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MARKT/1767: Bio und billig passen nicht zusammen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 330 - Februar 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Bio und billig passen nicht zusammen
Konventioneller LEH verliert am Biomarkt

Von Claudia Schievelbein


Das Gefühl ist wohl mehrheitlich eine gewisse Erleichterung darüber, dass es nicht noch schlimmer gekommen ist. Sogar unter den Biobauern und Bäuerinnen, die am Ende der Handelskette stehen und letztlich, wie ihre konventionellen Kollegen auch, das als Preis für ihre Produkte nehmen müssen, was ihnen die Marktpartner übriglassen, ist die Stimmung zwar verhalten, aber nicht völlig im Keller. Man hatte schließlich nichts Gutes erwartet, als sich nach den fetten Jahren auch für den Biomarkt die Bremse Wirtschaftskrise abzeichnete und andererseits die letzten beiden Ernten gut waren und damit ordentlich Menge in Umlauf brachten. Kartoffel- und Weizenpreise unter 30 Euro pro Dezitonne sind eigentlich Hausnummern, unter denen nur Wenige noch rentabel auf den Acker fahren können, trotzdem sind sie nach der Ernte 2009 Realität. Und doch sind Viele froh, das überhaupt noch zu kriegen und ihre Ware loszuwerden. "Letztes Jahr konnten wir nicht so viel produzieren, wie wir absetzen hätten können, dies Jahr will es keiner haben", sagt Peter Großmann-Neuhäusler, Bio-Bauer aus Bayern, der in größerem Umfang Kartoffeln und Feldgemüse anbaut. Gerade die, die größere Mengen in größeren Strukturen in den scheinbar unersättlichen konventionellen Lebensmitteleinzelhandel gepumpt haben, sind nun froh über jeden LKW, der überhaupt vom Hof fährt und nicht reklamiert oder verweigert wird.


Preisschlachten erfolglos

Diese Entwicklung drückt sich auch in den Aussagen und Zahlen aus, die der Handel auf der traditionellen Bilanzpressekonferenz des Bundes ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) auf der diesjährigen Grünen Woche in Berlin präsentierte. Wachstum gab es für den Ökomarkt nur noch im Naturkost-Fachhandel, dort ließ sich der Umsatz 2009 noch mal um voraussichtlich 3 bis 4 Prozent steigern. Für den Gesamtumsatz retten diese Wachstumsmargen unter Umständen die schwarze Null, sicher ist jedenfalls, dass der Umsatz mit Bioprodukten im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel im vergangenen Jahr zurückgegangen ist. Das hat zum einen mit einer Kaufzurückhaltung der Konsumenten und der Übernahme von Plus durch Netto und der damit verbundenen Sortimentseinschränkung zu tun, zum anderen ist es nicht gelungen, durch das massiv eingesetzte Instrument der Preissenkungen den Umsatz zu steigern. Und das, obwohl insgesamt mehr Menge abgesetzt werden konnte. Damit ist der LEH auch im Ökobereich in dieselbe Sackgasse gelaufen wie im konventionellen Lebensmittelmarkt. Auch dort haben die Preisschlachten des vergangenen Jahres statt der geplanten Umsatzsteigerung ein Minus von 2, 4 Prozent gebracht. Ökoberater Hubert Redelberger beschreibt das Phänomen auf der diesjährigen DLG-Wintertagung folgendermaßen: "Die Nachfrage reagiert teilweise umgekehrt preiselastisch: Zu Schleuderpreisen erfährt die Milch keine Wertschätzung, die Absätze gehen zurück." Bezeichnend dafür ist auch, dass die stärksten Umsatzrückgänge von zehn und mehr Prozent im Biogesamtmarkt die auf breiter Front im konventionellen LEH eingeführten Produkte Kartoffeln, Obst und Milcherzeugnisse betreffen. Umsatzzuwächse gab es hingegen bei Dingen, die noch ein Nischendasein führen und eher im Naturkosthandel zu finden sind wie alkoholische Getränke oder Frischfleisch. Allerdings konnte auch die Babynahrung noch mal zulegen und offenbart damit auch eine bestimmte Haltung, die Verbraucher und Verbraucherinnen in Zeiten der Krise an den Tag legen: Es wird genauer hingeguckt, was im Einkaufswagen landet, Produkte, die ökologisch produziert keinen persönlichen Zusatznutzen versprechen, werden aus Preisgründen eher durch konventionelle Produkte ersetzt. Bio-Premium-Produkte mit Zusatznutzen (hier reicht oft nicht Verbandsware statt EU-Bio, sondern es muss auch bspw. regional, fair gehandelt, aus artgerechter Tierhaltung oder eben "das Beste fürs Kind" sein), werden jedenfalls sehr wohl und eher noch zunehmend gekauft. Dies drücken auch die Zuwächse im Fachhandel aus, wo es diese Produkte häufiger gibt als im konventionellen Supermarkt.


Der kleine Luxus

Trendforscher sehen in Zeiten einer Krise immer auch ein Hinwenden zum "kleinen Luxus": kein Zweiturlaub mehr, sondern stattdessen ein Premium-Alltagsprodukt. Zudem sind die typischen Kunden im Naturkostladen oder Biosupermarkt häufig Überzeugungstäter, die auch oder gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise die Notwendigkeit sehen, etwas Gutes für die Umwelt zu tun. Dass 8 Prozent der Bevölkerung für mehr als 60 Prozent der Bioumsätze sorgen, rechnete Professor Ulrich Hamm in Berlin vor. Er sieht im Premium-Bio Bereich mit Zusatznutzen noch Potential für Bäuerinnen und Bauern, sich zu profilieren, wer hingegen einfach nur Bio oder auch einfach nur Verbandsbio produziert, muss zukünftig seiner Ansicht nach noch mal stärker auf die Produktionskosten gucken und diese drücken: "Die Mittleren geraten in Bedrängnis". Das hören die Vertreter der Bioverbände sicher nicht so gerne, zumal Bioland-Präsident Thomas Dosch bei der Vorstellung der Zahlen für die Entwicklung in der Produktionsfläche und Anzahl der Betriebe auf einen Zuwachs bei der Verbandszugehörigkeit verweisen konnte. Offenbar ist die Erkenntnis, dass man "sich zunehmend auf differenzierte Märkte" einstellen müsse, so Dosch, bei den Bäuerinnen und Bauern insofern angekommen, als dass sie sich durch eine Verbandsmitgliedschaft einen Einstieg in die Premiummärkte erhoffen.


Siegel und Macht

Vielleicht verbindet sich mit der Verbandsmitgliedschaft beim Einen oder Anderen auch die Hoffnung, eher der Medienschelte zu entgehen, die nun hin und wieder auch den bisher so geliebten Biobauern und Bäuerinnen entgegenschlägt. Kritisiert wurde in verschiedenen Beiträgen in der jüngeren Vergangenheit häufig eine auf Massenproduktion ausgerichtete, großstrukturierte Betriebsklientel, die häufig - aber eben auch nicht nur - auf unterstem Bioniveau, also der EU-Ökoverordnung, produziert. "Wenn aus kurzfristigen Gewinninteressen vor allem Mengensteigerung im Bio-Markt angestrebt wird, dann sind sinkende Preise und schwankende Märkte vorprogrammiert", sagt Hubert Redelberger. Ob als Versuch, dem zu entgehen, eine Verbandsmitgliedschaft ausreichend ist, bleibt fraglich. Sicherlich eine Abwertung der Verbandszeichen wäre es, wenn das sechseckige Bio-Logo des Bundeslandwirtschaftsministeriums nach einer Abgabe in andere Hände - die noch junge "Initiative deutscher Bundesverband ökologischer Landbau" hatte Interesse an einer Übernahme angemeldet - von seinen Standards auf das Verbändeniveau gehievt würde. "Das nützt nur den Verarbeitern", sagt Thomas Dosch, da diese dann die Verbände und damit die Erzeuger preislich gegeneinander ausspielen würden. Da das Biosiegel allerdings bei einer Abgabe durch das Bundesministerium öffentlich ausgeschrieben werden müsste, bestünde auch die Gefahr, dass es sich etwa ein großes Handelsunternehmen sichert. "Wenn das neue EU-Siegel selbsterklärend wäre, würde das nationale Biosiegel nicht mehr gebraucht", so Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstand des Bölw, aber so könne es zumindest bislang nicht im Interesse des Ministeriums und auch der Verarbeiter sein, das Siegel loszuwerden. Darüber sind sich die meisten der Beteiligten offenbar einig, lediglich Ex-Staatsekretär Gerd Lindemann war sehr daran gelegen, das Siegel über die Öko-Bundesverbands-Initiative unter Umständen mehr oder weniger direkt in den Einflussbereich des Bauernverbandes zu legen. Darüber, dass Lindemann nun nicht mehr Staatssekretär ist, mag sich auch an dieser Stelle der DBV ein wenig ärgern. Dem Biomarkt und seinen Bäuerinnen und Bauern bleibt die Hoffnung auf bessere Zeiten, treue Kunden, ein Ende der Wirtschaftskrise, wohlwollende Journalisten und die Abstinenz eines Skandals.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 330 - Februar 2010, S. 11
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
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(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. März 2010