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GENTECHNIK/566: Klonen und Klontechnik im Visier (PROVIEH)


PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2017
Magazin des Vereins gegen tierquälerische Massentierhaltung e.V.

Klonen und Klontechnik im Visier

von Sabine Ohm


Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) sind tief zerstritten, was Klonen und Gentechnik zur Nahrungsmittelerzeugung angeht. Deshalb gibt es keine oder nur völlig unzureichende Gesetze für Klone und ihre Nachkommen sowie für "gentechnisch veränderte Tiere". So zum Beispiel den in den USA bereits seit 2015 zugelassenen mit artfremden Genen manipulierten Lachs. Das gilt auch für die neuere, sogenannte Genchirurgie. Sie kommt zwar ohne artfremde Gene aus, wirft deshalb aber nicht weniger Fragen auf (siehe Infobox). Nun setzte ALDI Süd im März 2017 mit dem Ausschluss von Gentech-Tieren und Klonprodukten aus dem Sortiment ein sehr wichtiges Zeichen, statt auf den offenbar handlungsunfähigen Gesetzgeber zu warten.


Geklonte Hochleistungstiere

Das bisher von der EU-Kommission vorgeschlagene Verbot beschränkt sich nur auf Klontiere und ihr Fleisch. Das reicht nicht. Denn geklont werden Hochleistungstiere nicht zum Essen, weil sie dafür mit 15.000 - 25.000 US-Dollar pro Klon zu teuer sind. Vielmehr wird aus ihnen "Reproduktionsmaterial" gewonnen, wie Sperma zur künstlichen Befruchtung von Zuchttieren für die Produktion hunderttausender Klonnachkommen. Die können dann zum Beispiel als Hochleistungskühe zur Milchproduktion genutzt werden oder als Fleischrinder vermarktet werden. Auch Schweine, Schafe und andere "Nutz"tiere werden in Asien, Nord- und Südamerika bereits serienmäßig geklont.

PROVIEH setzt sich auf politischer Ebene sowie im Dialog mit dem Lebensmitteleinzelhandel aus guten Gründen bereits seit vielen Jahren wegen der unberechenbaren Folgen gegen Gentechnik und für ein umfassendes Verbot der Klonnutzung ein, da insbesondere das Klonen nachweislich mit sehr hohem Tierleid verbunden ist (vgl. auch Hefte 4/2010 und 2/2011). Klonnachwuchs ist häufig überproportional groß und muss oft per Kaiserschnitt zur Welt gebracht werden, was die Lebensqualität und die "Nutzungsdauer" - also Lebenszeit - der "Leihmütter" erheblich beeinträchtigt. Viel schlimmer ist aber noch die extrem hohe Sterblichkeit der Klone: Laut wissenschaftlicher Studien werden nur 6-15 Prozent der Rinder- und Schweineklone überhaupt lebend geboren. In den Wochen bis zum Absetzen von der Mutter stirbt etwa ein Viertel aller Klon-Kälber und -Ferkel sowie die Hälfte aller Klon-Lämmer unter anderem an Missbildungen, Herz-Kreislaufversagen, Atemwegsproblemen, Immunstörungen, Leber- oder Nierenversagen (siehe PROVIEH-Positionspapier). Weil aber die wenigen überlebenden Klone, zum Beispiel von Hochleistungsbullen, im Laufe ihres Lebens jeweils über eine Millionen Spermaportionen produzieren können, ist diese miserable "Geburtenrate" trotzdem rentabel.


Kein Gesetz in Sicht

Klon-Sperma wird deshalb schon seit Jahren in die EU und die ganze Welt exportiert, besonders aus den USA und da vor allem in der Milchviehzucht. Der EU-Gesetzesentwurf zur Regelung des Imports von Klonprodukten liegt immer noch brach - obwohl das Europäische Parlament den Rat und die Kommission der EU in den letzten zehn Jahren bereits mehrfach dazu aufgefordert hat, auch Klonnachkommen und Reproduktionsmaterial aus Klonen zu verbieten, zuletzt im September 2015. Inzwischen findet weder eine Rückverfolgung noch eine Etikettierung von Klonprodukten statt, obwohl dies dank der Zuchtbücher und der fortschrittlichen Technik gar kein Problem wäre. Es fehlt an politischem Willen. Das könnte daran liegen, dass die EU mit den USA und den südamerikanischen Mercosur-Ländern in Verhandlungen über Freihandelsabkommen steht. Die wollen weder eine Kennzeichnungspflicht noch Importverbote akzeptieren. Den EU-Verbrauchern sollen also trotz der manifesten ethischen und moralischen Bedenken der überwiegenden Mehrheit (siehe wiederholte Eurobarometer-Umfragen) Klonprodukte untergejubelt werden.


Gutes Vorbild: ALDI Süd

Doch daraus wird hoffentlich nichts, wenn erst das gute Beispiel von ALDI Süd Schule macht. Das Unternehmen hatte bereits in seinen ersten Tierwohlbestimmungen im Februar 2015 unter anderem Stopfleberprodukte, Hummer- und Kaninchenfleisch ausgelistet. Seit März dieses Jahres verweigert ALDI Süd neben Angorawollprodukten nun auch den Ankauf von Fleisch von hochtragenden Rindern (letztes Schwangerschaftsdrittel) sowie von gentechnisch veränderten und von geklonten Tieren und deren Nachwuchs.

Andere Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels sollten zügig folgen. Die komplette Auslistung, auch von Produkten aus Klonnachkommen, ist der wirksamste Weg, wenn die Herkunft vom Handel auch überprüft wird. Denn die EU und die deutsche Bundesregierung haben bei diesem Thema versagt: In der Koalitionsvereinbarung zwischen Unionsparteien und SPD steht kein umfassendes Importverbot, sondern nur eine Kennzeichnungspflicht für Fleisch aus Klonnachkommen und selbst die hat sie in ihrer fast vierjährigen Amtszeit nicht angepackt. Abgesehen davon würde eine Kennzeichnungspflicht gar nicht genügen, weil damit weiterhin großes Tierleid bei der Erzeugung von Klonen im Ausland billigend in Kauf genommen würde.


EU-Importverbot muss kommen

Deutschland und die EU stellen meist den Freihandel über alles. Einzige Ausnahme bisher: das EU-weite Importverbot für Robbenfellprodukte aus dem Jahr 2009. Es zeigt, dass die Welthandelsorganisation (WTO) eine Handelsbeschränkung aus ethischen Gründen, wie ein umfassendes Importverbot für Klone und ihre Nachkommen sowie ihre Produkte es auch wäre, dulden könnte.

Die Auslistung bei ALDI Süd zeigt, dass wenigstens der Einzelhandel zunehmend seine Verantwortung für die Erzeugungsmethoden der Produkte übernimmt, die er anbietet. Damit kann er bedeutende Impulse geben. Denn die EU, in deren Verträgen Tiere seit 1997 als fühlende Lebewesen eingestuft sind, sieht nun die unmittelbare Gefahr einer Spaltung des EU-Binnenmarkts. Um dies zu verhindern, müsste sie Tierschutzthemen und Verbraucherwünsche wie die Gentechnik- und Klonfreiheit der Nahrungsmittel endlich ernst nehmen.


Infobox: Gentech-Gefahr 4.0

Die neue Genchirurgie kann aus Erbgut Gen-Abschnitte entfernen oder einfügen. Damit könnte die Hochleistungszucht noch schneller noch größere Brustfilets, Rieseneuter etc. produzieren. Wieviel Tierleid dabei entsteht ist unbekannt. Auch wird an schwanzlosen und krankheitsresistenten Schweinen geforscht - zur Anpassung an unzureichende Haltungsbedingungen, statt diese zu verbessern?

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Quelle:
PROVIEH MAGAZIN - Ausgabe 2/2017, Seite 36-38
Herausgeber: PROVIEH - Verein gegen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. August 2017

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