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LANDWIRTSCHAFT/1691: Bündnis fordert Existenzsicherung bäuerlicher Betriebe (Kampagne "Meine Landwirtschaft")


Pressemitteilung der Kampagne "Meine Landwirtschaft" - 29.09.2016

"Wertschöpfung schaffen!" - Breites gesellschaftliches Bündnis fordert Existenzsicherung bäuerlicher Betriebe

Aktionsprogramm zur Bekämpfung der Krise der Landwirtschaft vorgestellt / "Wir haben es satt!"-Demo am 21. Januar 2017


Berlin, 29.09.2016. Anlässlich des "Wir haben es satt!"-Kongresses, der morgen in Berlin startet, fordern mehr als 45 Organisationen der Kampagne "Meine Landwirtschaft" einen Umbau hin zu einer sozial gerechten, tier- und umweltfreundlichen Landwirtschaft. "Mit dem Aktionsprogramm 'Wertschöpfung schaffen!' legen wir den verantwortlichen Politikern aus Bund und Ländern ein umfassendes Konzept vor, mit dem Bauernhöfe eine wirtschaftliche Perspektive erhalten", sagt der Leiter der Kampagne "Meine Landwirtschaft", Jochen Fritz: "Im Aktionsprogramm enthalten sind konkrete Sofortmaßnahmen wie die Milchmengenregulierung und die Umschichtung von 500 Millionen Euro der Flächensubventionen in den Topf für tier- und umweltfreundliche Landwirtschaft. Zehntausende Höfe brauchen jetzt dringend Unterstützung!" Neben den kurzfristigen Maßnahmen gegen das Höfesterben setzt das Bündnis im Aktionsprogramm auf den nachhaltigen Umbau der Land- und Ernährungswirtschaft durch gezielte und wirksame Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Um diesen Forderungen Nachdruck zu verleihen, werden am 21. Januar 2017 wieder Zehntausende bei der 7. "Wir haben es satt!"-Demonstration unter dem Motto "Agrarkonzerne, Finger weg von unserem Essen!" in Berlin zusammenkommen.

Die Kernpunkte des Aktionsprogramms erläutern Vertreter des Bündnisses:

Martin Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) fordert eine Umwidmung der Gelder aus der EU-Agrarförderung in Deutschland: "Bund und Länder dürfen nicht weiter tatenlos beim Höfesterben zuschauen. Um kleinere und mittlere Betriebe zu retten, muss umgehend in tiergerechte Haltung, Agrarumweltmaßnahmen, Weidemilchprojekte und den Ökologischen Landbau investiert werden. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Gelder für Programme der ländlichen Entwicklung von bislang 4,5 auf die möglichen 15 Prozent aufzustocken sowie eine höhere Förderung der ersten Hektare vorzunehmen." Bisher nutzt Deutschland diesen Spielraum nicht aus und widmet nur 4,5 Prozent der Agrargelder um. Entscheidend bei der Umschichtung ist, dass das Geld zweckgebunden in Höfe investiert wird, die sich für Öko-Landbau, Agrarumweltmaßnahmen, Gewässer-, Klima- und Tierschutz engagieren. Das ist aber nur der erste Schritt, langfristig muss die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) grundlegend umgestaltet werden.

Vor diesem Hintergrund schlägt Antje Kölling von Demeter vor, die Marktchancen von Bio-Erzeugung für die heimische Landwirtschaft und die Umwelt zu nutzen: "Immer mehr Menschen kaufen immer mehr Bio-Lebensmittel. Bio-Bauern zeigen jetzt schon wie umwelt- und tiergerechte Landwirtschaft funktioniert und mehr Wertschöpfung erreicht werden kann. Jeder konventionelle Landwirt, der Bio als Chance für seinen Betrieb sieht, sollte für seine Leistungen beim Gewässer-, Klima- und Artenschutz auch honoriert werden. Es ist deshalb entscheidend, dass ausreichend Mittel für die Umstellung auf Öko bereitgestellt werden und Bio zum Leitbild der zukünftigen Agrarpolitik wird."

Der Umbau der Landwirtschaft kann nur gelingen, wenn das Tierwohl berücksichtigt wird. Daher müssen Fehlanreize abgeschafft werden und eine tiergerechte Nutztierhaltung konsequent gestärkt werden. Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, erläutert hierzu: "Erst wenn Landwirte angemessene Erlöse für ihre Produkte erhalten und eine gesellschaftlich erwünschte Tierhaltung mit öffentlichen Geldern gefördert wird, kann ein hohes Tierschutzniveau etabliert werden. Wenn die Politik jetzt umsteuert und die entsprechenden Anreize schafft, dann sind der Einsatz robuster Rassen, mehr Platz im Stall, Auslauf und eine intensive Tierbetreuung kein Ding der Unmöglichkeit mehr."

Der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Hubert Weiger, kritisierte die Auswirkungen steigender Fleischproduktion für die Tiere und die Umwelt: "Obwohl unser Fleischkonsum sinkt, wird Deutschland immer mehr zur globalen Fleischfabrik. Die Überproduktion in Megaställen verursacht ein fortgesetztes Höfesterben, verschlechtert den Tierschutz und belastet die Gewässer. Zum Schutz der Umwelt und der Tiere brauchen wir einen Kurswechsel in der Agrarpolitik. Die Fleischproduktion in Deutschland muss dringend reduziert und die Tierhaltung wieder an die Fläche gebunden werden." Weiger forderte insbesondere die Verringerung des Gülleeinsatzes: "Der Stickstoffüberschuss aus der Landwirtschaft gehört zu den größten Umweltproblemen unserer Zeit. Die EU-Kommission hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, da die Nitratrichtlinie nicht ausreichend umgesetzt und die Überdüngung geduldet wird. Bundesagrarminister Christian Schmidt muss endlich strengere Regeln für die Ausbringung, für die Lagerung und den Transport der Gülle auf den Weg bringen."

In der Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen sieht die Kampagne "Meine Landwirtschaft" die einzige Chance für kleinere und mittlere landwirtschaftliche Betriebe, damit diese im Wettstreit mit der Agrarindustrie nicht unter die Räder geraten. Die Anwesenden richten daher einen dringenden Appell an Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, jetzt endlich die notwendigen Reformen einzuleiten. Diese sind jedoch nur ein erster Schritt hin zu einer Agrarwende, die nicht nur Bauern, sondern auch Konsumenten hilft.

Aktionsprogramm "Wertschöpfung schaffen!":
http://www.meine-landwirtschaft.de/aktionsprogramm

"Wir haben satt!"-Kongress:
www.wir-haben-es-satt.de/kongress

Kampagne "Meine Landwirtschaft":
http://www.meine-landwirtschaft.de


Hintergrund

Die Situation auf den Höfen ist alarmierend, die Landwirtschaft steckt in einer tiefen Krise. In den letzten zehn Jahren haben über 100 000 Bauernhöfe aufgegeben, alleine 2015 mussten in Deutschland 3 200 Milchviehbetriebe schließen. Schuld daran ist maßgeblich die zunehmende Intensivierung und starke Exportorientierung der Landwirtschaft, welche von der Politik in Berlin und Brüssel in den vergangenen Jahrzehnten massiv vorangetrieben wurde. Die Folge: Es entstanden riesige Produktionsüberschüsse, die zu einem massiven Verfall der Preise führten - und so zum Ruin vieler Bäuerinnen und Bauern.

Die Kampagne "Meine Landwirtschaft" ist ein breiter gesellschaftlicher Zusammenschluss von über 45 Organisationen aus den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt-, Natur-, Tier- und Verbraucherschutz sowie Entwicklungszusammenarbeit. Ab morgen veranstaltet die Kampagne den 2. "Wir haben es satt!"-Kongress (30.09.-3.10.), auf dem an vier Tagen hunderte Engagierte rund um die Themen "Landwirtschaft Macht Essen" die globalen Machtverhältnisse im Agrar- und Ernährungssektor diskutieren und Alternativen zu Höfesterben und Milchkrise erörtern.

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Wertschöpfung schaffen!
Programm zur Existenzsicherung bäuerlicher Betriebe und zum Umbau hin zu einer sozial gerechten, tier- und umweltfreundlichen Landwirtschaft

Die deutsche und europäische Landwirtschaft steckt in einer tiefen Krise. ErzeugerInnenpreise, die weit unter den Produktionskosten liegen, bedrohen die Existenz vieler bäuerlicher Betriebe, vor allem in der Milchvieh- und Schweinehaltung. Gleichzeitig zeigen immer mehr VerbraucherInnen an der Ladenkasse, dass sie Klasse statt Masse wollen: für definierte Qualität sind sie bereit mehr zu zahlen, insbesondere wenn Herkunft, Tierhaltungsform und positive Umweltwirkung auf den Produkten erkennbar sind.

Die Kampagne "Meine Landwirtschaft" setzt sich für den Erhalt der betroffenen Höfe ein und unterbreitet mit dem vorliegenden Papier konkrete Vorschläge zur Bewältigung der Krise. Nun sind Bund und Länder aufgefordert, dringend zu handeln.

Die bäuerliche Landwirtschaft ist Grundlage der Lebensmittelerzeugung in Deutschland und weltweit. Doch nicht nur hierzulande ist die Situation der Bauernhöfe dramatisch und verschlechtert sich zunehmend. Immer mehr landwirtschaftliche Betriebe schlossen in den letzten Jahren ihre Tore, allein im Jahr 2015 gaben 3.200 Betriebe in Deutschland die Milchviehhaltung auf.

Eine wesentliche Ursache dieser existenziellen Krise liegt in der zunehmenden Intensivierung und starken Exportorientierung der Landwirtschaft, welche von der Politik in Berlin und Brüssel in den vergangenen Jahrzehnten massiv vorangetrieben wurde. Die starke Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion ging dabei oft auf Kosten der Umwelt, des Tierschutzes und der Länder des globalen Südens. Doch die versprochenen kaufkräftigen Absatzmärkte stellten sich als Fehlprognose heraus. Es entstanden riesige Produktionsüberschüsse, die zu einem massiven Verfall der Preise führten - und so zum Ruin vieler Bäuerinnen und Bauern werden.

Es muss nun dringend umgesteuert werden, um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen und einen Markt zu schaffen, der Bäuerinnen und Bauern ein Auskommen ermöglicht. Es geht um die Zukunft bäuerlicher Familien und darüber hinaus auch um die Wirtschaftskraft in den ländlichen Regionen.

Damit einhergehend muss der Umbau hin zu einer sozial gerechten, umwelt- sowie klimafreundlichen Landwirtschaft und zu einer tiergerechten Nutztierhaltung erfolgen, wie von der Gesellschaft gefordert. Dies ist notwendig, machbar und finanzierbar, wie der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft mit seinem Gutachten Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung aus dem Jahr 2015 belegt. Die Mehrkosten für die landwirtschaftlichen Betriebe lägen demnach bei 13 bis 23 Prozent und könnten über eine Erhöhung der VerbraucherInnenpreise um drei bis sechs Prozent refinanziert werden. Beim Umbau der Tierhaltung spielen kleine und mittelständische bäuerliche Betriebe eine Schlüsselrolle - doch genau diese Betriebe gehören zu den Opfern der aktuellen Krise.

Wir wollen eine vielfältige Landwirtschaft, die Menschen, Tiere, Umwelt und Klima schützt, bäuerliche Existenzen sichert, damit ländliche Regionen stärkt und Produktionsgrundlagen bewahrt. Eine Abkehr von der umwelt- und klimaschädlichen, industriellen Massenproduktion sowie von Risikotechnologien wie der Agro-Gentechnik ist hierfür erforderlich.

Wir fordern Bund und Länder auf, den notwendigen Umbau in der Landwirtschaft mit den nachfolgenden Maßnahmen und mit einem ambitionierten Zeitplan in Angriff zu nehmen um damit die Existenz zehntausender Betriebe aktiv zu sichern.


Programm zur Existenzsicherung bäuerlicher Betriebe und zum Umbau hin zu einer sozial gerechten, tier- und umweltfreundlichen Landwirtschaft

Die hier vorgestellten Maßnahmen beziehen sich auf die Landwirtschaftspolitik von Bund und Ländern und die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) bis zum Jahr 2020 mit dem existierenden Säulensystem.

1. Menge runter, Preis rauf - Klare Rahmenbedingungen für einen stabilen Markt und eine tiergerechte Nutztierhaltung schaffen

Um bessere und kostendeckende Preise für Milch und Schweinefleisch zu erzielen, müssen die erzeugten Mengen reduziert werden. Dafür müssen schnellgreifende Aktionspläne für den Milchsektor sowie längerfristige Strategien für den Schweinesektor entwickelt und umgesetzt werden. Die zunehmende Exportorientierung ist keine Lösung und führt in die Sackgasse: Mengensteigerungen und Aufbau von Kapazitäten, die die Nachfrage übersteigen, drücken weiter die Preise und gefährden bäuerliche Existenzen.

Wir fordern die Bundesregierung daher auf:

Einen Aktionsplan Milch zu entwickeln und umzusetzen, der nicht auf weitere Exportsteigerung abzielt, sondern die europäische Milchproduktion dem heimischen Absatz anpasst und auf Qualität statt Quantität setzt. Im Einzelnen bedeutet dies:

  • Sofortige Umsetzung der Beschlüsse der Frühjahr-Agrarministerkonferenz der Länder. Nicht eine Wiedereinführung einer Milchquotenregelung steht auf der politischen Agenda, weder durch den Staat noch durch eine Molkereiquote. Notwendig ist jetzt eine kurzfristige, koordinierte Mengenrückführung, die Molkereien und LandwirtInnen organisieren können und die finanziell vom Bund und von den Ländern unterstützt wird. Wenn die Molkereien keine Reduzierung der Milchmenge in die Wege leiten, muss eine obligatorische, entschädigungslose Reduzierung seitens der EU erfolgen.
  • Knüpfung von staatlicher Unterstützung der Milchviehbetriebe an obligatorische Milchmengenreduktion
  • Entwicklung einer Strategie zur Extensivierung der Milchwirtschaft und somit zur Senkung der Milchmenge durch eine Reduktion der Kraftfuttermenge und einem staatlichen Anreizprogramm dazu
  • Einheitliche Kennzeichnungsregeln, staatliche Informationskampagnen und bundesweite Förderung von Qualitätsmilchprogrammen, zum Beispiel für Weidemilch, Milch von Grünland, Bio-Milch und gentechnikfreie Milch. Die VerbraucherInnen rufen wir dazu auf, diese Produkte verstärkt zu kaufen.
  • Stopp von irreführenden Bildern und Bezeichnungen wie "Weideglück" und "Grünländer", wenn diese suggerieren, dass die Produkte auf der Basis von Grünland erzeugt wurden, obwohl dies nicht der Realität entspricht. Dies verhindert einen fairen Marktzugang und eine angemessene Wertschöpfung für die Betriebe, die tatsächlich Milch umwelt- und tierfreundlich auf Wiesen und Weiden erzeugen.

Einen nationalen Aktionsplan Schwein zu entwickeln und umzusetzen, der die Produktionsmengen senkt und damit bäuerliche Betriebe fördert. Dazu gehören:

  • Schaffung von Anreizprogrammen für den Umbau zu einer qualitätsbasierten Schweinehaltung mit mehr Tierschutz
  • Bindung der Tierhaltung an die Fläche, wodurch gleichzeitig Überdüngung verhindert wird, mit einem hohen Anteil an regionalem Futter
  • Stopp der Produktionsüberschüsse und der Nährstoffüberversorgung, dort wo sie entstehen, wie in Intensivregionen der Tierhaltung
  • Obergrenzen für Tierzahlen für Regionen und Standorte

2. Mehr Klasse statt Masse - Tiergerechtes Leben für Nutztiere

Eine tiergerechte Nutztierhaltung ist machbar, muss aber bezahlt werden. Die ErzeugerInnen dürfen nicht weiter zu Fehlinvestitionen verleitet werden, aber auch nicht auf den Kosten des verbesserten Tierschutzes sitzenbleiben. Das geltende Recht und die Agrarförderung, aber auch die Märkte, müssen konsequent weiterentwickelt werden. Gleichzeitig sollten Instrumente zur Reduzierung von Fehlernährung, wie zu hoher Fleischkonsum, basierend auf den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung entwickelt werden.

  • Anhebung und Durchsetzung der gesetzlichen Standards für den Schutz der Nutztiere
  • Erweiterung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung um fehlende Tier- und Nutzungsarten (zum Beispiel Milchkühe)
  • Einführung eines einheitlichen, staatlichen Kennzeichnungssystems für alle Haltungsverfahren damit VerbraucherInnen besonders tiergerechte Erzeugung erkennen und honorieren können
  • Begleitung des Kennzeichnungssystems durch staatliche Informationskampagnen

3. EU-Agrarförderung ausschöpfen - Bäuerlich-ökologischere Landwirtschaft durch Umschichtung fördern

Langfristig muss die Gemeinsame EU-Agrarpolitik (GAP) grundlegend umgestaltet und das existierende Säulenmodell in der nächsten GAP-Reform hinterfragt werden. Die nachfolgenden Maßnahmen beziehen sich daher nur auf die GAP bis zum Jahr 2020, in dem die Möglichkeiten gemäß EU-Recht zur Förderung einer bäuerlich-ökologischeren Landwirtschaft ausgeschöpft und eine deutliche Stärkung der zweiten Säule erfolgen muss. Denn jährlich fließen etwa 6,3 Milliarden Euro aus EU-Mitteln in die Agrarförderung in Deutschland. Dieses Geld kann im Rahmen der EU-Vorgaben von der Bundesregierung durch Umschichtung zielgerichtet für die Existenzsicherung bäuerlicher Betriebe sowie einen Umbau hin zu mehr Qualität und gesellschaftlich gewünschten Formen der Erzeugung, beispielsweise besonders artgerecht, natur- und umweltschützend, eingesetzt werden. Die Leistungshonorierung für die so wirtschaftenden Betriebe muss gestärkt werden.

Wir fordern, dass Bund und Länder die gegebenen Spielräume nutzen:

  • Umschichtung von 15 Prozent der Direktzahlungen, unter anderem zur Förderung des Ökolandbaus sowie für die unter Punkt 1 genannten Anreizprogramme
  • Mehr Geld für kleinere und mittlere landwirtschaftliche Betriebe durch Ausschöpfung dessen was das EU-Recht zulässt, insbesondere mehr Geld auf die ersten Hektare
  • Mehr Geld für gesellschaftlich gewünschte Tierhaltungsformen von Wiederkäuern in Grünlandgebieten, beispielsweise durch gekoppelte Zahlungen
  • Förderprogramm in der 2. Säule für grundfutterbetonte und mengenreduzierende Fütterung (in Anlehnung an das Schweizer Programm "Grünlandbasierte Milch- und Fleischproduktion")
  • Agrarinvestitionsförderung für Stallbauten nur noch mit erhöhten Tierschutzanforderungen, angelehnt an die EU-Ökoverordnung

4. Fairer Handel statt Freihandel - Exportorientierung der EU-/deutschen Landwirtschaft beenden

Die Weltmarktpreise decken die Kosten für bäuerliche Betriebe, insbesondere im Milch- und Fleischsektor, in aller Regel nicht. Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA und die EPAs (Economical Partnership Agreements) verschärfen die Problematik der Exportabhängigkeit der Landwirtschaft in Europa und weltweit zusätzlich, fördern Umwelt- und Sozialdumping und verhindern so eine qualitätsorientierte Erzeugung. Die bestehenden und geplanten Freihandelsabkommen sind daher nicht geeignet, die Wertschöpfung der Landwirtschaft zu verbessern, weder in Deutschland, noch in der EU oder weltweit.

Sie blockieren stattdessen notwendige staatliche Regelungen etwa zur Marktdifferenzierung für tier- und umweltgerechte Produkte. Die Zukunft einer auskömmlichen Wertschöpfung in der Landwirtschaft liegt somit nicht auf dem Weltmarkt, sondern in der Region für die Region.

Wir fordern von der Bundesregierung:

  • Die Ausrichtung der europäischen und deutschen Agrarförderung auf die hiesige Erzeugung für europäische Absatzmärkte, insbesondere regionale Qualitätsmärkte
  • Keine weitere Ausdehnung des europäischen Agrarmarktes auf die Länder des globalen Südens, sondern Wahrung und Umsetzung von Ernährungssouveränität, d.h. des Rechtes aller Gemeinschaften, selbst darüber zu entscheiden, was sie anbauen, erzeugen und essen
  • Schutz der Märkte vor Umwelt- und Sozialdumping
  • Stopp von TTIP, CETA und Co. und Umsetzung des Konzepts des fairen Handels sowie keinen weiteren Abschluss von Freihandelsabkommen ohne das Vorsorgeprinzip

5. Mehr Bio, logisch! - Marktchancen von Bio für heimische Landwirtschaft und Umwelt nutzen

Die steigende Nachfrage nach Bio-Produkten in Deutschland ermöglicht den Ökomilch- und ÖkoschweinefleischerzeugerInnen eine derzeit zufriedenstellende Wertschöpfung. Der Ökologische Landbau ist gleichzeitig ein wichtiger Pfeiler für den Umbau hin zu einer umwelt- und tiergerechten Landwirtschaft. Die heimische Öko-Erzeugung hält mit dem Wachstum des Marktes jedoch nicht Schritt. Marktchancen für die deutsche Landwirtschaft bleiben so bisher ungenutzt. Ökolandbau wirkt außerdem marktentlastend: Er reduziert Angebotsüberhänge, weil etwas geringere Mengen mit höherer Wertschöpfung erwirtschaftet werden. Die Förderung des Ökologischen Landbaus ist daher ein wichtiges Element zur Bewältigung der aktuellen ErzeugerInnenpreiskrise, insbesondere im Milch- und Schweinesektor.

Wir fordern von der Bundesregierung:

  • Entwicklung des bäuerlichen Ökolandbaus zum Leitbild eines zukunftsfähigen Landwirtschaftssystems
  • Steigerung des Flächenanteils von Ökolandbau auf 20 Prozent bis 2030
  • Investition von 20 Prozent der Agrarforschungs-Mittel in Ökolandbauforschung, Tier- und Klimaschutz und Erhöhung der Mittel für das Bundesprogramm Ökologischer Landbau auf 60 Millionen Euro/Jahr

6. Überdüngung reduzieren, Wasser schützen - Flächenbindung der Tierhaltung sichern

Die Düngeverordnung (DüV) in Deutschland ist seit Jahren nicht ausreichend, um die EU-Standards für den Wasserschutz vor landwirtschaftlichen Nitrateinträgen zu erreichen. Sie erlaubt unter anderem gewerblichen, nicht-bäuerlichen Tierhaltungen eine kostengünstige Gülle-Entsorgung und lässt Gülle-Importe etwa aus den Niederlanden und anderen Nachbarländern zu - ohne wirksame und bundesweit einheitliche Kontrollen. So werden Grundwasser, Flüsse, Seen und Meere geschädigt. Daher hat die EU-Kommission nun eine Klage gegen Deutschland eingereicht.

Hauptverursacher der Nitratbelastung sind gewerbliche Betriebe die immer mehr Tiere halten, ohne genügend lokale Flächen für die Ausbringung ihrer Gülle zu besitzen. Das führt in bestimmten Regionen zu einer starken Überdüngung. Mit dieser Art der industriellen sowie tier- und umweltschädigenden Produktion gelangen immer größere Mengen an billiger Milch und Fleisch auf den Markt, wodurch Druck auf die ErzeugerInnenpreise entsteht. Die Lücken im Düngerecht sind somit mitverantwortlich für die aktuelle Preiskrise.

Wir fordern von Bund und Ländern:

  • Die unverzügliche Neufassung des Düngerechts mit strengen Obergrenzen gegen Überdüngung, die durch Hoftorbilanzen kontrolliert werden, also durch den vollständigen Mengenvergleich der ein- und ausgehenden Nährstoffe auf Betriebsebene
  • Einrichtung einer Import- und Transportdatenbank für Gülle und aller anderen Wirtschaftsdünger, um dem unkontrollierten Produktionswachstum und der billigen Nährstoffentsorgung von gewerblichen Tierhaltungen einen Riegel vorzuschieben
  • Umsetzung des Verursacherprinzips: Die DüV muss die Betriebe und Produktionsformen belasten, die für zu viel Nitrat im Grundwasser verantwortlich sind
  • Festmist und Kompost sind von der Reglementierung auszunehmen, ebenso extensiv wirtschaftende Betriebe

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Quelle:
Kampagne Meine Landwirtschaft
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
Tel. 030 / 28482437, Fax 030 / 27590312
E-Mail: info@meine-landwirtschaft.de
Internet: http://www.wir-haben-es-satt.de,
http://www.meine-landwirtschaft.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2016

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