch ein Verein, der in Lübeck die Biobrotbox angeschoben hat, der Schulklassen der Stadt auf Höfe im Umland bringt, zur Wir-haben-es-satt-Demo nach Berlin mobilisiert, wie hängt das alles zusammen? "Neulich gab es in unserer Tageszeitung hier, den Lübecker Nachrichten, Berichterstattung zur Fleischerzeugung, da wurden Produktionsformen und auch Preise verglichen, und dann heißt es da: 'beim Discounter kostet das Schnitzel soundsoviel und bei Landwege soundsoviel', in Lübeck ist Landwege selbsterklärend das Synonym für Bio und regional, die Leute wissen was gemeint ist", sagt Klaus Lorenzen, einer der Landwege-Geschäftsführer. Zwei hat die Genossenschaft Landwege, sozusagen der wirtschaftliche Arm, mit 600 Genossen, unter denen die 30 Bauernhöfe in einem Umkreis von bis zu 100 Kilometern in Schleswig-Holstein sind, die rund ein Drittel ihres Umsatzes über die Vermarktung durch die Genossenschaft erwirtschaften. Vier Läden gibt es inzwischen in Lübeck, einen im nahen Bad Schwartau, rund 100 Mitarbeiter sind angestellt. Der politische Arm ist nach wie vor der Verein mit 20 bis 25 Mitarbeitern, der Bildungsarbeit zum Thema Umwelt und Landwirtschaft macht, kommunalpolitisch mitmischt und in gesellschaftlichen Bündnissen agiert. Das eine ist ursprünglich mal aus dem anderen entstanden, "wir werden oft immer noch als Bürgerbewegung in Lübeck wahrgenommen, das finde ich wichtig, nur Handel wäre mir zu wenig", sagt Lorenzen.


Anfang Garage

Wie so oft war es Tschernobyl, die Umweltbewegung der 1980er Jahre, die engagierte Lübecker den Verein Landwege gründen ließen mit dem Ziel, gesunde Lebensmittel aus dem Umland, Bio und bäuerliche Produkte von Höfen aus der Region in die Stadt zu bekommen. Wie auch so oft fing alles mit einer Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft in einer Garage an, und endete aber nicht, als Bio in die Supermärkte kam und Filialisten Biosupermärkte aufmachten. Aus der Garage wurde eine Doppelgarage, und schließlich der erste Laden, auf den auch Nichtmitglieder der EZG beim Vorübergehen aufmerksam wurden und dort einkaufen wollten. Es kam ein Zwei-Preis-System, aber auch das Gefühl bei den Verantwortlichen, dass man eine neue Basis brauche, um sich weiter zu entwickeln. "Wir redeten viel über Preise, dabei war doch die Regionalität, der Bezug zu den Höfen uns das Wichtigste", erinnert sich Lorenzen. So wurde Ende der 1990er Jahre die Genossenschaft gegründet. Jetzt gibt es Dividende und besondere Aufmerksamkeit für die Genossen, Fahrten zu den Höfen, besondere Konditionen bei den vielen Aktionen, die in den Läden stattfinden, aber nur noch einen Preis auf den Produkten. Aus den ursprünglich fünf bis sechs Höfen, die in die Garage lieferten, sind inzwischen 30 Genossen geworden, alle wirtschaften ökologisch, aber in unterschiedlichen Anbauverbänden, in Hofgemeinschaften oder klassischen Familienbetrieben. Für sie sind die Landwege eine sichere Bank, um einen Teil ihrer Produkte abzusetzen, oft Ergänzung zum eigenen Hofladen. Besonders ist die Vielfalt, so gibt es beispielsweise fünf Bäckereien, vier auf Höfen und einen Biobäcker in Lübeck, der das Getreide der Mitgliedsbetriebe verbackt. "Das ist erstmal ungewohnt für alle, die Kunden, denen wir klar machen müssen, dass nicht jedes Brot jeden Tag gebacken und geliefert wird", schmunzelt Lorenzen, "und mit jedem Bäcker kann ich das auch nicht machen." Es erfordere ein hohes Maß an Vertrauen und einen kontinuierlichen Austausch, damit man der Erwartung, jeden gleichgewichtig zu behandeln gerecht werde, so Lorenzen. Seit man sich gemeinschaftlich unter den Bäckern einmal im Jahr besuche, wachse die Begeisterung. Der Kunde im Laden merkt es an der überwältigenden Vielfalt am Backwarentresen, die in anderen Bioläden seinesgleichen sucht. Und wenn im Sommer Touristen durchs Blau, Gelb und Grün der ostholsteinischen Hügel radeln und gerne auch in den Hofläden der örtlichen Biobetriebe einkaufen, sind die Lübecker im Urlaub und gehen beim Italiener essen. Im Winter ist es eher anders herum, was beispielsweise den Bäckern eine ganzjährig kontinuierliche Beschäftigung beschert.


Viel reden

Die Vielfalt im Sortiment noch zu steigern und noch stärker zu individualisieren, ist eines der Ansinnen, die Lorenzen umtreibt. 30 % Regionales klinge nicht nach viel, räumt er ein, aber viel mehr an Urprodukten ist von den Höfen, die ja eben in der rauen norddeutschen Tiefebene liegen und nicht im Garten Eden kaum zu erwarten. Aber wenn es darum geht, noch eine etwas andere Salatsorte oder eine neue Art von Salami anbieten zu können, ist Kommunikation der zentrale Punkt. Man treffe sich zur Anbauplanung, bringe die Hofmetzger zusammen, spiegele den Käsern die Wünsche der Kunden, so Lorenzen, und versuche immer wieder Neues. Durch die Unterschiedlichkeit der Betriebe und die große Vielfalt beflügele man sich gegenseitig und profitiere. Die Höfe sind mehr als Rohstofflieferanten, sind nicht einfach austauschbar wie im übrigen Biohandel. Wenn Preisvorstellungen zu weit auseinanderliegen, greife man eben zum Telefonhörer und spreche und gehe nicht zum nächsten Anbieter.


Viel machen

Bindung und Transparenz sind denn auch vielleicht die größten Unterschiede zur Biosupermarktkette, für den Kunden auf den zweiten Blick sichtbar. "Für uns war tatsächlich vor Jahren die Frage, überlassen wir Lübeck den Filialisten oder machen wir es selber", blickt Lorenzen zurück. Die Entwicklung des Biomarktes war rasant, überall wuchsen die gut ausgeleuchteten, entrümpelten Märkte der 300 Quadratmeter Klasse aus dem Boden. Und Lübeck bot Potential. Medizinstudenten, sich weltoffen gebende Hansestädter, Touristen in einer Stadt, die mit Lebensqualität wirbt. "Wir haben es dann gemacht", heißt bei Lorenzen in relativ schneller Folge an attraktiven Standorten vier Läden. An einem ist eine Großküche angegliedert, die in den stylischen Bistros zwei Mittagstische anbietet. "Vor zehn Jahren hat man mal darüber geredet an Bistrotischen Kaffee auszuschenken, und jetzt verkaufen wir in einem Laden 70 bis 80 Mittagessen", Lorenzen sieht wie sich das Leben der Leute ändert, eine bunte Mischung komme in die Läden, regional sei immer wichtiger geworden und der Genuss. Natürlich ist ein Mittagessen vegan "das ist absolut hip." Als Leute anfingen, Landwege auf Facebook zu suchen und nicht fanden, hielt man kurz inne und beschloss dann Teil des sozialen Netzwerks zu werden. "Man kann viel schneller reagieren, wenn beispielsweise mal Kritik kommt", sagt Lorenzen, "muss das aber auch." Am Anfang sei er skeptisch gewesen, aber er sagt auch, dass "sich nirgendwo die Vielfalt dessen, was wir hier machen und wofür wir stehen, so gut abbilden lässt, wie auf Facebook."

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 382 - November 2014, S. 18
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2015


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