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FORSCHUNG/682: Die Probleme der Bauern erforschen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 320 - März 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Die Probleme der Bauern erforschen
Die Wissenschaft verabschiedet sich von einer kritischen Agrarpolitik

Von Marlene Herzog


Ende März tritt der 65jährige Prof. Dr. Onno Poppinga in den Ruhestand. Mit seiner Stelle am Fachbereich für Ökologische Agrarwissenschaft in Witzenhausen laufen auch die seiner Mitarbeiter aus. Eine kurzfristige Neubesetzung ist nicht vorgesehen. Die Arbeit des Professors und seiner Mitarbeiter hat sich immer an den Problemen bäuerlicher Betriebe orientiert. "Schwerpunkt sollte immer die Analyse der Agrarpolitik aus Sicht von kleinen und mittleren Bauern sein", so Götz Schmidt, langjähriger wissenschaftlicher Mitarbeiter von Poppinga. Dieser Ansatz findet sich selten. An anderen Hochschulen ist Agrarpolitik meist eindeutig Agrarökonomie und dient den Wachstumsbetrieben und dem Strukturwandel.

Viele Studentinnen trennen sich nur ungern von ihrem kritischen Lehrmeister und Querdenker Poppinga. "Sein Fachgebiet ist das Einzige, welches allgemeingültige Theorien und Erklärungsversuche in Frage stellt und kritisch beleuchtet." Maggi Seile studiert im 5. Semester. Was sie aus den Vorlesungen mitnimmt? "Zweimal hingucken und Vorgekautes nicht einfach schlucken".

Dass mit der Professur ein wichtiger Bestandteil der Lehre in Witzenhausen verschwinden soll, will ein Teil der Studenten nicht akzeptieren. Um auf das Thema aufmerksam zu machen, haben sie mit Diskussionen und Vorträgen die kritische Auseinandersetzung mit der Agrarpolitik in die Hörsäle gebracht.


Eine ungewöhnliche Geschichte

Ins Leben gerufen wurde der Lehrstuhl mit Prof. Dr. Onno Poppinga im Jahr 1975 von der damaligen Gesamthochschule Kassel. Damals trug die Stelle den Namen "Technologie der Landschaftsplanung" und gehörte dem Fachbereich Stadt- und Landschaftsplanung mit Sitz in Kassel an. Etwa zehn Jahre später erfuhr Onno Poppinga auf ungewöhnliche Weise eine Aufwertung und Stärkung seiner Arbeit. Das war im Jahr 1984. Damals führten Bauern der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) die Agrarverhandlungen bei den Koalitionsgesprächen mit der SPD. "Die Grünen hatten damals keine Kompetenz in Sachen Landwirtschaft", erinnert sich Poppinga. Neben Verhandlungen um Milchpreise und Existenzsicherung von Kleinbauern forderte die AbL-Nordhessen eine Forschung, die nicht am landwirtschaftlichen Wachstumsmodell orientiert ist. Die AbL-Bauern waren erfolgreich. Vier Mitarbeiter für einen Professor, statt der üblich Anderthalb. Und diese auf politischer Ebene durchgesetzt. Beides war für die Hochschule äußerst ungewöhnlich. Seit dem Wechsel von Kassel nach Witzenhausen im Jahr 2003 heißt das Arbeitsgebiet "Landnutzung und regionale Agrarpolitik".


Wichtig für den Öko-Landbau

Die Auflösung des Arbeitsbereichs hinterlässt in der bundesdeutschen Agrarpolitikforschung eine Lücke. Zwar gibt es in Witzenhausen eine weitere Professur für Agrarpolitik. Diese beschäftigt sich jedoch vornehmlich mit den Themen Entwicklungspolitik und Migration. "Die sozialwissenschaftliche Sicht auf die Agrarpolitik kann aus diesem Gebiet nicht geleistet werden", sagt Michael Wachendorf, Dekan in Witzenhausen. "Onno Poppinga hat hier eine gewisse Denkrichtung etabliert, die für den ökologischen Landbau wichtig ist."


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 320 - März 2009, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2009