Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → FAKTEN


DEMOSKOPIE/712: Deutsche blicken optimistischer in die Zukunft als europäische Nachbarn (idw)


Bertelsmann Stiftung - 06.09.2017

Deutsche blicken optimistischer in die Zukunft als europäische Nachbarn


Flüchtlingskrise, Brexit, erstarkender Populismus - seit der Bundestagswahl 2013 haben zahlreiche Ereignisse und Trends die politischen Landkarten in Europa komplett verändert. Doch in Deutschland nähren diese Umwälzungen anscheinend vor allem das Bedürfnis nach Stabilität. Die neue "eupinions"-Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass die Deutschen deutlich optimistischer und zufriedener sind als andere Europäer.


Gütersloh, 6. September 2017. Einigkeit und Zufriedenheit in Zeiten des Umbruchs - so lässt sich die Stimmungslage der Deutschen laut der aktuellen "eupinions"-Umfrage der Bertelsmann Stiftung zusammenfassen. Auffallend ist: Die Deutschen sind wesentlich positiver gestimmt als ihre europäischen Nachbarn und geben ihrem eigenen Land deutlich bessere Noten als der EU. Außerdem gilt: Die politische Mitte ist in Deutschland so stark wie in keinem anderen der großen EU-Staaten. Die Umfrageergebnisse sind repräsentativ für die EU insgesamt sowie die sechs größten Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Polen, Spanien.

Am deutlichsten wird die positive Grundstimmung der Bundesbürger bei der Frage nach dem Zustand des eigenen Landes und der Demokratie. In beiden Kategorien sind die Deutschen im EU-Vergleich Spitzenreiter in puncto Optimismus: 59 Prozent der Deutschen sind zufrieden mit der Entwicklung des eigenen Landes und 63 Prozent sind mit der deutschen Demokratie zufrieden. Die Zustimmung zur Entwicklung des eigenen Landes ist in Deutschland seit März 2017 sprunghaft angestiegen. Im Frühjahr waren nur 32 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass sich das Land in die richtige Richtung entwickele, im Sommer waren es 59 Prozent. Die Italiener sind mit 13 Prozent am unzufriedensten mit ihrem Land. In Frankreich, wo mit Emmanuel Macron ein neuer Staatspräsident angetreten ist, sind die Pessimisten weiterhin in der Mehrheit, aber auch ihr Anteil ging deutlich zurück: Während im Frühjahr nur 12 Prozent der Franzosen angaben, ihr Land entwickele sich in die richtige Richtung, waren es im Sommer 2017 schon 36 Prozent.

Auch wirtschaftlich haben die Bundesbürger offenbar wenig zu beklagen: Für drei Viertel (77 Prozent) hat sich die wirtschaftliche Situation entweder verbessert (34 Prozent) oder ist gleich geblieben (43 Prozent). In Italien, in dieser Kategorie Schlusslicht, gibt mehr als die Hälfte der Befragten (54 Prozent) an, dass sich ihre wirtschaftliche Situation verschlechtert hat.

Stark in der Mitte, schwach an den Rändern: politische Einstellungen in Deutschland

Im Vergleich zu den großen EU-Staaten fällt auf, dass die politischen Einstellungen in Deutschland sehr gemäßigt und mehrheitlich in der Mitte angesiedelt sind. 80 Prozent der Deutschen verorten sich in der politischen Mitte, so viele wie in keinem anderen der sechs größten EU-Länder. Die Mehrheit davon (44 Prozent) stuft sich in Deutschland als Mitte-links ein. In Frankreich sind die politischen Ränder im EU-Vergleich am stärksten: Jeweils ein Viertel der Franzosen steht laut Eigenauskunft links (24 Prozent) oder rechts (25 Prozent) von der Mitte.

Gleichzeitig gilt in Deutschland wie in Frankreich und der EU allgemein: Wer unzufrieden ist, orientiert sich politisch nach rechts. Diejenigen, die sich in Deutschland selbst als rechts bezeichnen (7 Prozent), sind zu 63 Prozent unzufrieden mit dem Zustand der Demokratie in Deutschland und zu 65 Prozent unzufrieden mit der Demokratie in der EU. 77 Prozent von ihnen meinen, die EU entwickele sich in die falsche Richtung und nur jeder Zweite von denjenigen, die sich in Deutschland als rechts bezeichnen, würden in einem Referendum für den Verbleib ihres Landes in der EU stimmen.

In all diesen Kategorien unterscheiden sich damit diejenigen Deutschen, die sich selbst als politisch rechts bezeichnen, wesentlich von denjenigen, die sich selbst als Mitte-rechts, Mitte-links oder links bezeichnen. Damit ist in Deutschland derselbe Trend zu beobachten wie in anderen europäischen Ländern. Allerdings ist die Gruppe derjenigen, die sich in Deutschland als rechts bezeichnen, mit 7 Prozent immer noch sehr klein - im Vergleich etwa zu 25 Prozent in Frankreich.

Deutschland profitiert von guten Wirtschaftszahlen

Wer wissen wolle, warum im aktuellen Bundestagswahlkampf keine richtige politische Kontroverse aufkomme, der könne in den aktuellen "eupinions"-Zahlen Antworten finden, stellt "eupinions"-Projektleiterin Isabell Hoffmann fest: "Brexit, Trump und die dramatischen Wahlkämpfe in Frankreich, Österreich und den Niederlanden haben offenbar viele Deutsche tief beeindruckt und davon überzeugt, dass es Deutschland verhältnismäßig gut geht." Noch profitiere das Land von seiner breiten politischen Mitte und seinen guten Wirtschaftszahlen. Entscheidend werde sein, ob es der Alternative für Deutschland (AfD) nach dem wahrscheinlichen Einzug in den Bundestag gelinge, die politische Debatte nach dem Vorbild europäischer Schwesterparteien entlang von Reizthemen wie Asyl und Migration tiefgreifend zu polarisieren.


Zusatzinformationen
Die "eupinions" sind das europäische Meinungsforschungsinstrument, das die Bertelsmann Stiftung zusammen mit Dalia Research entwickelt hat und regelmäßig die Bürger aller 28 EU-Mitgliedstaaten zu europäischen Themen befragt. Die letzte Befragung fand im Juli 2017 statt und ist mit einem Sample von 10.755 Befragten repräsentativ für die gesamte Europäische Union und die sechs größten Mitgliedstaaten Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und Polen.

Weitere Informationen unter:
http://www.bertelsmann-stiftung.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution605

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Bertelsmann Stiftung, Benjamin Stappenbeck, 06.09.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang