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HUNGER/272: Westafrika - Der Hunger kehrt in die Sahelzone zurück, sofortige Hilfe angemahnt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Dezember 2011

Westafrika:
Der Hunger kehrt in die Sahelzone zurück - Sofortige Hilfe angemahnt

von Grit Porsch


Berlin, 19. Dezember (IPS) - Im Neuen Jahr könnte der Hunger in weite Teile der Sahelzone zurückkehren. Aufgrund einer spärlichen Getreideernte und stark dezimierter Herden droht Millionen Kleinbauern- und Wanderhirtenfamilien, die in dem Halbwüstengürtel im Niger, in Mali, Mauretanien und im Tschad leben, zwei Jahre nach der Hungerkatastrophe von 2009 eine neuerliche schwere Versorgungskrise. Doch anders als 2009 sollten diesmal die Alarmsirenen rechtzeitig schrillen. Internationale Agenturen und zivile Hilfsorganisationen fordern die Geber auf, vorbeugend zu helfen.

"Die Abstände zwischen diesen Krisen werden immer kürzer. Den Menschen bleibt einfach keine Zeit, sich davon zu erholen", warnte unlängst Thomas Yanga, Regionaldirektor des Welternährungsprogramms (WFP) auf einer Pressekonferenz.

Im Niger verloren nach Regierungsangaben 2009 arme Hirten in 14 Gebieten des Landes 90 Prozent ihres Viehbestandes. Mohammed Aly Ag Hamana, der für Niger zuständige Programmleiter der internationalen Hilfsorganisation 'Oxfam', erklärte gegenüber dem UN-Nachrichtendienst IRIN: "Man braucht mindestens drei Jahre, um eine kleine Schaf- oder Ziegenherde heranzuzüchten. Der Aufbau einer Rinderherde dauert bis zu zehn Jahre."

Hinzu kommen die Verteuerung der Nahrungsmittel in der Region um 40 Prozent sowie das Ausbleiben der Schecks heimischer Wanderarbeiter, die ihre Jobs in Libyen verloren haben. Nach Angaben des ständigen zwischenstaatlichen Komitees zur Prävention von Dürre im Sahel (CILLS) ging die Getreideproduktion in ganz Westafrika um 25 Prozent zurück, in Tschad und Mauretanien sogar um 50 Prozent.

Marietou Diaby vom Oxfam-Regionalbüro in Mali warnt, dass in Westmali die ersten Wanderhirten bereits mit dem Verkauf ihres Viehs begonnen haben, während Hirten in Mali, Niger, Tschad und Mauretanien schon seit November statt wie üblich im Januar auf der Suche nach Weiden in Nachbarländern unterwegs sind. In ihrem Monatsbericht warnen WFP und die Landwirtschaftsorganisation FAO vor drohenden Konflikten um Weideland.

In Mauretanien und Tschad gibt es bereits für die Hälfte der Herden nicht mehr genügend Weiden. Aktivisten warnen, dass der wegen des Futtermangels zu befürchtende massenhafte Verkauf von Vieh zu einem Preissturz führt und den Hirten das Geld für Lebensmittel fehlt.

"Zu dieser Jahreszeit sollten noch genügend Lebensmittel auf dem Markt sein", betonte Yanga. Doch in Mali wurde so wenig Hirse und Sorghum geerntet, dass die Händler auf dem Bagadadji-Markt in Malis Hauptstadt Bamako statt der Cerealien nur noch Korn verkaufen.


Nur langfristige Agrarinvestitionen können Abhilfe schaffen

Stephen Cockburn von Oxfam fordert langfristige Investitionen in die regionale Landwirtschaft, die selbst nach den Hungerkatastrophen der vergangenen Jahre ausgeblieben sind. "Nur mit Investitionen in eine nachhaltige Landwirtschaft und ein dauerhaftes Programm lässt sich die Armut in der Sahelzone bekämpfen", betonte er gegenüber IRIN.

Von ersten Verbesserungen im Krisenmanagement berichtete Oxfams Koordinator für Kampagnen, Eric Hazard. "In diesem Jahr funktionieren die Frühwarnsysteme, und die betroffenen Regierungen handeln rechtzeitig. Zudem versuchen einige Geber bereits, die drohende Versorgungskrise abzuwenden", berichtete er.

Die EU-Hilfsagentur ECHO kündigte Mitte Dezember Investitionen von 13 Millionen US-Dollar an. Der zentrale UN-Fonds für Soforthilfe hat das WPF, die FAO und das Weltkinderhilfswerk UNICEF zur Krisenprävention zusätzlich mit insgesamt sechs Millionen Dollar ausgestattet. "Weitere Hilfe wird dringend benötigt", so Cockburn. "Eine Wiederholung unserer früheren Fehler wäre unentschuldbar."

Oxfam verweist darauf, dass weiterhin gilt, was Jan Egeland, der ehemalige UN-Koordinator für Soforthilfe, immer wieder betont hatte, dass nämlich rechtzeitiges Handeln weit weniger kostet als kurzfristige Nothilfe. So hätte nach Egelands Angaben 2004 eine tägliche vorbeugende Sonderration für akut unterernährte Kinder im Sahel einen Dollar gekostet. Ein Jahr später mussten pro Tag 80 Dollar aufgebracht werden, um das Leben verhungernder Kinder zu retten. (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.oxfam.org/
http://cerf.un.org/
http://www.wfp.org/
http://www.irinnews.org/report.aspx?reportid=94466

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2011