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LANDWIRTSCHAFT/1498: Resistente Keime in der Massentierhaltung (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 348 - Oktober 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Resistente Keime in der Massentierhaltung

Antibiotika wirkungslos gegen Klinik- und Agrarfabrik-Keime


Kommt ein schweinehaltender Landwirt als Patient ins Krankenhaus, dann wird er in immer mehr Kliniken erst einmal isoliert und daraufhin untersucht, ob er Träger der so genannten MRSA-Keime ist. Gegen diese resistent gewordenen Eiterbakterien vom Typ des Methicillin-resistenten Staphylococcus (MRSA) wirken viele Antibiotika nicht mehr, so dass z.B. viele Wundinfektionen nur noch schwer oder sogar überhaupt nicht mehr heilen. Die Ursachen für die Probleme durch MRSA stammen vor allem aus zwei Bereichen: Beim "Krankenhaus-MRSA" (hospital-acquired-ha-MRSA) liegt es an zu häufigen Antibiotika-Verschreibungen der Ärzte und an mangelnder Krankenhaushygiene. Es gibt aber zunehmende Probleme auch mit dem "Tierhaltungs-MRSA" (livestock-associated-la-MRSA), der vor allem durch die Massentierhaltung von Schweinen und Geflügel entsteht.


Agrarindustrie am Antibiotika-Tropf

In agrarindustriellen Großanlagen kann man die Tausenden von Schweinen oder die Zehntausenden von - einseitig auf raschen Brustfleischansatz gezüchteten - Hühner oder Puten auf engstem Raum nur halten, wenn man den Krankheitsdruck durch Antibiotika-Gaben in Schach hält. Nach offiziellen Angaben geschieht dies durchschnittlich bei Masthühnern 2,3 mal während einer Mastperiode (von 35 bis 40 Tagen) und jährlich 5,9 mal bei Schweinebeständen. Bis 2006 war sogar der prophylaktische Einsatz von "Fütterungs-Antibiotika" zur Wachstumsbeschleunigung erlaubt - seltsam, dass nach dem Verbot dennoch der Antibiotika-Absatz der Tierpharma-Konzerne (ca. 800 Tonnen jährlich in Deutschland) weiter stieg und steigt. Nach wie vor dürfte die Hälfte aller Antibiotika in der Tierhaltung eingesetzt werden.

Wenn nun ein Bakterium durch Mutation sein Erbgut so verändert, dass es gegen ein Antibiotikum resistent wird, findet es in der Massentierhaltung und in Agrarindustrie-Regionen natürlich optimale Ausbreitungsbedingungen. Dies gilt für viele Bakterien und Bakterienkrankheiten, die neben den Tieren auch Menschen befallen. Viele Antibiotika wirken nicht mehr, und auch die wenigen "Reserve-Antibiotika" für Notfälle verlieren zunehmend ihre Wirksamkeit. Da ist es unverantwortlich, dass selbst solche Human-Antibiotika immer noch in der Tiermedizin eingesetzt werden dürfen.


Zeitbombe für Humanmedizin

Noch bedrohlicher sind Zahlen zu MRSA-Bakterien, die gleich gegen eine Vielzahl von Antibiotika resistent sind, die das Bundesagrarministerium auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag bestätigte: Bei einem Monitoring fand das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in 41 Prozent der Zuchtbetriebe und in 52 Prozent der Mastbetriebe MRSA-Keime vom Typ ST398. Diese sind zwar (noch) nicht so gefährlich wie andere Typen, aber Wissenschaftler warnen vor einer Zeitbombe durch neue Kreuzungen und Typen.

Diese MRSA-Keime befallen auch Menschen - vor allem natürlich die Tierhalter selbst. Dass es dabei entscheidend auf die Tierhaltungsbedingungen, auf Stroheinstreu und auf die Bestandsgrößen ankommt, zeigen Untersuchungen der Europäischen Lebensmittelbehörde (EFSA) und die Tatsache, dass man auf Neuland- und Biohöfen diese Keime nicht fand. Durch die Abluft der Agrarfabriken und über die agrarindustriell erzeugten Produkte gehen diese Keime auch auf andere Menschen über. Das Robert-Koch-Institut (RKI) fand MRSA-Keime an frischem Hähnchen- und Putenfleisch in rund einem Drittel der Proben. Laut ARD-Magazin Report-Mainz können diese Keime über kleine Wunden in den Körper eindringen und ggf. später bei größeren Operationen Probleme bereiten.


Transparenz und artgerechte Haltung

Grund genug eigentlich zum raschen und entschiedenen Handeln. Länder wie Holland oder Dänemark folgen Aufrufen der EU und legen Programme zur Transparenz des Antibiotika-Einsatzes in der Tierhaltung und zu dessen Halbierung auf. Auch die Bundesregierung erfasst derzeit Daten zu Häufigkeit und Mengen der Antibiotika-Auslieferungen bei verschiedenen Wirkstoffen, Tierarten und in verschiedenen Regionen. Allerdings lehnte sie aus "Datenschutzgründen" die Initiative der Länder NRW und Niedersachsen ab, die Daten für Geflügelbetriebe und Geflügel-Fachtierärzte an die Länderagrarminister weiter zu geben. Gegen den Lobby-Einfluss der Pharma- und Agrarindustrie-Lobby steht die Position von Dr. Theodor Mantel als Präsident der Bundestierärztekammer: "Tierärzte, die korrekt arbeiten, haben nichts zu verbergen... Wir sollten unmittelbaren Zugriff haben auf die Menge der eingesetzten Medikamente, speziell natürlich der Antibiotika, im jeweiligen Betrieb." Die Lösung auch des Antibiotika-Resistenz-Problems liegt im Verbot der Massentierhaltung und in der Förderung der Umstellung der mittelständischen Tierhaltung auf artgerechte Ställe in bäuerlichen Strukturen in der gesamten EU. In Report forderte Professor Wolfgang Witte vom Robert-Koch-Institut Wernigerode: "Man muss die Tiere so halten und mästen, dass sich ein derartiger Antibiotika-Einsatz von vornherein verbietet..." Die Bauern sollten dabei nicht auf ein von Agrarindustrielobby und Bauernverband inszeniertes, falsches Bedrohungsszenario hereinfallen: Mit der artgerechten Tierhaltung, zumal auf eigener Futtergrundlage, wäre automatisch eine Mengenreduzierung verbunden und damit auch fairere Erzeugerpreise. Die zunehmenden Skandale der agrarindustriellen Tierhaltung, auch im Bereich der Antibiotika, werden auch die Verankerung entsprechender Vorgaben bei der EU-Agrarreform immer dringlicher machen. Und die Journalisten von Report haben absolut recht mit ihrer Forderung: "Schutz der Gesundheit statt Schutz der Geflügelindustrie..."    en



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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 348 - Oktober 2011, S. 11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2011