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LANDWIRTSCHAFT/1391: Ungeeignet für den Kampf gegen Hunger (DGVN)


Eine-Welt-Presse Nr. 1/2009
Nord-Süd-Zeitung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN)

Ungeeignet für den Kampf gegen Hunger
Probleme der konventionellen, nicht-nachhaltigen Landwirtschaft

Von Theodor Friedrich


Die Bekämpfung des Hungers in der Welt war schon ein wichtiges Ziel, als die Welternährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) im Jahre 1946 gegründet wurde. Nicht zuletzt mit der "grünen Revolution" schien es in den 1960er Jahren Teilerfolge im Kampf gegen den Hunger zu geben.


Grundlage der "grünen Revolution" war die Einführung ertragreicher Sorten, so beim Reis, sowie die verstärkte Nutzung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Dadurch konnte insbesondere auf dem indischen Subkontinent die Ernährungslage deutlich verbessert werden. Dennoch hungerten 1996 noch 800 Millionen Menschen, seither ist diese Zahl auf mehr als eine Milliarde gestiegen. Dabei werden global genügend Nahrungsmittel produziert, um die Weltbevölkerung zu ernähren. Dass es dennoch zu Hunger kommt, liegt an der Verteilung und dem Zugang zu Nahrungsmitteln. Hunger ist also vor allem ein soziales und ökonomisches Problem. Das zeigte sich erneut am sprunghaften Anstieg der Nahrungsmittelpreise in den Jahren 2007 und 2008, verursacht durch Missernten sowie die Spekulation mit Biokraftstoffen und Nahrungsmitteln an internationalen Finanzmärkten. Ökonomisch schwache Länder leiden besonders unter solchen Krisen, wenn sie stark von Nahrungsmittelimporten abhängig sind. Auch in einer globalisierten Welt ist es daher sinnvoll, Nahrungsmittel möglichst dort zu produzieren, wo sie benötigt werden.

Zu den größten Herausforderungen für die Landwirtschaft gehört der Anstieg der Weltbevölkerung von derzeit sechs auf über neun Milliarden Menschen im Jahr 2050. Zusammen mit höheren Ansprüchen an Nahrungsmittel, wie z.B. einem gesteigerten Fleisch- und Milchkonsum, wird die Pflanzenproduktion in diesem Zeitraum verdoppelt werden müssen, um dem Bedarf gerecht zu werden. Zusätzlich wird die Landwirtschaft nachwachsende Rohstoffe und Bioenergie produzieren müssen.


Grenzen der Hochertragssorten

Produktionszuwachs wurde in den letzten Jahrzehnten vorwiegend durch technischen Fortschritt erzielt, z.B. durch Hochertragssorten, Dünge- und Pflanzenschutzmittel, Mechanisierung sowie Bewässerung, nur ein geringerer Teil durch Flächenausdehnung. Auch in Zukunft wird die Ertragssteigerung der wichtigste Weg sein, mehr Nahrungsmittel zu erzeugen. Denn zusätzliche Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung stehen nur begrenzt zur Verfügung.

Allerdings ist fraglich, ob die bisherige Art des technischen Fortschrittes auch in Zukunft die Lösung des Problems sein wird. Bereits jetzt steigt der Ertragszuwachs langsamer als in den vergangenen Jahren. Darüber hinaus können Höchsterträge oft nur mit steigendem Aufwand an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln erzeugt werden. In einigen Fällen, so in Indien, können Erträge trotz hoher Düngergaben nicht mehr gehalten werden.

In weiten Teilen Afrikas führt hoher Düngeraufwand nur zu vergleichsweise bescheidenen Erträgen. Dünge- und Pflanzenschutzmittelrückstände belasten die Umwelt, knappe Wasserressourcen werden verschwendet und die Bodenerosion nimmt zu. Die intensive Landwirtschaft trägt mit 14 Prozent der Treibhausgasemissionen (Stickoxide, Methan und Kohlendioxid) erheblich zum Klimawandel bei.


Folgen der intensiven Bodenbearbeitung

Eine Intensivierung der Landwirtschaft war bisher gleichbedeutend mit einer Intensivierung der Bodenbearbeitung, d.h. tiefes und regelmäßiges Pflügen der Böden sowie intensive Lockerung zur Saatbettbereitung. Besonders in tropischen Gebieten, bedingt durch hohe Temperaturen und hohe Niederschläge, führt eine intensive Bodenbearbeitung zu einem raschen Abbau der organischen Substanz im Boden - das sind Humus, Wurzeln, Pflanzenreste und Bodenlebewesen wie Bakterien, Pilze, Insekten, Würmer und deren Ausscheidungen. Diese Substanz im Boden ist ein wichtiges Element für die Bodenstruktur und Bodenfruchtbarkeit.

Die Folgen der intensiven Lockerung des Bodens sind ein dramatischer Rückgang der Bodenfruchtbarkeit, der Nährstoffverfügbarkeit, des Wasserhaltevermögens und der biologischen Vielfalt. Es kommt zu Produktionseinbrüchen, Erosion sowie erhöhtem Krankheits- und Schädlingsbefall. Im Extremfall sind Versteppung und Verödung oder sogar Wüstenbildung festzustellen.

Der Klimawandel stellt eine weitere Herausforderung für die Landwirtschaft dar. Wechselndes Klima, steigende Temperaturen und veränderte Niederschlagsverteilung werden zu Veränderungen im Anbau führen. Extremereignisse wie Starkregen und verlängerte Dürreperioden erfordern in der Landwirtschaft eine flexiblere und weniger anfällige Wirtschaftsweise. Bodenbearbeitung ist aber eine Technik, die den Boden anfällig für Erosion und Wasserverluste macht.

Angesichts dieser Herausforderungen hat die FAO sich ein neues strategisches Ziel gesteckt: die nachhaltige Intensivierung der Produktion. Ein Fortfahren mit der bisherigen Art der Landbewirtschaftung scheint dagegen ein Weg in eine Sackgasse.


Theodor Friedrich ist promovierter Agraringenieur und seit 15 Jahren als Senior Officer im Bereich Pflanzenproduktion der Welternährungs-und Landwirtschaftsorganisation (FAO) tätig.


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Quelle:
Eine-Welt-Presse Nr. 1/2009, 26. Jahrgang, Seite 3
Nord-Süd-Zeitung der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V. (DGVN)
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Eine-Welt-Presse erscheint in der Regel einmal jährlich
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Die Publikation wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2009