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RECHT/357: Kleinsterzeuger dürfen weiter Sorten tauschen (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 346 - Juli/August 2011
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Kleinsterzeuger dürfen weiter Sorten tauschen
Pflanzentauschmärkte durch Ausnahmeregel von EU-Recht vorübergehend gerettet

von Christiane Hinck


Schon immer tauschten Menschen, die alte Sorten erhalten wollten oder nicht gewerblich züchteten, Saatgut untereinander. Im Zuge der Überarbeitung der österreichischen Saatgutverordnung stand dieses Recht auf der Kippe: Nach der EU-Richtlinie für Erhaltungssorten von 2008, die deren Inverkehrbringen regelt, müssen Sorten, die bisher allen frei zu Verfügung standen, gegen eine Gebühr für den kommerziellen Verkauf angemeldet werden. Zwar gibt es ein im Vergleich zum regulären Zulassungsverfahren vereinfachtes und billigeres Verfahren - doch verbietet es den freien Saatgutaustausch. Die EU-Richtlinie, so Dreschflegel, ein Verein zur Förderung der Kulturpflanzenvielfalt, behindere das Inverkehrbringen eher, als dass sie es fördere.

Nachdem es in Österreich viel Kritik an der Anpassung an EU-Recht gegeben hatte, darf Saatgut von Erhaltungs- und Amateursorten, also alten, vom Aussterben bedrohten oder nicht zugelassenen Sorten, weiter unter Kleinsterzeugern getauscht werden. Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich unterzeichnete eine entsprechende Ausnahmeregelung. Danach dürfen jährlich 200 kg Saatgut pro Person getauscht werden. Die Geschäftsführerin Beate Koller von Arche Noah, einer österreichischen Initiative für Kulturpfanzenvielfalt, begrüßt dieses Vorgehen: "Es wäre ein verheerendes Signal für die Freiwilligen gewesen, wenn ihr ehrenamtliches Engagement mit hohen Verwaltungsstrafen bedroht worden wäre - und das, obwohl sie in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Sorten vor dem Aussterben bewahrt haben."


Unklare Regelung

In Deutschland gibt es bezüglich Erhaltungs- und Amateursorten keine klare gesetzliche Regelung für eine nicht-kommerzielle Abgabe von Saatgut. Unklar ist, ob ein Tausch unter die gesetzlichen Regelungen für das "Inverkehrbringen" fällt. Sabine Marten von Dreschflegel weist auf Beschränkungen für den Handel mit Erhaltungssorten hin: "Erhaltungssorten dürfen - mit wenigen Ausnahmen - nur in ihren Ursprungsregionen vermehrt und in Verkehr gebracht werden."

Diese Regelung ginge, so Marten, am Sinn der Erhaltungs- und Amateursorten vorbei, die über Jahrzehnte in verschiedenen Regionen angebaut worden seien, auch um eine möglichst hohe genetische Vielfalt zu erhalten. In Österreich besteht dieses Problem nicht, da als Ursprungsregion die gesamte Landesfläche definiert wurde. Hinderlich für den Sortenerhalt ist auch die in Deutschland geltende Sperrfrist von zwei Jahren nach Auslaufen eines Eintrags im EU- oder nationalen Sortenkatalog.

Die neuen EU-Richtlinien zu den Erhaltungssorten von 2008 (Getreide und Kartoffeln) und 2009 (Gemüse) und deren nationale Umsetzungen könnten jedoch schon bald wieder passe sein. Unter dem Schlagwort "better regulation" arbeitet die Europäische Kommission derzeit an einer Revision des Europäischen Saatgutrechts - auch für nichtkommerzielle Sorten. Die bisher zwölf Richtlinien, die das europäische Saatgutverkehrsrecht regeln, sollen in einer Verordnung zusammengefasst werden. Dies würde in den Mitgliedsstaaten unmittelbar geltendes Recht setzen.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 346 - Juli/August 2011, S. 15
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2011