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AKTUELL/038: Wahlplakate im Wählerurteil - Studie ermittelt große Vielfalt ohne klare Sieger (idw)


Universität Hohenheim - 24.03.2011

Wahlplakate im Wählerurteil: Studie ermittelt große Vielfalt ohne klare Sieger


Tops & Flops in Sachen Erkennbarkeit, Verständlichkeit und Glaubwürdigkeit bei allen Parteien Klassisch bis experimentell: Bei Wahlplakaten setzten die Wahlkampfmanager im aktuellen Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg auf teilweise stark unterschiedliche Strategien. In einer Studie haben Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim die Vielfalt nach klassischen Regeln und im subjektiven Wählerurteil untersucht. Ergebnis: In allen Bereichen gibt es gut gemachte Beispiele. In der Summe jedoch kein Plakat, das in jeder Hinsicht überzeugt. Die vorliegende Pressemitteilung ist ein Beitrag im Rahmen des Themenjahrs 2011 "Universität Hohenheim - stark durch Kommunikation".

Wahlkampfmanager schätzen das klassische Wahlkampfplakat als eines der wichtigsten Werbemittel im Wahlkampf ein: "Umfragen zeigen, dass das Plakat zusammen mit Internet-Auftritten und Parteiveranstaltungen bei den Wahlkampfleitern nach wie vor an erster Stelle liegt - noch vor TV-Duellen, Fernsehspots, Broschüren und Anzeigen", zitiert Jan Kercher, Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim, einschlägige Umfragen.

Erklären lasse sich dies auch mit der hohen Reichweite: "Plakate erreichen fast die gesamte Bevölkerung. Fernsehspots dagegen nur wenig mehr als die Hälfte", so Kercher. Entsprechend hoch fielen auch die entsprechenden Budgets für den Plakat-Wahlkampf aus: "Hier geben sich die Parteien leider nicht sehr auskunftsfreudig. Aber auf der Grundlage der Zahlen, die uns aus verschiedenen Wahlkämpfen vorliegen, dürfte der Etat für Plakate meistens etwa ein Drittel des Wahlkampfbudgets verschlingen, manchmal sogar mehr."


Funktion der Plakate: Stammwähler mobilisieren und Themen bestimmen

Bei ihrem Ansatz die aktuelle Plakatwerbung zu bewerten, stützen sich Kercher und seine Mitarbeiter auf zweiQuellen: tradierte Kriterien der Fachliteratur und Auskünfte von über 400 Testpersonen, die sich aus Sympathisanten aller Parteien und unabhängigen Wählern zusammensetzten.

"Nach den Ergebnissen der Forschung haben Wahlplakate vor allem die Funktion Stammwähler zu mobilisieren und bestimmte Themenfelder im Wahlkampf zu betonen, auf denen sich die jeweilige Partei im Vorsprung fühlt. Politische Einstellungen der Wähler selbst werden durch Plakate kaum verändert", erklärt Kercher.

Eine Aufgabe, für die es bewährte Gestaltungsregeln gäbe: "Als optimal gelten Bild-Text-Kombinationen, bei denen ein assoziationsreiches Bild positive Emotionen auslöst und den Blick in wenigen Schritten auf Slogan und Partei-Logo lenkt".

Gestalterisch gelten klare Gliederung, ausgewogener Kontrast und freundliche Farben als förderlich für eine positive Plakatwirkung. Negativ beeinflusst wird die Plakatwirkung hingegen durch unsympathische oder gar keine Bilder, dunkle oder grelle Farbtöne oder zu viel Text.


CDU gestaltet klassisch, SPD eher experimentell

"Vor diesem Hintergrund fällt auf, dass die Parteien in diesem Wahlkampf sehr unterschiedliche Strategien ausprobieren", meint Kercher. Beispiele für diesen Befund seien die CDU mit sehr klassischen Plakaten, die die Partei im Vorfeld hatte testen lassen, die SPD mit ihrer sehr experimentellen Gestaltung und die Linken mit reinen Textplakaten.

"Nachteil bei der CDU sind vor allem der etwas kühl-sterile Farbton, dagegen überfordert die SPD den flüchtigen Betrachter durch zu viele Bildinformationen und verwirrende Fragen, die nur durch das Kleingedruckte verständlich werden."

Ein ähnliches Manko - Fragen mit kleingedruckten Antworten als Text - wiesen auch die Plakate der FDP auf. Dafür seien die flapsig-ironischen Slogans der Grünen für manche Wähler vielleicht zu anspruchsvoll.

"Beim Design haben die Linken ihre Plakate von Wahl zu Wahl nur minimal verändert, sie dürften also einen hohen Wiedererkennungswert haben", erklärt Kercher. Knallige Farben, fehlende Fotos und eine Textgestaltung, die an die Bildzeitung erinnert, könnten aber leicht als unsympathisch und unseriös empfunden werden.


Subjektive Bewertung mit unterschiedlichen Wählergruppen

Noch wichtiger als die Bewertung nach formalen Kriterien war den Forschern um Kercher jedoch der Praxis-Test, wie gut einzelne Plakate bei den jeweiligen Parteianhängern und den unentschlossenen Wählern ankamen.

Um die Befragten nicht mit einer Plakatflut von fünf Parteien mit jeweils bis zu zehn Plakaten zu überfrachten, wählten die Forscher im Vorfeld jeweils zwei Plakate jeder Partei aus. "Dabei stützten wir uns auf die gängigen Richtlinien der Plakatgestaltung und wählten von jeder Partei die beiden Plakate aus, die diese Kriterien am besten und am schlechtesten erfüllten."

Diese zehn Positiv- und Negativ-Beispiele bekamen insgesamt 419 Testpersonen zu sehen. Getestet wurde, wie gut die Plakate auch ohne Partei-Logo den jeweiligen Parteien zugeordnet werden konnten, wie gut sich die Probanden nach kurzer Unterbrechung an die Slogans erinnerten, und wie sehr die Plakate Verständlichkeit, Sympathie und Glaubwürdigkeit ausstrahlten.


Spezialfall Verständlichkeit: Einzelbeispiele weitgehend unverständlich

Gerade beim Thema Verständlichkeit zeige sich jedoch immer wieder, dass fast keine Partei vor groben Fehlgriffen bei der Plakatgestaltung gefeit sei. Um dies zu belegen, wählten die Forscher einige besonders problematische Plakate aus und baten die Testpersonen, anzukreuzen, welche Aussage den Inhalt des jeweiligen Slogans korrekt wiedergibt.

Nur ein knappes Drittel der Teilnehmer habe den FDP-Slogan "Wer denkt an die nächsten Generationen?" der korrekten Aussage des Plakats zuordnen können. Nur knapp die Hälfte verstand den SPD-Slogan "Welche Sprache spricht Integration?". Und bei einem Plakat der Grünen hatte immerhin ein Drittel der Teilnehmer Verständnisprobleme mit dem Slogan "Die neue Ellenbogen-Gesellschaft".


Keiner überzeugt völlig - doch alle punkten in Teilbereichen

Insgesamt habe es keine Partei gegeben, die allen Ansprüchen gleichermaßen gerecht wurde: "Klare Gewinner oder Verlierer konnten wir nicht festmachen. Welche Kampagne am besten oder am schlechtesten abschneidet, kommt stark darauf an, welche Plakat-Eigenschaften man betrachtet", so Kercher.

• Bei der ERKENNBARKEIT hätten Grüne und FDP die Nase vorn, bei der ERINNERBARKEIT hingegen Linke und Grüne. Besonders schlecht schneide in beiden Fällen das Bildungs-Plakat der CDU ab.

• Dafür schneide das Bildungs-Plakat der CDU bei der VERSTÄNDLICHKEIT sehr gut ab, zusammen mit einem Plakat der Linken und der SPD. Die geringste Verständlichkeit weise das Integrations-Plakat der SPD sowie das Haushalts-Plakat der FDP auf.

• Die Grünen-Plakate schneiden, neben dem Bildungs-Plakat der CDU auch bei der SYMPATHIE-Bewertung besonders gut ab. GLAUBWÜRDIGKEIT strahlten neben dem Bildungs-Plakat der Grünen v.a. die beiden SPD-Plakate aus.


Unabhängige Wähler kritischer als Stammwähler

Ähnlich unterschiedlich sei auch die Beurteilung durch die verschiedenen Wählergruppen unter den Testpersonen:

• Die beste STAMMWÄHLER-Bewertung erhielten je ein Plakat der Linken (Thema Kinderarmut/Hartz IV; 7,8 von 10 Punkten), der CDU (Thema Bildung; 7,5 von 10 Punkten) und der FDP (Thema Mittelstand; 7,3 von 10 Punkten).

• Daneben gingen die BESTNOTEN der UNABHÄNGIGEN WÄHLER an ein Plakat der SPD (Thema gute Arbeit; 6,7 von 10 Punkten), der Grünen (Thema Bildung; 6,5 von 10 Punkten) und der CDU (Thema Bildung; 6,5 von 10 Punkten).

• Besonders NEGATIV bewerteten die UNABHÄNGIGEN WÄHLER hingegen die beiden Plakate der Linken (Thema: Integration bzw. Kinderarmut/HartzIV; 4,3 bzw. 5,3 Punkten) sowie eines der FDP (Thema: Bildung; 5,6 Punkte).



Themenjahr 2011 "Universität Hohenheim - stark durch Kommunikation"

Das Themenjahr "Kommunikation" der Universität Hohenheim soll einem breiten Spektrum unterschiedlicher Wissenschaftsbeiträge eine Plattform bieten. Die Universität Hohenheim selbst bezieht dabei ihrem Grundauftrag entsprechend keine eigene Position, allein die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellen ihre fundierten Standpunkte nach außen dar.

Detailergebnisse unter www.uni-hohenheim.de/presse



Text: Klebs

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution234


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Hohenheim, Florian Klebs, 24.03.2011
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. März 2011