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ASYL/1287: CDU/CSU-"Kompromiss" - Europa braucht keine weiteren Lager (Flüchtlingsrat Niedersachsen)


Flüchtlingsrat Niedersachsen - Pressemitteilung vom 3. Juli 2018

Flüchtlingsrat Niedersachsen zum CDU/CSU-"Kompromiss": Europa braucht keine weiteren Lager!


Der Flüchtlingsrat Niedersachsen ist bestürzt über das gestrige Ergebnis der Auseinandersetzungen zwischen CDU und CSU; Europa braucht keine weiteren Lager an seinen Innen- und Außengrenzen.

"Die Internierung von Schutzsuchenden an der deutschen Grenze würde einen zivilisatorischen Rückschritt bedeuten. Es besorgt uns zu sehen, wie Europa momentan von populistischer Abschottungsrhetorik gelenkt wird", erklärt Sebastian Rose vom Flüchtlingsrat Niedersachsen. "Die SPD darf unter keinen Umständen dem Irrglauben der Unionsparteien zustimmen, dass Lager - seien es AnkER-Zentren oder Transitzonen - das Allheilmittel der Flüchtlingspolitik sind."

Auch die derzeitige politische Auseinandersetzung um nationale Grenzkontrollen und die Zurückweisung von Asylsuchenden in andere EU-Staaten weist in vielerlei Hinsicht irrationale Züge auf: Trotz der niedrigen Zahl der ankommenden Flüchtlinge (41.000 Menschen flohen nach Angaben des UNHCR 2018 bislang über das Mittelmeer, 2015 waren es eine Million Menschen) stellt die CSU ultimative Forderungen nach nationalen Grenzkontrollen. Selbst konservative Verfassungsrechtler halten diese für europarechtswidrig.[1]

"Wer um sein Leben flieht, zu Fuß durch die Sahara läuft, von Milizen geführte Gefangenenlager in Libyen und die Überquerung des Mittelmeers in nicht seetüchtigen und überfüllten Schlauchbooten übersteht, sollte in Europa nicht weiterer Schikane ausgesetzt werden, sondern vielmehr Perspektiven aufgezeigt bekommen", so Laura Müller vom Flüchtlingsrat. Mehr Abschreckung wird die Zahl der Schutzsuchenden nicht reduzieren können. Die Abschreckungswirkung der Lager in Europa wird den Terror, den Krieg und die Verfolgung in vielen Herkunftsländern sobald nicht überbieten können. Durch Kontrollen und Strafen sollen Asylsuchende dazu gebracht werden, im dem Land zu bleiben, in dem sie zuerst registriert wurden. Eine dezidiert menschenrechtliche Position hat in diesem Streit kaum noch Chancen, Gehör zu finden. Dabei übersehen viele europäische und deutsche Entscheider_innen allerdings, dass Schutzsuchende vor Krieg und Verfolgung fliehen. Allein im Süden Syriens sind in Folge der kriegerischen Auseinandersetzungen der letzten Wochen derzeit rund 270.000 Menschen auf der Flucht.

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen fordert die Bundesregierung auf, den gestern gefundenen "Kompromiss" zwischen CDU und CSU sowie ihre auf Abschiebung und Abschreckung abzielende Flüchtlingspolitik zu verwerfen und Humanität und Flüchtlingsschutz wieder in den Vordergrund zu stellen.


Hintergrund:

Der Flüchtlingsrat Niedersachsen hat vor wenigen Tagen in einem Hintergrundtext "Flüchtlinge in Europa: Repression statt Menschenrechte?" detaillierter erläutert, welche Aspekte den in der Öffentlichkeit vermittelten angeblich so einfachen politischen Lösungen bei der europäischen Verantwortungsteilung in der Flüchtlingspolitik entgegenstehen.


Anmerkung:
[1] https://www.deutschlandfunk.de/europarechtler-zu-asyldebatte-kluge-migrationspolitik-setzt.868.de.html?dram:article_id=421130, abgerufen am 03.07.2018.

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Quelle:
Flüchtlingsrat Niedersachsen e.V.
Röpkestr. 12, 30173 Hannover
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Internet: www.nds-fluerat.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2018

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