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INTERNATIONAL/060: Terrassenlandwirtschaft in Äthiopien (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 358 - September 2012
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Terrassenlandwirtschaft in Äthiopien
Bäuerliche Landwirtschaft wird zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt

von Elisabeth Meyer-Renschhausen



Die Terrassenlandwirtschaft der Konso in Südäthiopien ist in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen worden. Am 12. Juni wurde in Karat, der Hauptstadt der Region Konso, gefeiert. Im Januar gab es eine kleine Vorfeier mit Hirsebier, Honigwein und spontanem Tanzen. Dort konnte ich im neuen Kulturzentrum ein paar Bilder aus den neuen Gemeinschafts-Gemüsegärten in Nordamerika und Europa zeigen. Das einheimische Publikum bestand vor allem aus alten Bauern. Sie waren sehr zufrieden mit meinem Bericht. Es sei sehr richtig, dass wir sie aus dem Norden nun auf diese Art und Weise unterstützten. Die Alten berichteten stolz, dass man auch bei ihnen jetzt Schulgärten einrichten würde.


Selbstbewusst traditionell

Die Eloquenz der Senioren erinnerte mich an meinen vorherigen Besuch. Als ich mich vor fünf Jahren vom Ältesten der Abebe-Familie verabschiedete, sagt der alte Ayele zu mir: "Ja, schreibe über uns. Schreibe, dass wir hier alles haben. Wir haben unser Auskommen, uns fehlt es an nichts, wir erwirtschaften alles selber. Und wir haben unsere Freiheit. Wir können tun und lassen, was wir wollen. Nur Geld, Geld habe ich keines." Und dann nahm er seinen Stock und machte sich auf, uns in das nächst gelegene Marktdorf Fasha zu begleiten. Mit seinen kurzen blauen Trachtenhosen aus lokalen Weberzeugnissen ging er den steilen Weg voran. Barfuss, so wie er es 95 Jahre lang immer gemacht hatte. Ihm folgten einige seiner groß gewachsenen Enkelsöhne, die uns seine Rede ins Englische übersetzt hatten. Das zweistöckige Gehöft der Familie aus Basaltsteinen und mehreren angenehm kühlen Lehmbauten mit Strohdächern sowie einem aus Blech verschwand zwischen den Bäumen.

Aus europäischer Sicht sind die Konsobauern arm. Sie leben von ihrer regionalen Wirtschaft, die über kommunikative Wochenmärkte organisiert wird. Das jedoch erbringt kaum ein (sagen wir:) "Weltmarktpreise-kompatibles" Einkommen. Die Bedürfnisse der Enkel nach Handys, Fahrrädern, Reisen oder Studien sind so nur schwer zu erfüllen. Die Konso sind ein Teil der "Southern Nations" Äthiopiens. Etwa 300.000 Menschen mit eigener Sprache. Sie leben größtenteils von der Landwirtschaft. Außerdem gibt es in den Dörfern Weber und Schmiede. Vor 50 Jahren kamen durch evangelische Missionare aus Island und Norwegen die ersten Schulen und Krankenhäuser in das Land. Damals riss Ayeles ältester Sohn, der heute über 60jährige Abebe, von zu hause aus. Sein Vater verzieh ihm erst viele Jahre später. Später verließ Abebe erneut das Gehöft und wurde Wanderprediger. Die Landwirtschaft übernahmen seine Frau Kifte und sein Vater Ayele. Kifte zog zudem zehn Kinder groß. Abebe zwang besonders die Älteste, Alemitu, in die Schule zu gehen. Alemitu lernte Englisch und wurde Fremdenführerin. Der wachsende Tourismus verschafft einigen der Konso jetzt ein bescheidenes zweites Einkommen.


Die Terrassenlandwirtschaft

Die Region der Konso besteht aus einem Bergland am Rand des ostafrikanischen Grabenbruchs. Seit 400 Jahren wirtschaftet man dort mit Terrassen, um dem Bodenabtrag vorzubeugen und um das wenige Wasser sinnvoll über die schmalen Felder leiten zu können. Die Terrassen sind aus schweren roten Basaltsteinen nahezu fugenlos geschichtet. Jedes Jahr müssen sie ausgebessert werden. Eine schwere Arbeit und daher eine Gruppenarbeit, bei der sich die Nachbarn aushelfen oder auch die in der Stadt Karat zur Schule gehenden Enkel zum Helfen kommen müssen. Die Landwirtschaft der Konso ist eine für die Tropen typische Gartenbau-Landwirtschaft. Man nennt es heute engl. "agroforestry", Waldgartenwirtschaft. Der ganze Bedarf der Familie samt Markterzeugnissen ("cash crops") wird auf ein bis zwei Hektaren in dreistöckiger Landwirtschaft angebaut. Als Gemüse werden der abessinische Kohl, Kürbisse, Süßkartoffeln und Bohnen, Sojabohnen, Linsen, Paprika und Erdnüsse angebaut. Dazu als Grundnahrungsmittel und zwecks Verkauf Sorghum (Kolbenhirse) und Mais. Auf der zweiten Ebene wachsen Kaffee oder Baumwolle oder Papaya, Avocado und halb hohe Fruchtbäume. In der dritten Ebene wölben sich die Bäume, die den Kaffeesträuchern den notwendigen Schatten gewähren und den Boden halten. Es gibt Futterbäume, Holzbäume und Kohlbäume. Gedüngt wird mit Kuhdung und je nach Örtlichkeit und zunehmend seltener mit - wie ein Ethnologe schrieb - "seitens der Frauen sorgfältig getrockneten" Hinterlassenschaften des Homo sapiens. Der Moringabaum (moringa stenotepala) ist die zweite Besonderheit, für die die Konsolandwirtschaft in das Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Die Blätter dieser einzigartigen Baumart dienen als Gemüse. Sie sind Vitamin C und A-haltiger als die meisten anderen Grüngemüse.

Die Pflanze enthält alle essentiellen Fettsäuren und nahezu fast alle Spurenelemente. Dem Alten Wissen der Heilerinnen zufolge liefert Moringa Hilfe in vielen Fällen, etwa bei Zahnschmerzen, Verdauungsproblemen oder Diabetes. Heute benutzt man die Frucht zum Reinigen von trübem Wasser, auf dessen Gebrauch die meisten Konso angewiesen sind. Ein, Moringa-Same in einen Liter Flusswasser gelegt, reinigt dieses binnen einer Stunde. Die Durchfallerkrankungen infolge unsauberen Wassers verschwinden. Außerdem liefern die Samen Öl. Auch die Wurzelknolle ist essbar.


Der Kohlbaum

In Äthiopien ist heute die Hauptaufgabe das Pflanzen von Bäumen, um dem Klimawandel etwas entgegen zu setzen. Und um vermehrte Erosion infolge der sich häufenden Starkregenfälle zu verhindern. Bäume ziehen den Regen an. Fruchtbäume erbringen Marktfrüchte. Der Klimawandel trifft wie ganz Ostafrika auch das Konso-Bergland als Teil jenes Tropengürtels, für den zwei Regenzeiten typisch sind. Wenn infolge des Klimawandels in mehreren Jahren hintereinander die kleine Regenzeit ausfällt, fällt jede zweite Ernte aus. Familien mit nur wenig Land hungern. Das Hegen und Verbessern der Waldgartenwirtschaft samt Moringabaum und Terrassen ist für die Konso das Mittel zur Zukunftssicherung".

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 358 - September 2012 2012, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Oktober 2012