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GENTECHNIK/468: Gentechnikgesetz vor Gericht (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 334 - Juni 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Gentechnikgesetz vor Gericht

Das Land Sachsen-Anhalt prozessiert gegen die Bundesregierung


Am 23. Juni wird vor dem Bundesverfassungsgericht über einen Normenkontrollantrag des Landes Sachsen-Anhalt in Karlsruhe verhandelt. Der Antrag auf ein Normenkontrollverfahren zur Überprüfung des Gesetzes zur Regelung der Gentechnik (GenTG) datiert aus dem Jahr 2005. Die damalige schwarz-gelbe Landesregierung reichte ihn kurz nach Verabschiedung des GenTGes unter Federführung des Wirtschaftsministers Rehberger ein. Vertreten wird das Land Sachsen-Anhalt in diesem Verfahren von der internationalen Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer. Diese vertritt nach eigenen Angaben international MandantInnen in wirtschafts- und technologierechtlichen Streitigkeiten. Auch der Gentechnikkonzern Monsanto gehört, nach Aussage des Pressesprechers, zu den Klienten.

Nach der Auffassung des Landes Sachsen-Anhalt werden durch das GenTG verschiedene Grundrechte beeinträchtigt. Im wesentlichen sind in der Klageschrift vier Regelungsbereiche angesprochen: Ansprüche wegen Nutzungsbeeinträchtigung, das Standortregister; die Vorsorgepflicht und gute fachliche Praxis sowie der Begriff des Inverkehrbringens bei Zufallsauskreuzung aus Freisetzungen.


Haftungsregelung

Aus den Haftungsbestimmungen des GenTG wird ein Eingriff in die Berufs- und Eigentumsfreiheit der Anwender abgeleitet. So schaffe die Regelung eine garantieartige Sonderhaftung des Nutzers von gentechnisch veränderten Pflanzen. Diese sei mit den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen der Koexistenzregelung verschiedener Anbauformen nicht zu rechtfertigen. Ökologisch wirtschaftende Betriebe und viele Landwirte, die auf Gentechnik verzichten, sind hingegen schon jetzt vom Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen betroffen. Um die Qualität ihrer Produkte belegen und garantieren zu können, müssen sie ihre Ernte auf eigene Kosten auf gentechnische Verunreinigungen analysieren lassen. Die getrennte Erfassung, der Transport und die Lagerung verursachen ebenfalls Mehrkosten zu Lasten des Produzenten.


Standortregister

Für die Betriebsplanung sowohl von Imkern als auch von gentechnikfrei arbeitenden Landwirten ist es von entscheidender Bedeutung, dass sie wissen, wo gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden. Insbesondere Imker sind hiervon betroffen. Bienen haben einen Flugradius von mehr als drei Kilometern. Sie stoppen nicht an Feldgrenzen und besuchen auch Gentechnikfelder. Das Land Sachsen-Anhalt indes argumentiert mit einer Verletzung des Grundrechts auf informelle Selbstbestimmung der Anbauer. Auch werde durch das öffentlich zugängliche Register der Anspruch auf Wahrung des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses ignoriert.


Gute fachliche Praxis

Eine besondere Vorsorgepflicht beim Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen sei nach Auffassung Sachsen-Anhalts nur dann gerechtfertigt, wenn hochrangige Schutzgüter wie Leben, Gesundheit oder auch Eigentum betroffen seien. Dem entgegen steht die von keiner Seite je bezweifelte Möglichkeit einer Auskreuzung, die in der Praxis immer wieder, unter anderem durch den Reisskandal in den USA, belegt wurde. Sie wird von den betroffenen Reisbauern sowie von den zuständigen Gerichten als Eingriff in die Eigentumsrechte verstanden. In der Begründung des Bundeslandwirtschaftministeriums zum Verbot des Gen-Mais Mon810 wird darüber hinaus auf "mögliche Schäden für die Umwelt" hingewiesen, die sich aus der Wirkung des in dieser Maissorte produzierten Gifts auf die Umwelt ableiten.


Auskreuzung

Dass Auskreuzungen vorkommen wird in der Klageschrift nicht bestritten. Man geht sogar davon aus, dass es zu Auskreuzungen kommen wird. Das Land Sachsen-Anhalt sieht hierin einen Verstoß gegen die Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 III GG. Begründet wird diese mit der Reichweite der Definition im Zusammenspiel mit den Haftungsregelungen. Jeder Freisetzungsversuch würde zu einem wirtschaftlich unkalkulierbaren Risiko, weswegen die auf Freisetzungsversuche angewiesene Forschung zum Erliegen käme.


Entscheidung im Herbst

Im Juni hat das Bundesverfassungsgericht eine mündliche Verhandlung anberaumt, bei der auch der Bund für Umwelt und Naturschutz sowie der Bundesverband ökologische Lebensmittelwirtschaft gehört werden. In keiner Weise in das Verfahren eingebunden sind die Imker, als eine der mit am heftigsten betroffenen Berufsgruppen. Dass am 26. Juni bereits ein Urteil gesprochen wird ist unwahrscheinlich.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 334 - Juni 2010, S. 12
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2010