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INTERNATIONAL/040: In Paraguay wächst der Widerstand gegen den Sojaanbau (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 355 - Mai 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Eine Landwirtschaft, die das Leben verteidigt"
In Paraguay wächst der Widerstand gegen den Sojaanbau

von Steffi Holz



"Es geht los!", gibt Gerónimo Arévalos das Signal. Entschlossen eilen Männer, Frauen und Kinder durch kniehohe Sojapflanzen auf einen Traktor zu. Laut rufen sie Sprechchöre, einige sind mit Knüppeln bewaffnet. Der Fahrer wird jeden Augenblick damit beginnen, das Pestizid Roundup zu versprühen. Zielstrebig stellen sich ihm die Kleinbauern in den Weg, so dass er stoppen muss. Polizei rückt an, die Situation droht zu eskalieren. Gerónimo erklärt, warum sie nicht weichen werden, bis der Traktor umdreht: "Das ist ein Angriff auf die Gesundheit und das Leben unserer Gemeinde, den wir nicht länger dulden!"


Raising Resistance

Mit dieser Szene beginnt der Dokumentarfilm "Raising Resistance" über den Widerstand der Kleinbauern und der Landbevölkerung in Paraguay gegen die immer größer werdenden Sojaplantagen, die sich das fruchtbare Land einverleiben und die Einheimischen vertreiben. Das kleine Land im Herzen Südamerikas ist heute weltweit der viertgrößte Sojaexporteur. Im vergangenen Jahr wurden über sieben Millionen Tonnen geerntet. Von Brasilien aus hielt die "grüne Revolution" in den 1970er Jahren mit den ersten Sojamonokulturen Einzug. Heute erstrecken sich in weiten Teilen des Landes in alle Himmelsrichtungen nur noch Sojafelder. Fast drei Millionen Hektar sind es schon und die Fläche wächst rasant weiter. So verdrängen die gigantischen Monokulturen in Paraguay die Campesinos, die Kleinbauern, die traditionell Selbstversorger sind. Allein 90.000 Familien gaben während des letzten Jahrzehnts ihr Land auf. Sie landen meist in den Elendsvierteln der Hauptstadt Asunción. Diesem Exodus will Gerónimo Arévalos, Hauptdarsteller des Films, nicht tatenlos zusehen: "Wenn wir jetzt nicht kämpfen, dann gibt es in ein paar Jahren keine Campesinos mehr." Die Hoffnung ruht auf der Jugend. Sie auszubilden und zu politisieren ist den vielen Kleinbauernorganisationen besonders wichtig. Viele Jugendliche beteiligen sich an Landbesetzungen und schließen sich mit anderen Widerstandsgruppen zusammen. Denn der Landkonflikt ist das brennendste soziale Problem des Landes. Mit etwa 80 Prozent der Ackerfläche im Besitz von zwei Prozent der Bevölkerung weist Paraguay eine der ungerechtesten Landkonzentrationen weltweit auf.


Für das Leben

Doch wer Widerstand leistet, zahlt mitunter einen hohen Preis. Die Sojabarone heuern bewaffnete Schläger an, einzelne Aktivisten werden umgebracht, ganze Gemeinden bedroht, Landbesetzer landen im Gefängnis - auch davon erzählt "Raising Resistance". Mit dem von Präsident Fernando Lugo 2010 erlassenen Antiterrorgesetz werden die sozialen Bewegungen immer stärker kriminalisiert. Dabei waren sie es, die ihn 2008 wählten und damit über 60 Jahre rechtskonservative Herrschaft beendeten. Die Enttäuschung ist angesichts hunderter für Landbesetzung verurteilter Aktivisten groß. "Wir wissen sehr gut, dass hinter der industriellen Sojaproduktion ein großes Geschäft steckt, die aber weder rentabel noch nachhaltig ist, denn sie zerstört die Umwelt und damit unsere Lebensgrundlage. Unsere Zukunft kann nur in einer Landwirtschaft liegen, die das Leben verteidigt. Und dafür kämpfen wir", sagt Gerónimo Arévalos. Eindrucksvoll ist der Film auch deshalb, weil es den beiden Regisseuren Bettina Borgfeld und David Bernet gelingt, ein genaues Bild der verschiedenen Akteure zu zeichnen nicht nur von den Campesinos, sondern auch von den Sojaanbauern, Vertretern eines Gentechnik-Konzerns und Spekulanten, die mit bemerkenswerter Offenheit über ihre Probleme mit der Gentechnik-Soja sprechen: Zunehmender Pestizidverbrauch, immer mehr resistente Unkräuter, denen sie nicht mehr Herr werden. Deutlich wird auch die Zwickmühle, in der die Wachstumsbauern stecken. Sie verschulden sich beim Kauf von Saatgut, Dünge- und Spritzmitteln, dann muss die Bohne auch den maximalen Ertrag bringen.


Auf Deutschlandtour

Bernd Schmitz, Milchbauer und AbL-Landesvorsitzender aus NRW hat den Film auf seiner Deutschlandtour mit dem Hauptdarsteller und den Regisseuren gesehen und formuliert: "Das kranke System Wachsen oder Weichen fordert seinen Tribut und treibt auch die Großbauern mit ihren Monokulturen in immer größere Abhängigkeiten von der Agrarindustrie, den Campesinos raubt es ihre Existenzgrundlage. Sie brauchen gesicherten Zugang zu Land und Vielfalt auf dem Acker, damit sie ihre Familien und die Landbevölkerung versorgen können." Auch die BDM-Milchbäuerin aus Schleswig-Holstein, Anneli Wehling, kommentiert nachdenklich: "Beschämend finde ich die Entwicklung, die der Film zeigt. Börsenspekulanten fordern Regeln und Planungssicherheit für Agrarrohstoffe, während das agrarindustrielle System weder Mensch noch Natur respektiert. Auf der einen Seite heißt es, wir müssen die Welt ernähren und gleichzeitig werden die Bauern vertrieben." Sie wünscht sich, dass die guten Ansätze für eine gerechte zukunftsorientierte Landwirtschaft, die sich im Weltagrarbericht finden, gängige Agrarpolitik werden. "Die Stärkung der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern muss ins Zentrum rücken."

Gerónimo ist Campesino aus Überzeugung. "Früher war das ein Schimpfwort", sagt er, "doch immer mehr von uns sind stolz darauf, denn wir verteidigen das Leben!". Für Gerónimo war die Deutschlandtour mit dem Film seine erste Reise außerhalb Paraguays. Am Ende stellte er nach den vielen Begegnungen und Gesprächen fest, dass er hier hart gearbeitet hat: "Zu Hause pflanze ich auf meinem Feld, hier pflanze ich Ideen."

Steffi Holz,
Ethnologin und Journalistin

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 355 - Mai 2012, S. 16
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2012