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HUNGER/318: Kleinbauern von ihrem Land verdrängt - Welthunger nimmt zu (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. Juni 2014

Ernährung: Kleinbauern von ihrem Land verdrängt - Welthunger nimmt zu

von Stephen Leahy


Bild: © Monde Kingsley Nfor/IPS

Die Kleinbäuerin Ndomi Magareth auf ihrem Feld in Kamerun
Bild: © Monde Kingsley Nfor/IPS

Uxbridge, Kanada, 2. Juni (IPS) - Weltweit nimmt der Hunger zu, weil immer mehr Kleinbauern den Zugang zu Agrarland verlieren. Obwohl sie den Großteil der Nahrungsmittel produzieren, müssen sie sich inzwischen mit weniger als einem Viertel der gesamten Anbaufläche begnügen.

Wie aus einem neuen Bericht der Non-Profit-Organisation GRAIN hervorgeht, verdrängen kommerzielle Großfarmen, Biotreibstoffproduzenten und Bodenspekulanten Millionen Menschen von ihrem Grund und Boden.

"Kleinbauern verlieren in einem erschreckendem Ausmaß Land. Die Landreformbewegung kehrt sich damit in ihr Gegenteil um", warnt GRAIN-Koordinator Henk Hobbelink. "Wenn wir nichts dagegen tun, wird sich die Welt nicht mehr aus eigener Kraft ernähren können."

Dabei ist wäre dies kein Problem. Würden zum Beispiel alle zentralamerikanischen Farmen ihre Erträge miteinander abstimmen, könnte die Region drei Mal so viel Nahrungsmittel produzieren, geht aus dem Report 'Hungry for Land' hervor.

"Jeden Tag sind wir einer systematischen Vertreibung von unserem Land ausgesetzt", so Marina Dos Santos von der nationalen Koordinationsgruppe der brasilianischen Landlosen-Bewegung. "Wir wollen das Land, um dort zu leben und zu arbeiten. Das sind unsere grundlegenden Rechte gegenüber Landgrabbing-Firmen, denen es nur darum geht, mit unserem Land zu spekulieren und Profit zu machen."


FAO-Zahlen stimmen nicht

Mit der Entscheidung, 2014 zum Internationalen Jahr der familienbetriebenen Landwirtschaft auszurufen, würdigten die Weltagrarorganisation FAO und zahlreiche Experten die Bedeutung der kleinen Bauernbetriebe für die Welternährung. Sie überschätzten jedoch bei weitem den Anteil der Böden, die von den Kleinbauern bewirtschaftet werden.

"Ich traute meinen Ohren kaum, als die FAO erklärte, dass 70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche von Bauernfamilien bestellt wird. Dies widerspricht sämtlichen Erkenntnissen, die wir über kleine Agrarbetriebe gewonnen haben", betont Hobbelink.

GRAIN-Mitarbeiter untersuchten riesige Mengen von Daten aus aller Welt und Statistiken der FAO, um herauszufinden, wer wo was besitzt. In vielen Ländern lassen sich die Besitzverhältnisse nur schwerlich herausfinden. Auch variiert die Definition, was unter einem kleinen Agrarbetrieb oder einer Familienfarm zu verstehen ist. Manche großen Landgüter, die für Konzerne produzieren, befinden sich in Familienbesitz.

Laut Frederic Mousseau von der US-Denkfabrik 'Oakland Institute' könnten Kleinbauern die gesamte Weltbevölkerung von demnächst neun Milliarden Menschen ernähren, verfügten sie über das nötige Land. "Das gegenwärtige globale Nahrungssystem ist darauf ausgerichtet, Treibstoff und Lebensmittel an die westliche Welt zu liefern. Es geht gar nicht darum, so viele Menschen wie möglich zu ernähren", heißt es.


Simbabwes Kleinbauern erfolgreich

Die Regierung Simbabwes wurde von der internationalen Staatengemeinschaft heftig dafür kritisiert, dass sie im Jahr 2000 Agrarland zugunsten der Kleinbauern umverteilte. Inzwischen produzieren diese Farmer aber 90 Prozent der Nahrungsmittel des Landes, im Vergleich zu 60 bis 70 Prozent vor der Jahrtausendwende.

"In Simbabwe besitzen Frauen mehr Land als früher, ein Schlüssel für die Ernährungssouveränität", meint Elizabeth Mpofu, Generalkoordinatorin der Kleinbauernorganisation 'La Via Campesina'.

Seit der Nahrungskrise 2008/2009 stürzen sich Finanzinstitutionen aus aller Welt auf landwirtschaftliche Flächen. In den Entwicklungsländern investierten Investoren zwischen 2000 und 2011 in schätzungsweise 250 Millionen Hektar Ackerland. Sie betrachten Ackerland als sichere Geldanlage, vor allem in den USA, wo die Landwirtschaft Subventionen in Millionenhöhe erhält. Schätzungsweise zehn Milliarden US-Dollar seien derzeit verfügbar, um in den Agrarsektor investiert zu werden, heißt es in dem Bericht 'Down on the Farm' des Oakland Institute.

Während der kommenden 20 Jahre werden voraussichtlich etwa 162 Millionen Hektar Land, fast die Hälfte des US-amerikanischen Farmlandes, den Besitzer wechseln, weil sich die bisherigen Eigentümer in den Ruhestand verabschieden. Dem Report zufolge befinden sich institutionelle Anleger bereits in den Startlöchern, um dieses Land zu erwerben. (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/05/small-farmers-loss-land-increases-world-hunger/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juni 2014