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AKTUELL/029: Volksentscheid am 4. Juli 2010 - Bayerns Bürger und der Nichtraucherschutz (idw)


Otto-Friedrich-Universität Bamberg - 10.06.2010

Bayerns Bürger und der Nichtraucherschutz

Bamberger Politikwissenschaftler untersuchen die Meinungsbildung zum Volksentscheid am 4. Juli 2010


Wie soll das Rauchen in Gaststätten geregelt werden? Diese Frage beschäftigt die Deutschen seit einigen Jahren. Eine besonders wechselvolle Entwicklung haben in dieser Hinsicht Bayerns Bürger erlebt. Zunächst beschloss der bayerische Landtag ein absolutes Rauchverbot, das er jedoch nach der Landtagswahl 2008 wieder lockerte. Eine beträchtliche Zahl von Bürgern war damit nicht einverstanden und setzte ein erfolgreiches Volksbegehren in Gang. Nun haben die Bürger das Wort: Am 4. Juli 2010 entscheiden sie in einer Volksabstimmung darüber, ob der Gesetzentwurf des Volksbegehrens "Für echten Nichtraucherschutz!" an die Stelle der geltenden Regelung tritt und damit einige Ausnahmeregeln abgeschafft werden.

Den Volksentscheid und den vorausgehenden Wahlkampf beobachten Politikwissenschaftler an der Universität Bamberg mit besonderem Interesse. Denn die Forscher um Prof. Dr. Harald Schoen, den Inhaber des Lehrstuhls für Politische Soziologie an der Universität Bamberg, untersuchen die Meinungsbildung und das Abstimmungsverhalten der Bürger. Sie wollen herausfinden, wie sich die Stimmberechtigten eine Meinung zum Volksentscheid bilden, warum sie an der Abstimmung teilnehmen oder ihr fernbleiben und warum sie sich für die eine oder die andere Seite entscheiden. Ein Kernstück des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekts bildet eine telefonische Befragung von insgesamt 4000 stimmberechtigten Bayern in der Zeit vom 25. Mai bis zum 3. Juli 2010. Darin werden die Bürger zum Nichtraucherschutz, zum Volksentscheid und zum Wahlkampf befragt.


Der Volksentscheid ist bei vielen Bürgern noch nicht angekommen

Inzwischen liegen erste Ergebnisse aus über 1300 Interviews vor, die zwischen dem 25. Mai und 7. Juni geführt wurden. Die Resultate deuten darauf hin, dass der Volksentscheid bislang bei vielen Bürgern noch nicht angekommen ist. Lediglich jeder fünfte Befragte fühlt sich gut über den Volksentscheid informiert, selbst unter denjenigen, denen der Volksentscheid wichtig ist, fühlt sich lediglich jeder Dritte gut informiert. Mit ihrer kritischen Einschätzung liegen die Stimmberechtigten richtig. Denn viele Bürger kennen wesentliche Inhalte des Gesetzentwurfs rund einen Monat vor dem Volksentscheid noch nicht. Nicht einmal jeder fünfte befragte Bayer weiß bislang, wann der Volksentscheid stattfinden wird. Und auch die Regeln des Volksentscheids sind einem beträchtlichen Teil der Stimmberechtigten bisher nicht bekannt. Diese Informationslücken fallen umso schwerer ins Gewicht, als geringe Informiertheit das Stimmverhalten und den Ausgang des Volksentscheids beeinflussen kann. "Beispielsweise könnten Bürger, die den Gesetzentwurf ablehnen, keine Stimme abgeben, weil sie meinen, eine Enthaltung wirke sich als Gegenstimme aus. Tatsächlich wirkt eine Enthaltung jedoch nicht als Gegenstimme. Sie könnten daher gegen ihre Absicht zum Sieg des Gesetzentwurfs beitragen", hebt Schoen hervor. "Dieses Beispiel veranschaulicht, wie groß der Aufklärungsbedarf ist."


Im Moment hat der Gesetzentwurf eine klare Mehrheit

In der Ende Mai und Anfang Juni durchgeführten Befragung zeichnet sich eine deutliche Mehrheit für den Gesetzentwurf "Für echten Nichtraucherschutz!" ab. "Ob man sich Anhänger der CSU, der Grünen, der SPD oder aber Personen ohne Parteibindung ansieht, sie wollen mehrheitlich für den Gesetzentwurf stimmen," so der Bamberger Politikwissenschaftler. Er weist zugleich darauf hin, dass es sich bei diesem Ergebnis um eine Momentaufnahme handele, aus der man nicht ohne weiteres auf den Ausgang des Volksentscheids am 4. Juli schließen könne. "Wenn man bedenkt, dass sich etliche Bürger noch nicht intensiv mit dem Volksentscheid beschäftigt haben und nicht gut informiert sind, kann sich bis zur Abstimmung noch einiges ändern."

Zum Beispiel scheinen bisher etliche Bürger, die ein Rauchverbot in Bierzelten ablehnen, für den Gesetzentwurf stimmen zu wollen, der genau ein solches Verbot vorsieht. "Mit gut gemachten Kampagnen dürften sich etliche Bürger mobilisieren oder in die eine oder die andere Richtung umstimmen lassen", folgert daraus der Politikwissenschaftler. "Wir werden beobachten, ob sich in unseren Befragungen in den kommenden Wochen Verschiebungen im Meinungsbild erkennen lassen."


Wirkungen von Kampagnen und Medienberichterstattung werden untersucht

Die Bamberger Forscher sind daher gespannt, was sich beide Seiten einfallen lassen werden, um die Bürger zu mobilisieren und für sich zu gewinnen. Um diese Frage zu klären, beobachten sie die Wahlkampfaktivitäten von Befürwortern und Gegnern des Gesetzentwurfs. Und auch die Medienberichterstattung in Fernsehen, Zeitungen und Internet haben die Forscher im Blick. "Betrachtet man etwa die Aktivitäten im Internet, haben im Moment die Befürworter des Gesetzentwurfs die Nase vorn. Aber wir wissen natürlich noch nicht, wie sich die Kampagnen in der heißen Wahlkampfphase entwickeln werden. Da kann es noch einige Überraschungen geben", so Schoen.

Die Informationen, die sie bis zum Volksentscheid in telefonischen Interviews sowie mittels Medien- und Kampagnenbeobachtung sammeln, wollen die Forscher anschließend kombinieren. Ziel ist es dann herauszufinden, welche Wirkung Medieninhalte und Kampagnen auf die Meinungsbildung der Bürger und den Ausgang des Volksentscheids entfalten. Davon erhoffen sich die Bamberger Politikwissenschaftler Erkenntnisse über die politische Urteilsbildung in direktdemokratischen Verfahren, die sich auch im Hinblick auf künftige Volksentscheide in Bayern und anderen Ländern als wertvoll erweisen können.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution93


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Dr. Monica Fröhlich, 10.06.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2010