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INTERNATIONAL/124: Panama - Biofortifikation als nationale Strategie gegen Mangelernährung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2014

Panama: Biofortifikation als nationale Strategie gegen Mangelernährung

von Fabiola Ortiz


Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

Der Kleinbauer Vicente Castrellón vor seinem biofortifizierten Reis
Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

Panama-Stadt, 26. September (IPS) - Panama hat der Mangelernährung den Kampf angesagt. Um diese Form des versteckten Hungers anzugehen, setzt die Regierung auf die Biofortifikation: das Anreichern von Nahrungspflanzen mit Mikronährstoffen.

Gestartet wurde das Projekt bereits 2006, doch nahm es erst mit der Einführung des 'Agro-Nutre'-Panama-Programms im August 2013 Gestalt an. Ziel ist die Verbesserung der Nahrungsqualität der armen Bevölkerungsgruppen in den ländlichen und indigenen Gebieten mit Hilfe von besonders eisen-, Vitamin-A- und zinkhaltigem Saatgut. 'Agro Nutre' bedeutet 'Der Acker nährt'.

"Wir betrachten die Biofortifikation als eine preiswerte Methode, um das Problem der Fehlernährung mit Hilfe von Grundnahrungsmitteln zu beheben", erläutert der Agro-Nutre-Koordinator Ismael Camargo.

Seit 2006 experimentieren Wissenschaftler in Panama im Rahmen eines Projekts, das vom Nationalbüro für Wissenschaft, Technologie und Innovation gefördert wird, mit biofortifiziertem Mais, seit 2008 mit angereicherten Bohnen. Im Jahr 2009 wurde die Palette um Reis und Süßkartoffeln erweitert.

Unterstützt wird der Nationalplan zudem vom panamaischen Agrarforschungsinstitut und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen. Die Weltlandwirtschaftsorganisation FAO, das Welternährungsprogramm WFP und Brasiliens staatliches Agrarforschungsinstitut EMBRAPA sind ebenfalls involviert. In der derzeitigen Projektphase wird das biofortifizierte Saatgut von 4.000 Subsistenzbauern ausgebracht.


Wo die Not am größten ist

Seit 2009 ist das Anreichern von Grundnahrungsmitteln Teil der staatlichen Strategie gegen Mangelernährung. Bisher konnten fünf Mais-, vier Reis- und zwei Bohnenvarietäten mit einem hohen Proteingehalt gezüchtet und freigegeben werden. "Angelaufen ist das Projekt dort, wo die Armut am größten ist und die Bauern für den Eigenbedarf produzieren", berichtet Omaris Vergara, Agraringenieurin an der Universität von Panama. Wie sie versichert, ist eine Kommerzialisierung dieser angereicherten Nahrungsmittel in der jetzigen Projektphase nicht vorgesehen.

Vergara zufolge besteht die größte Herausforderung darin, trotz der Abwesenheit einer flächendeckenden wissenschaftlichen Infrastruktur für eine möglichst breite Akzeptanz der neuen Züchtungen zu sorgen. "Das Projekt konzentriert sich auf die besonders verletzlichen Bevölkerungsgruppen. Aufgabe der Forschungseinrichtungen ist es, die Auswirkungen zu untersuchen." Dass sie damit noch nicht begonnen haben, führt die Expertin darauf zurück, dass solche Studien sehr kostspielig sind.

Nach Agro-Nutre-Projektzahlen lebt eine Million der 3,5 Panamaer in ländlichen Gebieten. Die Hälfte der Landbevölkerung ist arm, 22 Prozent sind extrem arm. Am schlimmsten ist die Situation der 300.000 Indigenen, die sich auf fünf Landkreise konzentrieren. 90 Prozent von ihnen sind arm.

Die 54-jährige Kleinbäuerin Isidra González verwendet seit fünf Jahren biofortifiziertes Saatgut. Ihr kleines Feld befindet sich in Hijos de Díos, einem Dorf im Bezirk Olá in der Zentralprovinz Coclé. Inzwischen ist die Zahl der Familien, die dort angereicherten Reis und mikronährstoffreiche Bohnen anbauen, auf 70 angestiegen. "Dieses Saatgut ist besser, besonders ertragreich und benötigt weniger Wasser", schildert González, die seit der Experimentierphase des Projekts mit dabei ist, die Vorzüge der neuen Züchtungen. "Und die Menschen mögen sie, weil sie besser schmecken."

Auch der 69-jährige Vicente Castrellón ist an dem Agro-Nutre-Projekt beteiligt. Er wurde fortgebildet, um anderen Farmern des Bezirks bei der Umstellung zu helfen. "Wir ernten drei Mal im Jahr. Bisher produzieren die meisten Familien für den Eigenbedarf. Doch manche ernten mehr als sie brauchen und verdienen am Verkauf der Überschüsse", sagt der Bauer aus Hijos de Díos, 250 Kilometer von Panama-Stadt entfernt. "Das Leben hier ist für uns Farmer sehr kostspielig."

Zu Anfang sei es schwierig gewesen, die Familien in Olá zum Umstieg auf biofortifiziertes Saatgut zu bewegen. "Ich brauchte fast ein ganzes Jahr, um sie für Agro Nutre zu gewinnen", erinnert sich Castrellón. "Doch jetzt sind alle glücklich, weil sie das Zehn- bis 20-Fache dessen ernten, was sie ausbringen."


Rückbesinnung auf Süßkartoffeln

Die Aufnahme der Süßkartoffeln in das Programm verfolgt strategische Ziele, wie der Wissenschaftler Arnulfo Gutiérrez erläutert. Nachdem die Bataten fast vollständig vom Speiseplan der Panamaer verschwunden sind, sollen sie den Menschen nun wieder schmackhaft gemacht werden. 2015 sollen zwei oder drei der verbesserten Varietäten zum Anbau freigegeben werden.

Der FAO-Berater Luis Alberto Pinto gehört dem Agro-Nutre-Verwaltungsausschuss an und ist als technischer Koordinator des Landes für die beiden ersten indigenen Landkreise - Gnäbe-Buglé und Guna Yala - zuständig, in denen das verbesserte Saatgut ausgebracht wird. "Wir sind in vier Pilotgemeinden aktiv", berichtet er. "In Gnäbe-Buglé kooperieren wir mit 129 Bauern in Cerro Mosquito und Chichica und in Guna Yala mit 50 Farmern auf Inseln vor der Karibikküste", fügt er hinzu. "Wir hoffen das Projekt, das die Kultur der Indigenen respektiert, auf alle indigenen Landkreise ausweiten zu können."

Um das Interesse der Politik an der Biofortifikation am Leben zu erhalten, kommt der Lobbyarbeit eine große Bedeutung zu. Geleistet wird sie unter anderem von Eyra Mojica, der WFP-Vertreterin in Panama. "Wir wenden uns an Abgeordnete, Staatsekretäre, Minister und andere Behörden", sagt sie. "Ernährungssicherheit ist ein komplexes Thema. Das WFP ist für die Behörden inzwischen zur wichtigsten Quelle von Informationen rund um die Ernährung geworden. Es gibt sehr viel Unwissen."

Das WFP hofft nun, dass bis 2015 fortifiziertes Kassava und angereicherte Zucchini zum Anbau freigegeben werden. Im weiteren Verlauf der Projektarbeiten will man gezielt Landfrauen und andere Gruppen ansprechen, um die Verbreitung der Züchtungen zu gewährleisten. "Auch streben wir ab nächstem Jahr die Zusammenarbeit mit dem staatlichen Schulspeisungsprogramm an", so Mojica.

Die Biofortifikation von Grundnahrungsmitteln zur Bekämpfung des versteckten Hungers war vom 'HarvestPlus'-Programm entwickelt worden. Koordiniert wird es vom Internationalen Zentrum für Tropenlandwirtshaft (CIAT) und dem Internationalen Nahrungsmittelforschungsinstitut IFPRI. (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/09/panama-construye-modelo-de-seguridad-alimentaria/
http://www.ipsnews.net/2014/09/panama-turns-to-biofortification-of-crops-to-build-food-security/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. September 2014