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FISCHEREI/227: "Kartoffeln bei die Fische" - erste Forschungsprojekte beginnen in Büsum (idw)


Innovationsstiftung Schleswig-Holstein - 27.08.2009

"Kartoffeln bei die Fische":
Erste Forschungsprojekte beginnen in der neuen Aquakulturanlage in Büsum


Obwohl die Ozeane überfischt sind, steigt der weltweite Fischkonsum. Fast jeder zweite Speisefisch stammt heute bereits aus industriellen Fischfarmen. Forelle, Wolfsbarsch und andere Fleisch fressende Fischarten werden dort mit Fischmehl gefüttert - einer immer knapper und damit teurer werdenden Ressource. Doch die Zukunft der Fischernährung könnte an Land liegen: Forscher der Uni Kiel untersuchen, inwieweit die Fische Proteine aus anderen Quellen vertragen - zum Beispiel aus Kartoffeln.

Es ist alles gut vorbereitet: Säuberlich beschriftet stehen die Eimer mit unterschiedlichem Futtermix im Kühlraum, in den Besatzbecken sprudelt bereits das Wasser. Wenn in diesen Tagen 560 Regenbogenforellen in Büsum eintreffen, beginnt in der gerade feierlich eingeweihten Forschungsanlage der Gesellschaft für Marine Aquakultur (GMA) die wissenschaftliche Arbeit. Gerade einmal 15 Gramm Körpergewicht bringen die Jungfische auf die Waage. Wie sie sich in den kommenden rund drei Monaten entwickeln werden, das herauszufinden ist Teil eines neuen Forschungsprojektes der Uni Kiel.

Während sich Regenbogenforellen in der Natur von Insekten und kleinen Fischen ernähren, bekommen sie in Aquakulturen wie andere carnivore, also Fleisch fressende Arten üblicherweise ein Futter, das bis zu 60 Prozent aus Fischmehl besteht. "Wir wollen untersuchen, in wie weit das Fischmehl durch Kartoffelproteine ersetzt werden kann", erläutert Doktorand Karsten Tusche vom Institut für Tierzucht und Tierhaltung.

Dieses Vorhaben ist sowohl von wissenschaftlichem als auch von ökonomischem Interesse. Fischmehl ist ein knapper werdender Rohstoff, der unter anderem als Futter-Beimischung in der Aquakultur und in der Schweine- und Hühnerhaltung verwendet wird. Eigentlich sollen Aquakulturen dazu beitragen, dass die Ozeane nicht weiter leer gefischt werden. Doch damit die künstliche Aufzucht gelingt, sind heute noch große Mengen Fischmehl nötig - Tendenz steigend. Die Fisch-Farming-Branche wächst kontinuierlich mit hohen Wachstumsraten.

So hat die Suche nach Alternativen längst begonnen. Pflanzliche Proteinquellen als Fischfutter einzusetzen ist nicht unproblematisch. Die Aminosäurezusammensetzung zum Beispiel bei Hülsenfrüchten, Ölsaaten oder Getreide ist für die Forellen ungünstig. Darüber hinaus sind manche der pflanzlichen Inhaltsstoffe unverdaulich oder nicht resorbierbar oder schränken gar die Aufnahme anderer Nahrungskomponenten ein. Damit können der Futterbeimischung von vornherein Grenzen gesetzt sein. Karsten Tusche nennt ein Beispiel: "Sojabohnen enthalten beispielsweise Hemmstoffe für die Proteasen Trypsin und Chymotrypsin - Enzyme, die für die Proteinverdauung unabdingbar sind. Eine zu hohe Konzentration im Futter könnte dazu führen, dass die Fische aufgrund der mangelhaften Eiweißverdauung schlecht gedeihen."

Hinzu kommt, dass die Wissenschaftler in ihrem Projekt das Ziel verfolgen, ein Futtermittel zu entwickeln, das den strengen Kriterien einer ökologischen Fischproduktion entspricht. Nach dieser Vorgabe müssen die pflanzlichen Proteine ohne Einsatz von Lösungsmitteln gewonnen werden. Daher scheiden Raps und Soja als Grundstoffe aus. Auch kann eine mangelhafte Aminosäurestruktur nicht durch Zugabe synthetischer Aminosäuren ausgeglichen werden.

So spricht alles für die Kartoffel als Rohstoff. "Die Zusammensetzung der Aminosäuren - insbesondere der essentiellen Aminosäuren - ist bei Kartoffelproteinen ausgewogen und optimal für den Bedarf der Forelle", sagt Tusche. Die Proteinisolate fallen als bisher ungenutztes Nebenprodukt bei der Herstellung von Kartoffelstärke an. Die Abtrennung erfolgt mit Hilfe von heißem Wasserdampf - "wie beim Pellkartoffel kochen zu Hause". Doch genau wie in Mutters Küche gibt es einen Spaßverderber: Glycoalkaloide.

Glycoalkaloide sind Bitterstoffe, die in Kartoffeln vorkommen. Zu ihnen zählt das toxisch wirkende Solanin, dessen Anteil steigt, je länger die Kartoffel dem Licht ausgesetzt ist. Deshalb soll man grüne Stellen der Knollen meiden. "Die Forellen haben feine Rezeptoren im Maul. Wir erwarten, dass sie auf im Futter vorhandene Bitterstoffe mit verminderter Futteraufnahme reagieren."

Für die Untersuchung kommen zwei Kartoffelproteinquellen zum Einsatz - ein von den Bitterstoffen weitgehend gereinigtes Eiweißprodukt und ein ungereinigtes. Die Forellen werden in Fütterungsgruppen unterteilt, jede Gruppe wird mit einer bestimmten Futtermixtur ernährt, wobei sich die Diäten neben der Kartoffelproteinart darin unterscheiden, wie groß der Anteil des Fischmehls ist, der ersetzt wurde - von Null bis 100 Prozent.

Zwei Millimeter groß sind die Futterpellets, die Karsten Tusche hergestellt hat und deren milligrammgenaue Zusammensetzung in Kiel analysiert wurde. Sie enthalten als weiteren Bestandteil unter anderem auch Markersubstanzen, mit denen die Verdaulichkeit des Futters später exakt nachgewiesen werden kann.

Bei Familie und Freunden hat sich Wissenschaftler Tusche erst einmal bis Oktober abgemeldet, weil er während der Studie der Forschungsanlage nicht länger als ein paar Stunden am Stück fern bleiben will. Schließlich müssen die Tiere nicht nur zweimal täglich gefüttert, sondern ihr Verhalten auch kontinuierlich beobachtet werden. "Wir arbeiten hier mit Lebewesen. Ihnen möglichst optimale Bedingungen zu schaffen, ist unsere Aufgabe."

Weitere Informationen unter:
http://www.gma-buesum.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution1001


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Innovationsstiftung Schleswig-Holstein, Sabine Recupero, 27.08.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2009